Gas-Geruchsstoff: Gift für die Brennstoffzelle
Jetzt geht’s dem Schwefel im Erdgas an den Kragen. Sowohl die natürlichen Schwefelverbindungen als auch die schwefelhaltigen Geruchsstoffe (Odoriermittel) greifen die in Brennstoffzellenheizgeräten eingesetzten Katalysatoren an. Die Gaswirtschaft offeriert jetzt Lösungswege.
Die Entwicklung kleiner Brennstoffzellenheizgeräte (BZH) schreitet voran. In einigen Jahren könnten hunderttausende von ihnen Wohngebäude effizient mit Strom und Wärme versorgen. Die Versorgung erfolgt meist über Erdgas. Doch die im Ortsnetz aus Sicherheitsgründen zugesetzten Geruchsstoffe enthalten bislang zumeist Schwefel. Das stellt die BZH-Betreiber vor Probleme, schließlich erweist sich Schwefel als Gift für die eingesetzten Katalysatoren. Doch die Gaswirtschaft wird aktiv. So beteiligte sich Ruhrgas an der Entwicklung eines schwefelfreien Odoriermittels. Und Wingas forscht gemeinsam mit der BASF an einer praktikablen Absorberpatrone, die dem BZH vorgeschaltet wird. Brennstoffzellen gelten als Hoffnungsträger für eine nachhaltige Energieversorgung auf Basis regenerativ erzeugten Wasserstoffs. Als Übergangsenergie für stationäre Anwendungen empfiehlt sich besonders Erdgas. Dabei wird in einem je nach Brennstoffzellentyp mehr oder weniger komplexen Reformierungsprozess wasserstoffreiches Gas als Kraftstoff für die Brennstoffzelle erzeugt. Erdgas enthält jedoch neben Kohlenwasserstoffen wie Methan auch unerwünschte Begleitstoffe, wie Schwefelverbindungen. Die Gesamtschwefelanteile seien dabei stark abhängig von der Herkunft, erklärt BASF-Manager Dr. Markus Hölzle. Zum Beispiel weise Nordseegas meist Werte von kleiner als 20 mg/m³ auf. Bei russischem Erdgas liege der Schwefelanteil normalerweise unter 10 mg/m³. Laut Regelwerk des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW) sollte der Anteil aller Schwefelverbindungen im Erdgas im Jahresmittel 30?mg/m³ nicht überschreiten. Kurzfristig seien jedoch höhere Werte zulässig. Insgesamt steigt der Schwefelanteil durch die bislang aus Sicherheitsgründen eingesetzten Odoriermittel. Denn meist kommen dabei schwefelhaltige Moleküle wie Mercaptane oder Thiophene zum Einsatz, die einen intensiven, abstoßenden Geruch besitzen. Einen Konzentrationsanstieg gibt es z.?B., wenn zur Lecksuche gezielt vom örtlichen Gasversorger eine größere Dosis Odoriermittel eingesetzt werden.
„Schwefel vergiftet die meisten der im Reformer und der Brennstoffzelle eingesetzten Katalysatoren sehr schnell und irreversibel“, warnt Hölzle. Mit den Metallen der Katalysatoren würden Sulfide gebildet, die die aktiven Zentren am Katalysator blockieren. Um einen dauerhaften Betrieb zu gewährleisten, müssten alle schwefelhaltigen Komponenten, wie Schwefelwasserstoff, Kohlenstoffoxidsulfid, Schwefelkohlenstoff, Mercaptane und Thiophene, möglichst vollständig entfernt werden. Generell seien alle Brennstoffzellensysteme betroffen, so Hölzle. „Selbst bei den Hochtemperaturzellen, die als schwefelunempfindlicher eingestuft werden, haben derzeit alle Systeme Entschwefelungseinrichtungen.“ Zum Einsatz kämen bislang Aktivkohlefilter oder Molsiebe, die oft von geschultem Personal gewechselt werden müssen. Sowohl hinsichtlich des Absorptionsvermögens als auch des Platzbedarfs und der Kosten könnten sie nur Übergangslösungen sein.
Die BASF kann auf eigene Erfahrungen mit BZH zurückgreifen. Im Mai 2000 nahm ihr Wohnungsbauunternehmen Gewoge gemeinsam mit den Technischen Werken Ludwigshafen (TWL) und der Wingas (ein Unternehmen der BASF-Tochter Wintershall) in einem sanierten Zwölf-Familienhaus ein PEM-BZH von European Fuel Cell in Betrieb. Dieser Praxistest wird seit Juli 2002 mit einem SOFC-System von Sulzer Hexis fortgeführt. Innerhalb der konzerneigenen Katalysatorenforschung entwickelt man jetzt gemeinsam mit Wingas eine bei Raumtemperatur arbeitende, hochleistungsfähige Absorberpatrone für Schwefel, berichtet Laborleiter Dr. Helge Wessel. Ziel sei eine Wechselpatrone, die man unabhängig vom Typ und Hersteller der BZH direkt in die Erdgasleitung vor dem Reformer einsetze. Angestrebt werde eine Standzeit, die mit den Wartungsintervallen der BZH übereinstimmten.
Es seien bereits vielversprechende Substanzklassen identifiziert worden, die im Gegensatz zu Aktivkohlen ausschließlich Schwefel entfernen, erläutert Wessel. „Aufgrund des spezifischen Wirkungsmechanismus lassen sich die Systeme effizienter und kompakter bauen.“ Derzeit laufen noch Laborversuche, doch bereits in diesem Halbjahr sollen erste Produkte bei den anlaufenden BZH-Feldtests erprobt werden. Kontakte bestünden zu allen weltweit führenden Brennstoffzellenentwicklern sowie zu Erdgasversorgern. „Wir haben weltweite Vermarktungsziele.“
In die Vermarktung geht derweil auch das erste schwefelfreie Odoriermittel von Haarmann & Reimer (H&R). Das gemeinsam mit Ruhrgas entwickelte neue Produkt wurde vom DVGW zertifiziert und Ende 2002 für den Markteinsatz freigegeben. Dem Erdgas sollen sich dadurch weitere Einsatzmöglichkeiten in sensiblen industriellen Prozessen erschließen. Als Produzent von Duft- und Geschmacksstoffen stärkt H&R damit seine Position bei industriellen Duftanwendungen. Als Neueinsteiger im Odoriermarkt erhofft man sich bereits in drei bis vier Jahren gute Marktanteile, gibt sich Vertriebsleiter Fritz Henke optimistisch. Erste Gasversorger, wie EWE, HanseGas oder RWE Gas, würden bereits das neue Mittel in Teilen ihres Versorgungsnetzes einsetzen. Auch international gebe es schon Interessenten in Belgien, Dänemark und Österreich.
Für potentielle BZH-Betreiber bedeutet dies aber noch keine Entwarnung. Selbst wenn alle Versorger auf den neuen Geruchsstoff umsteigen sollten, bleiben noch die natürlichen Schwefelgehalte im Erdgas, erinnert Hölzle. „Diese müssen in jedem Fall entfernt werden.“ Das heißt: Die Entschwefelungsstufe bliebe auch bei schwefelfreien Odoriermitteln „unumgänglich.“ ROBERT DONNERBAUER
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