Gasturbine leistet so viel wie 1.400 Porsche 911 Turbo zusammen
Sie ist 13 Meter lang und jeweils fünf Meter hoch und breit. Ihr Name SGT5-9000HL lässt nicht unbedingt erahnen, was in ihr steckt. Diese neue Gasturbine von Siemens kann mit ihrer Leistung eine Stadt mit 3,3 Millionen Einwohnern ein Jahr lang mit Strom versorgen.
Per Schwertransport und Schiff macht sich die neue Gasturbine auf den Weg. Erwartet wird sie in Keadby, Lincolnshire, in Großbritannien. Gebaut wurde sie von Siemens Gas and Power im Werk in Berlin für den 50-Hertz-Strommarkt. Die SGT5-9000HL ist das jüngste Produkt aus der Reihe der Hochleistungsgasturbinen. Der Hersteller setzt dabei auf robuste und flexible Motoren, die sich besonders für den Einsatz in großen Kraftwerken eignen. Mit ihnen ist sowohl ein Spitzen-, Zwischen- als auch ein Grundlastbetrieb möglich. Sie sind ebenfalls kombinierbar mit Anlagen, die auf Basis der Kraft-Wärme-Kopplung funktionieren. Viel Wert legt der Hersteller einerseits auf Zuverlässigkeit der Motoren sowie andererseits auf einen effizienten Wirkungsgrad.
Gasturbinen kommen im Gegensatz zu Dampfturbinen direkt mit dem Brennstoff in Berührung, der sie antreibt. Die heißen Verbrennungsabgase von Erdgas setzen die Turbinen in Gang. Temperaturen bis zu 1.500 Grad Celsius herrschen in solchen Anlagen. Für den optimalen Betrieb werden sie luftgekühlt. Diese Funktion schont Schaufeln oder Flügel der Turbine und macht den Einsatz bei hohen Temperaturen überhaupt erst möglich. Denn ohne eine Kühlung kann das Material der einzelnen Teile schnell verschleißen. So schafft die Turbine einen kombinierten Wirkungsgrad von mehr als 63%.
Präzision wie bei einem Uhrmacher ist gefragt
Eine Gasturbine ist tonnenschwer – die SGT5-9000HL wiegt fast 500 Tonnen – und besteht zugleich aus mehreren Tausend Einzelteilen, die teilweise so winzig sind, dass man sie in einer Armbanduhr vermuten könnte. Präzision ist bei der Fertigung gefragt. Die Turbine ist so konzipiert, dass sie leicht und steif ist. Hinzu kommen interne Kühlluftkanäle sowie Raum für die freie Wärmeausdehnung der Rotor- und Gehäuseteile. Damit ist sie besonders für schnelle Kalt- und Heißstarts geeignet. Das ringförmig angelegte Verbrennungssystem lässt höhere Temperaturen zu und bietet mehr Flexibilität im Betrieb. Dabei verbessern 25 Vormischbrenner die Mischung aus Kraft- und Sauerstoff. Die Turbinenschaufeln sind mit einer besonderen Wärmedämmschicht überzogen. Dadurch kann die Anlage mit weniger Kühlluft betrieben werden, was gleichzeitig die Betriebskosten senkt. Die Turbine senkt die Abgasverluste und macht es damit möglich, durch höhere Abgastemperaturen, den Wasser-Dampf-Kreislauf in einem Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk (GuD-Kraftwerk) zu verbessern. In der Fertigung hat der Hersteller darauf geachtet, dass Wartungen, Reparaturen und Instandhaltungen vor Ort erledigt werden können. Zugleich wurde die SGT5-9000HL so konzipiert, dass sie problemlos in zahlreiche Kraftwerke, ganz gleich ob einfache oder kombinierte, integriert werden kann. Dadurch lässt sich ein Projekt in deutlich kürzerer Zeit realisieren.
Turbine sorgt für 3,7 Millionen Tonnen weniger CO2 jedes Jahr
Ziel der SGT5-9000HL ist das Kraftwerk Keadby2 des britischen Energieversorgers SSE Thermal. Zuerst ist ein Testbetrieb geplant. Danach soll die Gasturbinenanlage zu einem hocheffizienten GuD-Kraftwerk ausgebaut werden. Das bedeutet: Ihre Leistung von 593 Megawatt (MW), die etwa der von 1.400 Porsche 911 Turbo entspricht, wird dann noch einmal erhöht auf 840 MW. Durch den hohen Wirkungsgrad von 63% spart der britische Energieversorger SSE Thermal Brennstoff ein, da die Anlage weniger Gas benötigt. Zudem reduziert SSE Thermal den Kohlendioxid-Ausstoß um rund 3,7 Millionen Tonnen pro Jahr. Die Zahlen basieren auf einem Vergleich mit dem bestehenden Kohlekraftwerk in Keadby, das durch die neue GuD-Anlage ersetzt werden soll.
„Die Auslieferung der ersten SGT5-9000HL-Gasturbine ist ein wichtiger Meilenstein für das Keadby2-Projekt“, sagt Karim Amin, CEO der Division Generation von Siemens Energy. „Ich bin froh, dass wir in diesen herausfordernden Zeiten die Turbinenmontage trotz aller Einschränkungen aufgrund von Covid-19 abschließen konnten und es erfolgreich geschafft haben, die Maschine auf ihre Reise an den Kraftwerksstandort in Großbritannien zu schicken“, ergänzt Amin. Zwölf Tage haben die Projektpartner für Reise von Berlin nach Keadby geplant. Bis die Turbine erstmals in Betrieb genommen wird, dauert es noch etwas: 2021 haben sich die Partner vorgenommen. Direkt ein Jahr später, 2022 soll dann nach erfolgreichem Probebetrieb die Turbine in den kommerziellen Betrieb gehen.
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