Gasumlage trotz Milliardengewinnen? Habeck wird deutlich: „Schweinegeld“
Millionen Menschen müssen die Gasumlage zahlen. Offenbar wollen auch Energieunternehmen davon profitieren, die gar nicht in Not sind – im Gegenteil. Wirtschaftsminister Robert Habeck kündigte Schritte an.
Für Millionen Menschen wird es teurer: Ab Oktober greift die Gasumlage, Gaskunden zahlen dann 2,419 Cent pro Kilowattstunde mehr. Bei einem Haushalt mit Einfamilienhaus und einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden betragen die Mehrkosten dann rund 484 Euro im Jahr. Berechnet wurde sie vom sogenannten Marktgebietsverantwortlichen Trading Hub Europe, einem Gemeinschaftsunternehmen der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte immer wieder betont, dass die Gasumlage eine Notwendigkeit sei, um die Gasversorgung in Deutschland aufrechterhalten zu können. Die Umlage soll Gasversorgern zugutekommen, die zu extrem hohen Preisen Ersatz für ausbleibende, günstigere Gasmengen aus Russland kaufen müssen. Letztlich ist der Schritt eine Folge des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine – Russland hat seit Juni die Gasimportmengen nach Deutschland deutlich reduziert. Unterstützt werden sollen nun Großimporteure wie beispielsweise Uniper, um sie vor der Pleite und damit das deutsche Energiesystem vor dem Kollaps zu bewahren.
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Allerdings: Nicht nur Unternehmen, die in arge Bedrängnis geraten, haben Anspruch auf Unterstützung. Auch Gasversorger, die gar nicht in Not sind, könnten von den Milliarden profitieren. So könnten etwa Unternehmen, die Verluste im Gasgeschäft aber gigantische Gewinne im Stromgeschäft gemacht haben, absahnen. Offenbar haben das tatsächlich einige Firmen im Sinn.
Gasumlage für Unternehmen trotz Milliardengewinnen?
So sagte Robert Habeck am Donnerstag, es hätten sich ein paar Unternehmen „reingedrängelt“, „die nun wirklich viel Geld verdient haben und die Umlage der Bevölkerung nicht brauchen“. Aus Gründen der Gleichheit vor dem Gesetz hätten diese Unternehmen einen Rechtsanspruch, so Habeck weiter – und wird deutlich: „Aber es ist sicherlich nicht moralisch richtig, dass Unternehmen, die – lassen Sie mich das mal plattdeutsch sagen – ein Schweinegeld verdient haben, dann auch noch sagen: Ja, und für die paar Einnahmeausfälle, die wir haben, da bitten wir die Bevölkerung um Hilfe, die soll uns nämlich auch noch Geld geben.“
In diesem Zusammenhang kündigte er an: „Wir gucken uns das noch mal ganz genau an, ob wir noch einen juristisch sicheren Weg finden, die nicht richtige Inanspruchnahme von diesen Unternehmen dort zu beenden.“ Das bleibt vorerst ein frommer Wunsch: Eine konkrete Lösung gibt es offenbar aber noch nicht.
Ein Weg wäre der freiwillige Verzicht von Unternehmen, die nicht auf die Zuschüsse angewiesen sind. RWE und Shell etwa hatten bereits im Vorfeld erklärt, Verluste selber tragen zu wollen. Bei anderen Unternehmen sieht das bis jetzt noch anders aus. Ein Sprecher des österreichischen Energiekonzerns OMV etwa sagte am Donnerstag, die deutsche Tochter habe Ausgleichsansprüche als Gasimporteur im Sinne des Gesetzes bekannt gegeben – dabei hatte OMV im ersten Halbjahr Milliardengewinne gemacht. Aber: „Ob und in welcher Höhe Ansprüche bestehen und ob diese in Anspruch genommen werden, hängt von weiteren Prüfungen und Entscheidungen ab.“
Verzicht durch Unternehmen wäre „vernünftig“
Einen Überschuss erzielten etwa auch der Schweizer Energiehändler Axpo und der deutsche Energiekonzern EnBW, dessen Tochter VNG ebenfalls einen finanziellen Ausgleich durch die Umlage will. Eine VNG-Sprecherin sagte, ausfallende russische Mengen müssten am Markt zu massiv gestiegenen Preisen nachgekauft werden, um die Kunden zu ihren ursprünglich vereinbarten Konditionen weiter zu beliefern. Dies habe erhebliche Verluste bei der VNG erzeugt. Um absehbar weitere Verluste zu mildern, habe sich der Vorstand der VNG entschieden, die Gasumlage zu beantragen. „Das Umlagesystem ermöglicht für die VNG keine Gewinne, sondern mindert Verluste.“
Wirtschaftsminister Robert Habeck riet Unternehmen, die nicht in Not geraten sind, zu einem Verzicht: „Es wäre auch vernünftig, wenn Unternehmen, die gute Gewinne machen, das tun“, sagte er in Gelsenkirchen am Rande einer Werksbesichtigung.
Ab wann gilt die Gasumlage?
Die Gasumlage soll ab Anfang Oktober gelten. Sie wird aber nicht unmittelbar auf den Rechnungen sichtbar, sondern mit etwas Zeitverzug, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Es gebe aus Verbraucherschutzgründen Ankündigungsfristen im Energiewirtschaftsgesetz von vier bis sechs Wochen, die eingehalten werden müssten. Daher werde die Umlage mit etwas Zeitverzug wahrscheinlich erstmals im November/Dezember auf den Rechnungen ausgewiesen werden.
Gibt es Entlastungen für Kunden?
Die Bundesregierung wollte gerne einen zeitweisen Verzicht auf Mehrwertsteuer, rechtlich ist das aber nicht einfach umsetzbar. Denn solche Ausnahmen sind im Europarecht nicht vorgesehen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte auf EU-Ebene um eine Ausnahme gebeten: In einem Brief bat er EU-Finanzkommissar Paolo Gentiloni, sein Initiativrecht zu nutzen und den EU-Staaten die Möglichkeit zu geben, auf staatliche Abgaben im Energiebereich für eine Weile keine Mehrwertsteuer zu erheben.
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Dem Wunsch wurde nicht stattgegeben, aus juristischen Gründen. Jetzt wurde die Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf sieben Prozent gesenkt, um zumindest eine Teilentlastung für die Bürger zu gewährleisten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuletzt angesichts der stark gestiegenen Energiepreise zusätzliche Entlastungen zugesichert. Es werde niemand alleine gelassen, so Scholz.
(mit dpa)
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