IEA-Sondergutachten 13.12.2024, 17:00 Uhr

Geothermie als Lösung für den global wachsenden Strombedarf

Geothermie könnte bis 2050 ein wichtiger Bestandteil der globalen Energieversorgung werden – mit niedrigen Kosten und großem Potenzial.

EU-ENERGY/GEOTHERMAL

Geothermie könnte bis 2050 ein wesentlicher Bestandteil der globalen Energieversorgung werden – mit niedrigen Kosten und großem Potenzial, so eine neue Studie der Internationalen Energieagentur IEA. Das Bild zeigt eine Anlage in Geretsried.

Foto: dpa Picture Alliance/Reuters/Michaela Rehle

Die globale Stromnachfrage wächst stetig. Für die Geothermie eröffnen neue Technologien zusätzliche Möglichkeiten, eine zentrale Rolle in der Energieversorgung der Zukunft einzunehmen. Laut einem aktuellen Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) könnte Geothermie bis 2050 bis zu 15 % des weltweiten Strombedarfs decken. Dies entspräche einer installierten Stromerzeugungskapazität von bis zu 800 GW – eine jährliche Stromerzeugung, die dem heutigen Bedarf der USA und Indiens zusammen entspricht. Die weltweite Kapazität der Geothermie ist in den letzten zehn Jahren bereits um fast 40 % auf 15 GW im Jahr 2023 gestiegen. Zum Beispiel ist das Potenzial, was speziell tiefe Geothermie für den Klimaschutz in Deutschland tun kann, erheblich.

Fatih Birol, Exekutivdirektor der IEA, betont anlässlich der Veröffentlichung der Studie heute in Paris: „Neue Technologien eröffnen der Geothermie weltweit neue Horizonte und bieten die Möglichkeit, einen erheblichen Teil des schnell wachsenden Strombedarfs sicher und sauber zu decken.“

Geothermie als erneuerbare Ergänzung zu Wind- und Solarenergie

Geothermie gilt als flexible und emissionsarme Energiequelle, die nicht nur stabilen Strom rund um die Uhr liefern kann, also grundlastfähig ist, sondern auch andere erneuerbare Technologien wie Wind- und Solarenergie ergänzt. Während derzeit nur etwa 1 % des weltweiten Strombedarfs durch Geothermie gedeckt wird, zeigen laut IEA neue Analysen, dass das Potenzial der nächsten Generation von Geothermietechnologien die globale Strom- und Wärmenachfrage um ein Vielfaches übersteigen könnte. Geothermische Kraftwerke hatten 2023 eine durchschnittliche Kapazitätsauslastung von über 75 %, was deutlich höher ist als bei Solarenergie (15 %) und Windenergie (30 %).

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Die Vorteile reichen weit über die Energieerzeugung hinaus: Geothermie kann auf bestehende Fähigkeiten und Technologien der Öl- und Gasindustrie zurückgreifen. Bohrtechniken und Anlagen, die bisher für fossile Brennstoffe genutzt wurden, ermöglichen den Zugang zu tiefen, schwer zugänglichen Energiequellen. Tatsächlich könnte das volle technische Potenzial der Geothermie der nächsten Generation den globalen Strombedarf 140-fach decken. Nur das Potenzial der Photovoltaik sei höher, so die IEA in der Studie.

Wo die wirtschaftlichen Chancen und Investitionen für die Geothermie liegen

Die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Geothermie sind enorm. Bis 2035 könnte der Sektor kumuliert Investitionen in Höhe von 1 Billion $ anziehen, so die IEA. „Unsere Analyse zeigt, dass das Wachstum der Geothermie Investitionen in Milliardenhöhe generieren könnte, während gleichzeitig die Kosten sinken“, erklärt Birol. Schätzungen zufolge könnten die Stromgestehungskosten für Geothermie bis 2035 auf etwa 50 $/MWh sinken, was einem Rückgang von 80 % entspricht – wenn, so die IEA, die „richtige Unterstützung“ gewährt würde.

Im Jahr 2023 überstiegen die Investitionen in Geothermie 47 Mrd. $, was mehr als 5 % der weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien ausmache. Tatsächlich könnte die Geothermie auch eine zentrale Rolle spielen, weltweit neue Jobs zu schaffen. Weltweit waren rund 145.000 Arbeitsplätze direkt mit der geothermischen Stromerzeugung verbunden. Zum Vergleich: Laut IEA beschäftigt der Öl- und Gassektor weltweit rund 12 Mio. Menschen.

Neue Technologien ermöglichen Geothermie globale Reichweite

Traditionell ist Geothermie vor allem in Regionen mit vulkanischer Aktivität oder tektonischen Plattengrenzen verbreitet. USA, Island, Indonesien, Türkei, Kenia und Italien zählen zu den führenden Nationen in diesem Bereich. Die Vereinigten Staaten, Indonesien, Türkei, Philippinen und Neuseeland waren denn auch 2023 für zwei Drittel der weltweiten geothermischen Stromerzeugung verantwortlich. Doch neue Technologien machen den Zugang zu geothermischen Ressourcen nahezu überall möglich (s. Kasten am Textende). Diese erleichtern zum Beispiel das Niederbringen von geothermischen Bohrungen, nutzen die geförderte Wärme effizienter (weniger Verluste) oder optimieren die Wärmeausbeute aus dem Wirtsgestein.

Geothermie braucht mehr politische Förderung, scheitert immer noch oft an Genehmigungen

Mehr als 100 Länder haben bereits politische Strategien für Solar- und Windenergie entwickelt, aber nur 30 verfügen über ähnliche Ansätze für Geothermie. Durch klare regulatorische Rahmenbedingungen und Innovationsförderung könnten Regierungen das Risiko in der Anfangsphase von Projekten reduzieren und neue Investitionen freisetzen, hat die IEA analysiert. Bis 2030 haben sich Regierungen in 22 Ländern zum Ziel gesetzt, die geothermische Kapazität auf insgesamt 19 GW zu erhöhen – eine Steigerung von 30 % im Vergleich zu heute.

Bürokratie bleibt weltweit gesehen eine große Hürde für die Geothermie, so das Gutachten. Genehmigungsverfahren für Geothermieprojekte könnten bis zu zehn Jahre dauern. Der Bericht der IEA empfiehlt daher, Genehmigungsprozesse zu vereinfachen und spezifische Regime für Geothermie einzuführen, um Projekte zu beschleunigen. In Deutschland wurde daher inzwischen auch ein eigenes Geothermiegesetz auf den Weg gebracht. Im Jahr 2023 entfielen 79 % der genutzten Geothermie auf Heizungsanwendungen, 21 % wurden für die Stromerzeugung genutzt.

Die Zukunft der Geothermie hängt von der Unterstützung durch Regierungen und Investoren ab. Mit sinkenden Kosten und wachsender technologischer Reife könnte Geothermie eine Schlüsselrolle in einer nachhaltigen und sicheren Energiezukunft spielen. Gleichzeitig bietet sie der Öl- und Gasindustrie die Möglichkeit, ihre Kompetenzen in einem neuen, schnell wachsenden Markt einzusetzen, sie könnte die Geothermie als Nachmieter in alten Erdgaslagerstätten etablieren.

Ein Beitrag von:

  • Stephan W. Eder

    Stephan W. Eder

    Redakteur VDI nachrichten
    Fachthemen: Energie, Energierohstoffe, Klimaschutz, CO2-Handel, Drucker und Druckmaschinenbau, Medien, Quantentechnologien

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