Grubenwasser heizt Klassenzimmer
Der Bergbau hat im Ruhrgebiet seine Spuren hinterlassen. Doch unter der Erdoberfläche schlummert in Europas größter Industrieregion eine alternative Energiequelle. Grubenwässer aus einer stillgelegten Zeche sollen öffentliche Gebäude heizen. Das Geothermieprojekt der Stadt Bochum läuft jetzt an.
Nach dem Auslaufen des subventionierten Steinkohlebergbaus im Jahr 2018 geht die Arbeit in einigen ehemaligen Bergwerken weiter. Eine der größten Herausforderungen ist die nachhaltige Behandlung von Grubenwasser. Jährlich werden im Ruhrgebiet etwa 80 Mio. m³ in Gewässer gepumpt, um zu verhindern, dass aktive und stillgelegt Schächte voll laufen. Die Kosten hierfür liegen bei etwa 100 Mio. € im Jahr.
Auf dem Gelände der ehemaligen Zeche „Robert Müser“ im Bochumer Stadtteil Werne pumpt der Bergbaukonzern RAG aus einem Schacht in 570 m Tiefe bislang jährlich etwa 10 Mio. m³ ab und leitet diese in anliegende Teiche. Gemeinsam mit den Stadtwerken Bochum hat man nun ein geothermisches Pilotprojekt gestartet, in dem das Grubenwasser als Wärmequelle genutzt wird. Davon profitieren seit Oktober die anliegende Hauptfeuerwache der Stadt Bochum sowie eine Gesamt- und eine Grundschule.
Stadtwerke Bochum nutzt die Wärme von Grubenwasser
In der Schachtanlage haben die Stadtwerke Bochum einen Wärmetauscher errichtet, der die Wärme des Grubenwassers an einen Zwischenkreis überträgt. „Da das Grubenwasser einen erhöhten Salzgehalt aufweist, hilft der Zwischenkreis, nur die Wärme aus dem Grubenwasser zu übertragen die beiden Prozesse haben jedoch aufgrund separater Rohrleitungen keinen direkten Kontakt miteinander“, sagt Christin Bücker, verantwortliche Projektingenieurin bei den Stadtwerken, den VDI nachrichten.
Anschließend wird das etwa 20 °C warme Wasser über unterirdische Leitungen in die Gebäude geleitet. „Die Rohre sind zwar nicht gedämmt, aber bislang haben wir auf dem Transportweg keinen gravierenden Wärmeverlust feststellen können“, erklärt Frank Peper, Bereichsleiter Fernwärme bei den Stadtwerken Bochum. Ein Blockheizkraftwerk und Wärmepumpen sorgen dafür, dass das Wasser auf bis zu 50 °C erwärmt werden kann, um damit auch das Schwimmbecken und die Duschen der angrenzenden Einrichtungen zu versorgen.
Die Stadtwerke investierten in das Projekt rund 1,3 Mio. €, davon finanzierte das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 500 000 € durch Fördergelder. Sie hoffen so, etwa 35 % des an den drei öffentlichen Gebäuden eingesetzten Erdgases einsparen zu können außerdem könnte der CO2-Ausstoß jährlich um etwa 250 t reduziert werden.
Grubenwasser-Projekt hat Pilotcharakter
Das Pilotprojekt soll dabei nicht einzigartig bleiben. Derzeit werden von der RAG die zentralen Wasserhaltungen der Schächte „Carolinenglück“ im Bochum-Hamme und „Friedlicher Nachbar“ in Bochum-Linden untersucht.
Ob die Technologie auch Privathaushalten zur Verfügung gestellt werden kann, wird die nahe Zukunft zeigen. Anfragen von Anwohnern der ehemaligen Zeche Robert Müser liegen vor. „Wir prüfen derzeit, inwieweit sich das auch auf private Haushalte übertragen lässt“, sagt Dietmar Spohn, Technischer Geschäftsführer der Stadtwerke.
Vielleicht genügt ja auch ein Blick in die benachbarten Niederlanden. Die Stadt Heerlen bei Aachen versorgt im Rahmen des EU-geförderten „Minewater Projects“ die Heizungen mehrerer Hundert Haushalte einer Neubausiedlung mit warmen Grubenwasser.
Angesichts des nahen Endes des Steinkohlebergbaus sucht der ehemalige Kohlekonzern RAG nach neuen Betätigungsfeldern. Er will weg vom „schmutzigen“ Image des Bergbaus und setzt verstärkt auf grüne Technologien. „Die RAG verfügt über viele Flächen und Einrichtungen, auf denen Projekte aus dem Feld der erneuerbaren Energien entstehen können“, sagt RAG-Technikvorstand Jürgen Eikhoff.
Grubenwasser ist besonders geeignet
Im gesamten Ruhrgebiet gebe es derzeit noch viele offene Schächte. „Grubenwasser eigne sich besonders, da das Potenzial durch die Infrastruktur der Wasserhaltung bereits erschlossen ist und nur noch den neuen Herausforderungen angepasst werden muss“, so Eikhoff. Auf dem Gelände des Weltkulturerbe Zollverein in Essen-Katernberg etwa wird seit 2010 bereits das von der Folkwang Universität der Künste genutzte Sanaa-Gebäude mit 28 °C warmen Grubenwasser beheizt.
Vor etwa fünf Jahren hat man sich bei der RAG erstmals Gedanken darüber gemacht, welches Potenzial im Grubenwasser stecken könnte. „Anlass waren die zu erwartenden Ewigkeitslasten, die nach dem Auslaufen des subventionierten Bergbaus auf uns zukommen“, erklärt Walter Eilert, bei der RAG für den Bereich der erneuerbaren Energien zuständig. Und die Zeit drängt. „Wenn die Schächte erst einmal zugeschüttet sind, werden derartige Projekte schwieriger zu realisieren sein, da der Aufwand und somit auch die Kosten steigen“, so Eilert.
Das Heizen mit Grubenwasser ist dabei nur eine von mehreren Möglichkeiten, wie die Potenziale des Bergbaus auch über das Jahr 2018 zu nutzen sind. Pumpspeicherkraftwerke und Windparks auf Abraumhalden sind ebenfalls eine Option.
Daneben arbeitet die RAG gemeinsam mit der Uni Duisburg-Essen daran, mithilfe von Mikroalgen Biomasse zu züchten. Neben ausreichend Licht und CO2 benötigt man dafür eine Temperatur von etwa 25 °C und die im Grubenwasser ausreichend vorhandenen Nährstoffe in Form von Mineralien. Die Arbeit, die im Rahmen des von der EU geförderten Projekts „Innovation City Modellstadt Bottrop“ läuft, befindet sich allerdings erst im Anfangsstadium. „Bislang ist es vor allem eine Vision“, sagt Eilert. Aber das war die Nutzung des Grubenwassers auch.
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