Stromausfall – neues Tool soll Städte unabhängig machen
Eine nachhaltige, kostengünstige und zuverlässige Stromversorgung in ländlichen Gebieten– so lautet das Ziel des Projekts RIGRID. Dafür haben die Partner in der polnischen Stadt Punsk und der Kommune Dardesheim in Sachsen-Anhalt ein dezentrales, intelligentes Energieversorgungsnetz mit passendem Energiemanagementsystem erprobt. Mit Erfolg.
Hätten Sie gewusst, dass die meisten Menschen in Deutschland eher ländlich leben? Das trifft auf 44 Millionen Menschen zu und damit auf mehr als die Hälfte der Einwohner – laut Angabe der Bundesregierung. Das Landleben hat durchaus zahlreiche Vorteile, wie Ruhe, Nähe zur Natur und sicher auch bezahlbare Mieten. Doch es gibt auch Nachteile, zu denen vor allem eine weniger gut ausgebaute Energieversorgungsinfrastruktur zählt. In zahlreichen Fällen fehlt es an Dichte oder die Energienetze sind veraltet und störungsanfällig. Das kann immer wieder zu Engpässen führen und im Hinblick auf neue Anforderungen – besonders an das Stromnetz – stellt sich die Frage, ob die Netze diesen gerecht werden können.
Das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) hat deshalb gemeinsam mit den Partnern Harz-Regenerativ-Druiberg e.V. und der RegenerativKraftwerke Harz RWKH GmbH im Rahmen des Projektes RIGRID, kurz für RURAL Intelligent Grid, nach einer Lösung gesucht. Die Partner sind sich einig, dass dezentrale, intelligente Versorgungsnetze, sogenannte Smart Grids, die Zukunft sind, weil sie am besten zum Ausbau erneuerbarer Energien passen, die grünen Strom liefern. Der Vorteil dieser Kombination für ländliche Gebiete: mehr Unabhängigkeit von zentralen Strukturen der Energieversorgung. Erfolgreich erprobt haben sie ein solches System in der polnischen Stadt Punsk und der Kommune Dardesheim in Sachsen-Anhalt. Die Basis ist ein virtuell-interaktives Energie-Infrastruktur-Design-Werkzeug, dass Wissenschaftler des Fraunhofer IFF eigens dafür entwickelt haben.
Intelligente Netze, grüner Strom – Stromversorgung der Zukunft
„Smart Grids helfen unter anderem, die schwankende Lieferung von Strom aus regenerativen Quellen zu koordinieren“, sagt Przemyslaw Komarnicki, Professor am Fraunhofer IFF und Leiter der Abteilung Elektrische Energiesysteme und Infrastrukturen ESI. In Punsk haben die Forscher ein Demonstrationsnetz aufgebaut, in das auch die Kläranlage, eine Photovoltaikanlage und ein Batteriespeichersystem vor Ort integriert wurden. Diese Versuchsanlage sollte dazu dienen, einerseits das System live zu testen und andererseits herauszufinden, wie die Bevölkerung eine solche Lösung annimmt.
Und so funktioniert das bedienerfreundliche Planungstool für grünen Strom: Zuerst wird es mit den 3D-Raumdaten der Gebiete inklusive aller Gebäude gefüttert. Diese überträgt das System dann in ein virtuelles Szenario. Das soll Betreibern und Bewohnern die Möglichkeit geben, ihr Energieversorgungssystem vor Ort interaktiv und ganz individuell zu planen. „Konkret könnten die Nutzer die Kosten, den CO2-Fußabdruck und die Abhängigkeit vom öffentlichen Versorgungsnetz berechnen und anzeigen lassen, wenn beispielsweise auf jedem Dach der Stadt Punsk eine PV-Anlage installiert werden würde. Natürlich sind auch beliebige andere Modellberechnungen denkbar“, erklärt Komarnicki.
Planungstool unterstützt den Ausbau grüner Stromerzeugung
Mit diesem System lässt sich im Vorfeld ermitteln, wie sich zusätzliche Windkraftanlagen auf die Versorgung auswirken oder auch welchen Effekt der Ausbau von Elektromobilität für den öffentlichen Nahverkehr hätte. Die Software bezieht dabei neben den technischen und wirtschaftlichen Faktoren auch die sozioökonomischen sowie Umwelt- und Stadtplanungsaspekte mit ein. „Wir viele Arbeitsplätze können durch nachhaltige Energieversorgungssysteme in einer kleinen Gemeinde entstehen? Wie sieht unsere Stadt/Gemeinde danach aus, beziehungsweise akzeptieren wir die baulichen Veränderungen, die mehr Grünstrom-Anlagen, zum Beispiel neue Windkraftanlagen, mit sich bringen? Auch solche Fragen beantwortet unser Planungstool“, sagt der Wissenschaftler.
Die Projektpartner betonen, dass eben nur unter Einbeziehung regionaler, technischer, wirtschaftlicher und sozialer Gegebenheiten vor Ort der Energietransformationsprozess überhaupt gelingen könne. Die Versuchsanlage in Punsk hat das gezeigt. Hier sei nicht nur die Energieeffizienz gestiegen, sondern auch die CO2-Emission gesunken. Zu Beginn hätten die Bewohner dem System noch eher skeptisch gegenübergestanden, am Ende habe es sie allerdings überzeugt. Das kann ein wichtiger Schritt in Richtung grüner Strom sein.
Gemeinden entscheiden selbst über den Anteil grünen Stroms
Das Planungstool bietet insgesamt drei verschiedene Module: ein virtuelles 3D-Visualisierungsmodul, ein Wirtschafts- sowie ein technisches Modul. Modul eins prüft neue Investitionen hinsichtlich der Verfügbarkeit regenerativer Energiequellen. Modul zwei ermöglicht Wirtschaftlichkeitsberechnungen unter Berücksichtigung der potenziellen Technologien, der lokalen Umweltfaktoren sowie der Verbrauchs- und Geodaten. Modul drei kann Konzepte für Niederspannungs- und Mittelspannungs-Microgrids erstellen. Das ermöglicht Gemeinden, selbst zu entscheiden, wie ihre Energieversorgung aussehen und wie hoch der Anteil von grünem Strom sein soll.
Die Gemeinden erhalten mit dem Tool die Möglichkeit, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. „In Modellregionen wie in Sachsen-Anhalt ist schon viel passiert. Hier wird regenerative Energie bereits intensiv genutzt. Aber andere Regionen nähern sich dem Aspekt nachhaltiger Energieversorgung nur langsam. Unsere interaktive Planungsplattform unterstützt sie bei der Selbstversorgung mit grünem Strom”, sagt Komarnicki.
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