MIT-Forschung 29.07.2024, 11:51 Uhr

Grüner Wasserstoff aus alten Dosen, Meerwasser und Koffein?

Wasserstoff aus Aluminium und Meerwasser zu gewinnen, ist so neu nicht. Forschende des MIT haben die Methode jetzt mit Koffein kombiniert, um den Prozess zu beschleunigen. Doch was lässt sich damit tun?

Aly Kombargi hält ein Glas mit Aluminiumkügelchen, die im Meerwasser zu reagieren beginnen.

Wasserstoffproduktion: Aly Kombargi hält ein Glas mit Aluminiumkügelchen, die im Meerwasser zu reagieren beginnen.

Foto: MIT / Tony Pulsone

Klingt wie ein Trick aus dem Zauberkasten: Man nehme eine alte Getränkedose, Meerwasser und Kaffeesatz – und schon entsteht daraus blitzschnell grüner Wasserstoff. So ungefähr ist ein Forschungsteam des Massachusetts Institute of Technology (MIT) vorgegangen. In der Zeitschrift „Cell Reports Physical Science“ beschreibt das Team den genauen wissenschaftlichen Ablauf und was sich mit diesen Erkenntnissen alles machen lässt.

Die Wissenschaft hinter der Reaktion

Das Herzstück der Entdeckung ist eine einfache chemische Reaktion: Reines Aluminium reagiert mit Meerwasser und produziert dabei Wasserstoffgas. Dieser Wasserstoff kann dann zur Energiegewinnung verwendet werden, sei es für Motoren oder Brennstoffzellen.

In einer aktuellen Studie, veröffentlicht in der Zeitschrift Cell Reports Physical Science, hat das Forschungsteam gezeigt, dass die Zugabe von Koffein die Wasserstoffproduktion erheblich beschleunigen kann. Koffein enthält Imidazol, eine Verbindung, die die Reaktion zwischen Aluminium und Meerwasser verstärkt.

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Die Reaktion hat einen Haken

Der Zauberkastentrick mit der Getränkedose und dem Meerwasser funktioniert nicht so einfach in freier Natur. Sobald Aluminium mit Sauerstoff in Kontakt kommt, bildet sich eine dünne Oxidschicht auf der Oberfläche, die weitere Reaktionen verhindert. In früheren Arbeiten mit Süßwasser entdeckte das Team, dass es diese Oxidschicht durchdringen und die Reaktion aufrechterhalten kann, indem es das Aluminium mit einer kleinen Menge einer Legierung aus Gallium und Indium behandelt.

Diese Legierung fungiert als „Aktivator“ und entfernt die Oxidablagerungen, sodass eine reine Aluminiumoberfläche entsteht, die mit Wasser reagieren kann. Bei Tests mit frischem, entionisierten Wasser produzierten vorbehandelte Aluminiumgranulate in nur fünf Minuten 400 ml Wasserstoff. Das Team schätzt, dass bereits 1 g dieser Pellets in der gleichen Zeit 1,3 l Wasserstoff erzeugen könnte.

Mit Kaffeesatz lässt sich der Turbo zünden

Auf der Suche nach Wegen, die Reaktion im Meerwasser zu beschleunigen, testeten die Forschende verschiedene unkonventionelle Zutaten. „Wir haben einfach in der Küche experimentiert und festgestellt, dass die Reaktion deutlich schneller abläuft, wenn wir Kaffeesatz ins Meerwasser geben und Aluminiumkügelchen hinzufügen“, berichtet Aly Kombargi, einer der Autoren der Studie und Doktorand am MIT-Department of Mechanical Engineering.

Um die Ursache dieser Beschleunigung zu ermitteln, konsultierte das Team Kollegen aus der Chemieabteilung des MIT. Diese schlugen vor, Imidazol zu testen – einen Wirkstoff im Koffein, der die Fähigkeit hat, die Aluminiumoberfläche zu durchdringen und die Reaktion mit Wasser zu ermöglichen, während die Gallium-Indium-Barriere intakt bleibt.

„Das war unser großer Durchbruch“, sagt Kombargi. „Wir hatten alles, was wir brauchten: die Rückgewinnung des Gallium-Indiums und eine schnelle, effiziente Reaktion.“

Praktische Anwendung auf See?

Was könnte man mit den Erkenntnissen aus den Experimenten machen? Das Forschungsteam des MIT arbeitet an einem kompakten Reaktor, der mit recyceltem Aluminiumgranulat (aus alten Getränkedosen und anderen Aluminiumprodukten) sowie einer kleinen Menge Gallium-Indium und Koffein beladen ist. Diese Materialien würden zusammen mit Meerwasser regelmäßig in den Reaktor geleitet, um bei Bedarf Wasserstoff zu erzeugen. Der erzeugte Wasserstoff könnte dann einen Motor antreiben oder das Schiff mit Strom versorgen.

„Dies ist besonders interessant für maritime Anwendungen wie Boote oder Unterwasserfahrzeuge, weil kein Meerwasser mitgeführt werden muss – es ist überall verfügbar“, erklärt Kombargi. „Wir müssen auch keinen Wasserstofftank mitnehmen. Stattdessen transportieren wir Aluminium als ‚Brennstoff‘ und fügen einfach Wasser hinzu, um den benötigten Wasserstoff zu erzeugen.“

Aktivierung mit Meerwasser

Ein Forscher demonstriert die „Aktivierung“ von Aluminium durch Eintauchen eines Aluminiumgranulats in ein Gallium-Indium-Gemisch.

Foto: MIT / Tony Pulsone

Wie soll es weitergehen?

Die Forscher sind davon überzeugt, dass sie die wesentlichen Zutaten für den Betrieb eines nachhaltigen Wasserstoffreaktors haben. Sie haben berechnet, dass ein solcher Reaktor, der etwa 18 kg Aluminiumpellets enthält, ein kleines Unterwasserfahrzeug etwa 30 Tage lang mit Energie versorgen könnte, indem er das umgebende Meerwasser abpumpt und Wasserstoff für den Antrieb eines Motors erzeugt.

„Wir zeigen einen neuen Weg, um Wasserstoff zu erzeugen, ohne Wasserstoff zu transportieren, sondern mit Aluminium als ‚Brennstoff‘“, sagt Kombargi. „Als Nächstes müssen wir herausfinden, wie wir dies für Lastwagen, Züge und vielleicht Flugzeuge nutzen können. Vielleicht könnten wir, anstatt auch Wasser zu transportieren, Wasser aus der Umgebungsfeuchtigkeit extrahieren, um Wasserstoff zu erzeugen. Das ist ein weiterer Schritt.“

Aluminiumherstellung sehr energieintensiv

Trotz der Begeisterung über das neue Verfahren, Wasserstoff aus einer Reaktion von Meerwasser mit Aluminium herzustellen, darf nicht übersehen werden, dass die Aluminiumproduktion äußerst energieintensiv ist. Die Gewinnung von Aluminium aus Bauxit ist sehr umweltbelastend und erfordert immense Mengen an Rohstoffen sowie Energie. Sie benötigt viermal so viel Energie wie die Papierherstellung, zehnmal so viel wie die Produktion von Weißblech und 27-mal so viel wie die Glasverarbeitung.

Der chemische Prozess zur Aufbereitung von Bauxit erfolgt unter extremen Bedingungen von Hitze und hohem Druck. Die dabei entstehende Lauge wird gekühlt, verdünnt und in riesige Öfen gebracht, die das Aluminiumhydroxid auflösen und auf 1300 °C erhitzen. Am Ende bleibt reines Aluminiumoxid zurück. Dieser gesamte Prozess findet in gigantischen Aluminiumfabriken statt, die enorme Mengen an Energie verbrauchen. Für die Produktion von nur 1 kg Aluminium werden etwa 17 kWh benötigt – eine Energiemenge, die ausreichen würde, um eine Leselampe 500 Stunden lang zu betreiben.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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