Grüner Wasserstoff: Meilenstein für klimaneutrales Fliegen erreicht
Nachhaltiger Flugverkehr ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Drei Akteure haben in einem Projekt nun einen Meilenstein erreicht.
Kohlenstoffdioxid, das Zementwerke in aller Welt in gigantischen Mengen emittieren und so den Klimawandel beschleunigen, wird in der Cemex-Deutschland-Produktionsstätte Rüdersdorf östlich von Berlin künftig eingefangen und in synthetisches Kerosin umgewandelt. Flugzeuge auf dem wenige Kilometer entfernten Flughafen-Berlin-Brandenburg können damit betankt werden. Sie emittieren zwar genauso viel Klimagas wie beim Verbrennen von fossilem Treibstoff. Doch insgesamt halbieren sich die Emissionen.
Für das Projekt haben sich Enertrag aus Dauerthal in Brandenburg, Cemex Deutschland, ein international aktiver Hersteller von Zement, und der zum südafrikanischen Chemieunternehmens Sasol gehörende Spezialist für die Umwandlung von kohlenstoffhaltigen Rohstoffen in synthetische Treibstoffe, Sasol ecoFT, zusammengeschlossen. „Concrete Chemicals“ heißt das Projekt, für das Enertrag Wasserstoff liefern wird, der durch Wasserspaltung gewonnen wird. Die dazu nötigen Elektrolyseure werden, verspricht das Unternehmen, ausschließlich mit Wind und Solarstrom betrieben.
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Wasserstoff ist exzellenter Fänger für Sauerstoffatome
Sasol produziert seit 60 Jahren synthetische Treibstoffe, ursprünglich aus heimischer Kohle, heute aus Erdgas. Die Südafrikaner haben das mehr als 100 Jahre alte Fischer-Tropsch-Verfahren verfeinert, sodass der Energieaufwand minimiert wird. Jetzt wollen sie es zum ersten Mal beim Rohstoff CO2 einsetzen. Dazu muss das Verfahren modifiziert werden, denn die Umwandlung in synthetische Treibstoffe mit dieser Technik erfordert Synthesegas als Ausgangsmaterial, ein Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Dem CO2 muss also zunächst ein Sauerstoffatom entrissen werden, ehe der Prozess Fahrt aufnimmt. Praktischerweise ist Wasserstoff ein exzellenter Fänger für Sauerstoffatome. Im Grunde muss der Wasserstoffanteil im Synthesegas lediglich erhöht werden, um das Ziel zu erreichen. Nötig sind darüber hinaus noch geeignete Katalysatoren.
Was die Luftfahrt jetzt unternehmen muss, um eine Zukunft zu haben
Gemeinsam mit dem Gasespezialisten Linde, Enertrag und der südafrikanischen Investmentgesellschaft Navitas Holdings baut Sasol in seinem Werk Secunda Synfuels, das synthtische Treibstoff herstellt, eine Anlage, die als Rohstoff CO2 einsetzt, gewissermaßen zum Üben für die Herausforderung in Rüdersdorf. Das geschieht im Rahmen von H2Global, einem 2020 lanciertes deutschen Förderprojekt zur Herstellung von grünem Wasserstoff und Power-to-X-Produkten, zu denen synthetisches Kerosin zählt.
Luftfahrt lässt sich am schwierigsten dekarbonisieren
Die Luftfahrt, die für 2,8 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist, und die Zementindustrie, die auf stolze acht Prozent kommt, gehören zu den Branchen, die sich am schwierigsten dekarbonisieren lassen, jedenfalls nach der gängigen Methode, einfach alles zu elektrifizieren. Während es bei der Zementindustrie an der schieren Menge an Strom scheitert, die benötigt würde, um fossile Energieträger zu ersetzen, ist es bei der Luftfahrt die Schwere der Batterien und deren Volumen. Dass mal ein Flugzeug mit 400 Sitzen elektrisch unterwegs ist, zudem noch mit der heute üblichen hohen Geschwindigkeit, halten die meisten Experten für ausgeschlossen, zumindest für unwahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund ist die Halbierung der Emissionen durch den Verbund Zementherstellung-Kerosinherstellung eine umwelttechnische Leistung. Das synthetische Kerosin wird für die Verwendung in Flugzeugen zertifiziert sein, also die benötigten chemischen Eigenschaften haben und frei von Fremdstoffen sein.
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Treibstoff für Flugzeuge: 15.000 Tonnen E-Kerosin geplant
In der ersten Stufe sollen jährlich 15.000 Tonnen E-Kerosin hergestellt werden. Dazu sollen am Standort Rüdersdorf 100 Tonnen CO2 pro Tag abgetrennt und mit zwölf Tonnen Wasserstoff pro Tag in Flugzeugtreibstoff umgewandelt werden. In der zweiten Stufe sollen größere Mengen an Wasserstoff per Pipeline angeliefert werden. Der grüne Wasserstoff wird im Rahmen des Enertrag-IPCEI-Projekts „Elektrolyse-Korridor Ostdeutschland“ mit einer Elektrolysekapazität von 210 Megawatt erzeugt, die eine Produktion von 35.000 Tonnen E-Kerosin pro Jahr ermöglichen wird. Auch bei diesem Projekt wird ausschließlich erneuerbarer Strom für die Produktion von 40 Tonnen grünem Wasserstoff pro Tag verwendet. Dies erfordert eine Erhöhung der CO2-Abscheidung um weitere 300 Tonnen pro Tag, die Rüdersdorf locker liefern kann.
Wasserstoff aus Gras – ganz neuer Weg in der Forschung
Wenn statt des Klimagases aus der Zementherstellung CO2 aus der Luft eingesetzt würde, wäre das daraus und aus grünem Wasserstoff hergestellte Kerosin lupenrein grün.
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