Gut und Böse in der Energietechnik
Die Welt wird eines Tages komplett von erneuerbaren Energien versorgt werden. Kohle und Atomkraft sollen zeitnah ausgedient haben. Dieter Franke, Professor für Nachhaltige Ingenieurwissenschaften an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, ist vor allem die Verantwortung, die Ingenieurinnen und Ingenieure dabei tragen, wichtig.
Sonnen-, Wind- und Wasserenergie sind nicht immer gut, Kohle- und Atomstrom hingegen auch nicht immer böse – mit diesem kurzen Plädoyer erklärt Dieter Franke seine Grundeinstellung als Forscher in den Bereichen regenerative Energien, Photovoltaik und Windkraft. Ihn stört am aktuellen Diskurs der Gesellschaft, dass Entscheidungen häufig auf Basis von Werturteilen gefällt werden. Stattdessen wünscht sich der Studiengangsleiter für Nachhaltige Ingenieurwissenschaften der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg eine objektive Tatsachenbetrachtung anhand verschiedenster Kriterien.
Auch erneuerbare Energiequellen haben Umweltauswirkungen
Um die Wichtigkeit dieser Abwägung aufzuzeigen, präsentiert er Dilemmata der erneuerbaren Energien, für die zumindest ansatzweise ein Ausweg durch den gezielten Einsatz von Technik erreicht werden könnte. So ließen sich Windkraftanlagen mithilfe von Ultraschallmikrofonen automatisch ausschalten, sobald sich ein Fledermausschwarm nähere. Wichtig vor allem für Windparks in Waldgebieten.
Ein weiteres Problem ist die Lautstärke von Offshore-Windparks: Die Vibrationen der Anlagen übertragen sich in das Wasser, sodass Wale sich nicht mehr orientieren können. Die Lösung wäre hier ein Vorhang aus aufsteigenden Luftblasen – eine sogenannter Blasenschleier –, die die Lautstärke im Wasser deutlich reduzieren.
Aber auch eine Banalität wie der Blendfaktor von Solarpanels muss bei der Produktentwicklung bedacht werden: Eine matte Oberfläche könnte zwar die Spiegelung eindämmen, dafür würde allerdings der Wirkungsgrad sinken. Stattdessen könne der Montagewinkel um wenige Grad angepasst werden. Die gewonnene Energie bleibt gleich, dafür freut sich der Nachbar.
Die oben genannten Zwickmühlen für Ingenieure haben teils großen Einfluss auf die Umwelt. Der Mensch habe nur die Möglichkeit, sich für mehr oder weniger Veränderung an der Natur zu entscheiden. Und während kohlefördernde Tagebauten und Ölplattformen die Umwelt viel beeinflussen, ließen sich erneuerbare Energien mit einem kleineren ökologischen Fußabdruck produzieren und betreiben. Neuartige Energietechnik spielt also eine große Rolle für die Symbiose zwischen Mensch und Tier.
Erneuerbare Energien rechnen sich energetisch nach wenigen Jahren
Franke ist sich bewusst, dass bei der regenerativen genauso wie bei der fossilen Energiegewinnung Kosten in puncto Transport, Montage, Abbau und Recycling anfallen. Allerdings benötigen regenerative Technologien keine weiteren Rohstoffe. Photovoltaikanlagen amortisieren sich energetisch nach drei bis fünf Jahren. Windkraftwerke sind in der Bilanz bereits nach einem Jahr positiv.
Für die Zukunft wünscht sich der Ingenieur eine dezentrale Energieerzeugung auf Basis erneuerbarer Energiequellen. Pumpspeicherkraftwerke, Batteriespeicher und Hubkraftwerke sollen den elektrischen Strom für Flauten speichern. Gleichzeitig seien höhere Wirkungsgrade vonnöten. Durch neuartige Elektrogeneratoren lassen sich Windräder weiter optimieren, auch Solarpanels erleben bereits einen Effizienzschub: „Wir hatten vor einigen Jahren einen experimentellen Wirkungsgrad von maximal 14 %, inzwischen sind es häufig 20 %“, erklärt der Forscher.
Energietechnik: Auch CO2-Speicher vonnöten
Auf der anderen Seite wurmt ihn der nur langsame Fortschritt des Rückbaus fossiler Energiequellen: „Noch unterstützen der gesellschaftliche Konsens und die politische Ebene Kohle. Wir müssen sehen, dass es hier vorangeht!“ Immerhin bleibt die Hoffnung: Schon im Januar 2018 war Deutschland zumindest für einen kurzen Zeitraum komplett durch erneuerbare Energiequellen versorgt. Ihn ärgert, dass Kraftwerke gutes Geld verdienen – die Investition ist lange her und die Betreiber freuen sich über gute Rendite. Für ihn stellt sich die Frage, inwieweit das in der Zukunft weiterhin normal sein werde.
Neben der Erzeugung regenerativer Energien benötigt die Menschheit aber auch Technologien, die bereits freigesetztes CO2 wieder einfangen, erläutert Franke. Hier zu nennen ist Carbon Capture & Storage (CCS): In unterirdischen Lagern soll aus der Atmosphäre entferntes Kohlenstoffdioxid dauerhaft gelagert werden. Zusätzlich seien auch Maßnahmen in Richtung Climate Engineering nötig.
Ihm ist es wichtig, dass sich Ingenieure der eigenen Verantwortung bewusst sind: Probleme wie die bei den geschilderten Windkraftanlagen müssten mit Fachwissen bewertet und anschließend umfangreich technisch gelöst werden. „Solche Entscheidungen richtig zu treffen, ist unabdingbar.“
Dieser Beitrag erscheint im Rahmen einer Kooperation zwischen den VDI nachrichten und der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, die sich in einer Ringvorlesung dem Thema „Technik und Umweltethik“ widmet. Schwerpunkt ist das Spannungsfeld von CO2-Entzug, Climate Engineering und Negativemissionen. Darin erschienen folgende Beiträge:
Technik kann Klimawandel nicht stoppen
Agroforsten und Humusaufbau für Klimaschutz langfristig unverzichtbar
Industrie. Mit mehr Effizienz zu mehr Klimaschutz
Reboundeffekt stoppt geringere Emissionen von Treibhausgasen
„Die Zukunft wird überraschend anders sein“
Power to Gas – Schlüsseltechnologie für die Energiewende
Ingenieure müssen mit sozialer Verantwortung globale Herausforderungen angehen
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