Heizen wir künftig mit Wärme aus Abwasser?
Ein Forscherteam der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) entwickelt aktuell die konventionelle Nutzung der Wärme aus Abwasser weiter. Verteilt werden soll die Wärme über die Kanalisation. Erste Ergebnisse zeigen, dass es sogar auf zwei unterschiedliche Arten möglich ist, sie effizient zu nutzen.
Abwärme fällt bei zahlreichen Fertigungsprozessen an: unter anderem bei der Verarbeitung von Glas, Aluminium und Stahl. Sie wird derzeit selten genutzt, und in den meisten Fällen zahlen Unternehmen sogar viel Geld, um sie zu vernichten. Die wertvolle Energie geht dabei einfach verloren. „Es wäre daher sinnvoll, wenn wir die überschüssige und bislang ungenutzte Wärme, die ohnehin schon bezahlt und produziert wurde, noch in einer weiteren Art und Weise nutzen könnten“, sagt Karsten Körkemeyer, Leiter des Fachgebietes Baubetrieb und Bauwirtschaft der TUK.
Kanalisation als Transportweg für Wärme nutzen
Das Forschungsteam um Karsten Körkemeyer besteht aus seinen beiden Doktoranden Philipp Müller und Andreas Glöckner sowie dem Projektpartner Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe und dem Stadtbetrieb Abwasserbeseitigung Lünen AöR. Gemeinsam erforschen sie die Möglichkeit, die ungenutzte Abwärme aus Industrie und Gewerbe gezielt auf das Abwasser zu übertragen, damit man die bestehende Kanalisation als Transportweg für die Wärme nutzen kann. Nach Angaben der Forscher hat die Abwärmenutzung Potenzial: „Es gibt Studien, die davon ausgehen, dass in Deutschland mithilfe der bisher praktizierten Abwasserwärmenutzung rund 10% des gesamten Gebäudewärmebedarfs gedeckt werden könnte. Berücksichtige man zudem die industrielle Abwärme, ließe sich dieses Potenzial nochmal deutlich steigern und sich auf circa 27% des gesamten Wärmebedarfs in Deutschland ausweiten“, erklärt Körkemeyer.
Die Forscher präsentierten aktuell ihre ersten Ergebnisse. Sie zeigen, dass es grundsätzlich zwei Möglichkeiten für die Wärmeübertragung gibt. Variante eins ist mit geringen Kosten verbunden, weil die Wärme aus dem Abwasser der Industrie direkt genutzt wird. Bei Variante zwei setzen die Forscher auf einen Wärmekreislauf, der sie vom Ort der Entstehung zum Abwasserkanal transportiert und dort auf das Abwasser überträgt. Die von den Forschern verwendete Technik gibt es bereits seit Jahren. Man müsse lediglich die Komponenten neu zusammensetzen.
Forscher nutzen das Prinzip des Wärmetauschers
Damit die Wärme anschließend dem Abwasserkanal wieder entnommen werden kann, nutzen die Forscher Wärmetauscher-Systeme. Einfach gesagt: Man überträgt Wärme von einem Medium auf ein anderes, wobei sie immer vom wärmeren auf das kältere übertragen wird. Wichtig bei Wärmetauschern ist allerdings die Trennung des Wassers vom Medium des Wärmetauschers, das hat hygienische und betriebstechnische Hintergründe. Die Forscher nutzen das unterschiedliche Temperaturniveau zwischen Abwasser und Überträgermedium. In der Regel ist Abwasser wärmer und überträgt die Temperatur auf das Medium. Das besteht meistens aus Wasser oder einem Gemisch aus Wasser und Glykol. Über Leitungen gelangt es zur eigentlichen Heizung, der Wärmepumpe. Sie bilde nach Meinung der Forscher das „Herzstück einer modernen Heizungsanlage. Anschließend fließt das abgekühlte Wasser über Leitungen zurück zum Wärmetauscher. Hier schließt sich der Kreislauf.
Die Forscher sehen in dem Verfahren großes Potenzial für Städte und Kommunen, in denen es industrielle Produktionsstätten gibt, die Abwärme erzeugen. Sie ließe sich beispielsweise in die Planung von neuen Wohngebieten in die Wärmeversorgung mit einplanen. Die Forscher kooperieren deshalb mit Klärschlammentsorger Innovatherm GmbH, dem Trianel Kohlekraftwerk Lünen und dem Kupferproduzenten und -wiederverwerter Aurubis AG. Die von den Unternehmen erzeugte Abwärme wird von einer Behindertenwerkstatt der Caritas Lünen und einer Liegenschaft des örtlichen Bauvereins genutzt.
Berechnungssoftware zeigt, ob eine Gemeinde sich eignet
Das Team der Technischen Universität Kaiserslautern erhielt für ihr Projekt „InnoA2 – Innovative Abwasserwärmenutzung durch Wärmeverteilung über die Kanalisation“ eine Förderung vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. In der zweiten Phase bereitet das Team nun zusammen mit einem Ingenieurbüro die Umsetzung in einem Pilotprojekt in Lünen vor. Da die Forscher für ihr neuartiges Heizkonzept eine bereits bestehende Infrastruktur – die Abwasserkanäle – einsetzen, lässt es sich nahezu unbegrenzt übertragen. Das Abwasser biete ein sehr hohes und kontinuierliches Temperaturniveau mit etwa 15 Grad Celsius im Jahresdurchschnitt. „Wird sie gezielt erhöht, spiegelt sich das direkt in der Effizienz und somit auch im Preis für den Nutzer wider“, sagt Glöckner. Damit ihre Technik wirkungsvoll funktioniere, sei neben der Temperatur auch eine ausreichende Abwassermenge notwendig. Darüber hinaus sollte sich der Erzeuger in der Nähe der Nutzer befinden.
Damit Städte, Kommunen oder Gemeinden schnell erkennen, ob das Modell für sie interessant ist, stellen die Forscher eine Berechnungssoftware im Netz zur Verfügung. „Für eine erste Abschätzung reichen wenige Minuten und auch nur ein paar Daten“, so Philipp Müller. Bei einem positiven Ergebnis könne eine Machbarkeitsstudie folgen, ohne dass man das komplette Gebiet untersuchen müsse. Die Idee dahinter ist auch, die Kosten für Städte und Gemeinden überschaubar zu halten. Denn die Anfangskosten könnten nach Einschätzung der Forscher etwas höher sein als bei herkömmlichen Heiztechniken. Das lohne sich aber. Denn die Verbraucher würden unabhängiger von fossilen Brennstoffen und deren Preisentwicklung, die Betriebskosten seien geringer als bei vergleichbaren Heizungsanlagen und man investiere in ein sehr umweltfreundliches und CO2-armes Heizsystem, dessen Lebensdauer durchaus 40 Jahre betragen kann.
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