HGÜ: Im Gleichstrom um die Welt
Das Thema der Energieübertragung über große Entfernungen ist so aktuell wie Mitte der 30er-Jahre des vorigen Jahrhunderts, als erörtert wurde, Elektrizität aus Norwegens Wasserkraft über Kopenhagen nach Hamburg zu leiten. Jetzt erhält das Thema durch den weiteren geplanten Netzausbau besondere Bedeutung.
Vor 75 Jahren wurde die Entwicklung der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) mit Quecksilberdampfventil-Stromrichtern aufgenommen, die in der Folge zur Errichtung der ersten Versuchsanlagen und der Elbe-Berlin-Übertragung führten. Aus diesem Anlass veranstalteten der VDE-Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik, die Energetische Gesellschaft im VDE und die Physikalisch-Technische Bundesanstalt PTB Anfang der Woche in Berlin eine Tagung.
Wissenschaftliche Tagung beleuchtet Vergangenheit und Zukunft der HGÜ
Das wissenschaftliche Tagungsprogramm hatte Johannes Nestler, emeritierter Professor für Leistungselektronik und Antriebsregelung der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, erarbeitet. Behandelt wurden drei Themenbereiche mit Beiträgen zu der historischen Entwicklung der HGÜ, den Fortschritten in der Technologie der Leistungselektronik und der Gleichstromkabel sowie der Anwendung anhand beispielhafter Projekte sowohl der Fern- als auch der Kabelübertragung und der HGÜ in Verbundnetzen, unter anderem bei Netzkupplungen.
Die Übertragung großer Leistung, ab etwa 1000 MW aufwärts, über Entfernungen von einigen 100 km über finanzierbare und technisch handhabbare Leitungsdurchmesser erzwingt sehr hohe elektrische Spannungen von über 400 kV, damit die Stromstärke unter rund 2,5 kA bleiben kann.
Bei der Wechselstromübertragung ist eine der Grundvoraussetzungen, dass die Kapazität zwischen den Leitungen und Erdpotenzial klein bleibt, was mithilfe eines gewissen Abstands wie bei Freileitungen erreicht werden kann, um die Blindleistung gering zu halten.
Bei sehr langen Freileitungen und bei Seekabeln mit nur einigen 10 km Länge ist diese Bedingung technisch nicht erfüllbar. In diesem Fall bringt die Übertragung mit Gleichstrom Vorteile, sodass der damit verbundene hohe technische Aufwand für hochspannungstaugliche, aufwendige Stromrichter gerechtfertigt ist.
Das Lyon-Moûtiers-System war die erste HGÜ-Anlage
Der erste Versuch einer Fernübertragung mit Gleichstrom fand bereits im Jahr 1882 von Miesbach nach München statt. Kleinere und eher der Mittelspannung zuzurechnende GÜ-Anlagen entstanden ab den 1890er-Jahren besonders in Italien und der Schweiz, beispielsweise 1897 von St.-Maurice nach Lausanne (22 kV, 3,7 MW, 60 km).
Die erste HGÜ-Anlage war das Lyon-Moûtiers-System mit 150 kV bipolarer Spannung, 14,7 MW Übertragungsleistung und 200 km Länge. Diese Anlage war in den Jahren 1906 bis 1936 in Betrieb und funktionierte ohne Umrichtwerke. Die elektrische Energie wurde mithilfe von in Reihe geschalteten Gleichstromgeneratoren direkt in einem Wasserkraftwerk bei Moutier erzeugt und von Gleichstrommaschinen in Lyon umgesetzt.
Heute gehören energieeffiziente HGÜ-Systeme für eine verlässliche und verlustarme Übertragung von großen Stromengen über lange Entfernungen hinweg zum Umweltportfolio von Unternehmen wie Siemens, Areva und ABB. So haben Mitte des Jahres 2010 Siemens Energy und der Energieversorger China Southern Power Grid den zweiten Pol des HGÜ-Systems in Betrieb genommen, das große Mengen sauberer Wasserenergie in die Provinz Guangdong transportiert. Dieses HGÜ-System zwischen Yunnan und Guangdong überbrückt eine Distanz von fast 1500 km.
Die neue, ultrahohe Spannungsebene von 800 kV ermöglicht Übertragungsnetzbetreibern weltweit den kostengünstigen und verlustarmen Transport großer Mengen elektrischer Energie sogar über noch größere Distanzen.
Die HGÜ-Technik überträgt Strom über eine Entfernung von mehr als 3000 km
Die HGÜ-Technik mit ultrahohen Spannungen erlaubt eine Stromübertragung über Entfernungen von 3000 km und mehr. Bei 5000 MW betragen die Transportverluste nur 2 % je 1000 km zuzüglich weniger als 1,5 % Verlust für die Konverter-Stationen auf der Sender- und der Empfängerseite der Übertragungsleitung.
Auch in Europa entstehen neue Leitungen. So soll bis Ende 2013 eine 65 km lange „Stromautobahn“ das französische Baixas mit dem spanischen Santa Llogala verbinden. In einem 8 km langen Tunnel unterquert die vom französisch-spanischen Netzbetreiber Inelfe in Auftrag gegebene Verbindung die Pyrenäen. Inelfe beabsichtigt, mit seinem Gemeinschaftsunternehmen „Transgreen“ ab dem Jahr 2020 Solarstrom aus Nordafrika nach Europa zu transportieren.
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