Windkraft: Höchster Windmessmast der Welt nimmt Betrieb auf
Die Zukunft der Windenergie könnte bald in die Höhe gehen: Ein einzigartiges Projekt hat den höchsten Windmessmast der Welt hervorgebracht, ausgestattet mit modernster Technologie, um Höhenwindmessungen einfacher und effizienter durchzuführen.
In den letzten Jahren hat die Nutzung von erneuerbaren Energien weltweit stark zugenommen, um den steigenden Energiebedarf zu decken und den Klimawandel zu bekämpfen.
Windenergie ist eine der am schnellsten wachsenden erneuerbaren Energiequellen und wird immer beliebter. Doch was wäre es, ein Windrad einfach viel höher zu bauen, um so größere und zuverlässigere Windmengen zu ernten? Schließlich sind Windkraftanlagen stark vom Wind abhängig, der in Bodennähe starken Schwankungen unterworfen ist. Im Gegensatz dazu sind Höhenwinde deutlich stärker und gleichmäßiger, was zu einer erheblich höheren und zuverlässigeren Windenergieausbeute führt.
In Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie in anderen Teilen Deutschlands laufen derzeit zahlreiche Forschungsprojekte, um die Energieerzeugung durch Windkraft weiter zu verbessern. Eine dieser Initiativen hat nun in Schipkau in Brandenburg Früchte getragen: Ein neuer Windmessmast mit einer Höhe von 300 Metern wurde Anfang Mai in Betrieb genommen.
Am Anfang war es eine Idee
Die beventum GmbH hat mehrere Konzepte für Turmkonstruktionen entwickelt, mit denen Nabenhöhen von bis zu 300 Metern erreicht werden können. Vor allem die Forschungspläne des Leipziger Ingenieurs Horst Bendix haben die Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIND dazu inspiriert, sich der Erforschung von Höhenwind als Energiequelle zu widmen. Bendix ist ein passionierter Maschinenbauer und Erfinder mit einem breiten Hintergrund in Technik und Forschung, er war viele Jahre lang als Technik- und Forschungschef beim Leipziger Schwermaschinenbauer Kirow tätig und hatte auch eine Professur an einer Hochschule inne. Insgesamt hat er 60 Neu- und Weiterentwicklungen im Bereich Fördertechnik und Schwermaschinenbau erfolgreich in internationalen Wettbewerben vorgestellt. Sein Herzensprojekt hat er bei der SPRIND eingereicht und inspirierte damit die Gründung der beventum GmbH. Die beventum GmbH ist eine Tochtergesellschaft der SPRIND, deren primäres Ziel die Erforschung innovativer Windenergieanlagen ist. Die Forschung soll dazu beitragen, die Effizienz von Windkraftanlagen zu steigern und damit die tatsächlichen Stromgestehungskosten von erneuerbaren Energien spürbar zu senken. Jetzt kann diese Idee verwirklicht werden.
Windmessmast mit einer Höhe von 300 Metern geht in Betrieb
Der höchste Windmessmast der Welt wurde in den letzten vier Monaten auf der Hochkippe Klettwitz errichtet und ist 300 Meter hoch, wiegt knapp 70 Tonnen und besteht aus 99 verbauten Mastelementen. Darüber hinaus ist er mit 46 Messeinrichtungen ausgestattet. Am 4. Mai 2023 wurde das einzigartige Projekt offiziell in Betrieb genommen, als Teil einer feierlichen Einweihung zur Eröffnung des Forschungsbetriebs. Mit der Inbetriebnahme des Forschungssystems wird der erste Schritt zur Umsetzung dieser Konzepte getan. Das Ziel ist es, neue Standorte für Windkraftanlagen in Deutschland zu ermöglichen und bestehende Standorte effektiver zu nutzen.
„Das ist genau das, was wir auf schnelle Sicht wollen und unbedingt brauchen“, erklärte Martin Chaumet von der Bundesagentur für Sprunginnovationen gegenüber der dpa. Der Messmast sei Chaumet zufolge der erste seiner Art. „Den brauchen wir ganz wesentlich, um die Geräte zu eichen, die den Wind messen sollen.“ Es sind weitere Masten geplant, die in Deutschland aufgestellt werden sollen. Sobald dies geschehen ist, soll die Errichtung der ersten Windkraftanlagen mit einer Höhe von über 300 Metern beginnen.
Der Windmessmast in Schipkau wurde von der SPRIND-Tochter beventum bei der Firma GICON in Auftrag gegeben. „Ich bin sehr stolz auf diesen Meilenstein, den wir zusammen mit unseren Ingenieuren, der Gemeinde Schipkau, der beventum GmbH sowie der bauausführenden Firma, Ge:Net, realisiert haben“, so Prof. Jochen Großmann, Gründer der GICON®-Gruppe, am Rande der Baustelle auf der Hochkippe Klettwitz.
„Die Lausitz ist eine Energieregion und steht am Umbruch ins Zeitalter der Erneuerbaren. Mit der Forschung zu Höhenwindanlagen können wir zukünftig Windparks effizienter, mit höherer Auslastung bei gleichzeitiger geringerer Flächennutzung realisieren. Das hilft beim Ziel von 80 Prozent Erneuerbaren bis 2030 und bei der Frage der Energieunabhängigkeit. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft sichert hochqualifizierte Jobs in der Energiebranche der Region“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Michael Kellner bei der feierlichen Inbetriebnahme.
Windgeschwindigkeiten vergleichbar mit Offshore
Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass in doppelter Höhe des Bodens der Wind mit einer Geschwindigkeit von mehr als acht Metern pro Sekunde weht, im Vergleich zu den üblichen fünf oder sechs Metern. Diese Windgeschwindigkeit ist vergleichbar mit Offshore-Plattformen oder einer günstigen Lage an der dänischen Küste, wie Chaumet erläuterte. Es soll auch nachgewiesen werden, dass ausreichend nutzbare Windmengen ab 300 Metern Höhe im gesamten Bundesgebiet vorhanden sind. Daher könnten in Zukunft auch Hochwindkraftanlagen auf großen Industriestandorten wie Ludwigshafen oder Leuna installiert werden, um die Eigenversorgung zu unterstützen.
Auch Gebiete in Bayern und Baden-Württemberg, wo auf 150 Metern Höhe oft nur wenig nutzbarer Wind weht, sowie ehemalige Braunkohlegebiete kommen für den Einsatz von Hochwindrädern infrage. Obwohl die Genehmigungen noch nicht zu 100 Prozent gesichert sind, ist Chaumet zuversichtlich und hofft, dass in diesem Jahr noch ein oder zwei Prototypen von Hochwindrädern aufgebaut werden können. Im kommenden Jahr sollen diese dann idealerweise in Betrieb genommen werden.
Wie geht es nun weiter?
In den kommenden Wochen werden die Messinstrumente sowie eine Kamera am Mast montiert. Wenn der Forschungsturm am 04.05. offiziell den Betrieb aufnimmt, wird er dann für ein Jahr lang Daten über Windgeschwindigkeit, Luftdruck, Luftfeuchte, Niederschlagsmengen erfassen, sowie mit Fledermausmikrofonen die Aktivitäten dieser Säugetiere dokumentieren. Eine Kamera wird täglich und rund um die Uhr Eindrücke vom Weltrekordmast global versenden. Bei der Auswertung der Daten wird das Projekt durch die Meteologix AG unterstützt.
Neben den Windmessungen bis zu einer Höhe von 300 Metern wird im Rahmen des GICON®-Auftrags auch besonderes Augenmerk auf zwei LiDAR-Systeme gelegt. Diese werden verwendet, um die Messungen vom Boden aus durchzuführen und mit dem Messmast zu kalibrieren. Das LiDAR-System nutzt Radarwellen, um optische Abstands- und Geschwindigkeitsmessungen durchzuführen. Durch den Einsatz des kalibrierten LiDAR-Systems können zukünftig Höhenwindmessungen deutlich einfacher durchgeführt werden. Dies reduziert Messzeiten mit Windmessmasten erheblich oder macht sie möglicherweise sogar überflüssig. Das gesamte Projekt, bestehend aus Windmessmast und Messkampagne, hat einen Gesamtwert von ca. 2,8 Mio. Euro und wurde von der beventum GmbH in Auftrag gegeben.
Ingenieure leisten Beitrag zum Klimaschutz
„Das Projekt zeigt, wie groß die Potenziale zur Ertragssteigerung bei der Windenergie noch sind. Dass Unternehmen aus Sachsen zur Erschließung dieser Potenziale mit ihrer Ingenieurleistung einen Beitrag zum Klimaschutz leisten können, freut mich ganz besonders. Es ist auch ein Symbol für die gelingende Transformation der Region, wenn nach der größten Abraumförderbrücke jetzt der höchste Windmessmast der Welt in Betrieb geht“, resümierte der Staatssekretär für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft des Freistaates Sachsen, Dr. Gerd Lippold
Die Errichtung des 300 Meter hohen Windmessmastes und die Forschungsarbeiten zeigen, dass Deutschland weiterhin an der Spitze der Innovationen im Bereich der erneuerbaren Energien steht. Schließlich sind die Entwicklung von Höhenwindanlagen und die Steigerung der Effizienz von Windenergieanlagen entscheidende Faktoren, um die Energiewende erfolgreich voranzutreiben und die Klimaziele zu erreichen. Könnte dann dem fast olympischen Motto „Höher, schneller, effizienter“ noch etwas im Wege stehen?
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