Hydrogenious und LOHC verpassen knapp Deutschen Zukunftspreis
Es hat nicht ganz gereicht zum Deutschen Zukunftspreis für die Wasserstoff-Speichertechnik Liquid Organic Hydrogen Carrier, kurz LOHC. Für das Erlanger Team um die Professoren Peter Wasserscheid, Wolfgang Arlt und Eberhard Schlücker sowie Hydrogenious-Geschäftsführer Daniel Teichmann war aber „allein schon die Nominierung die Auszeichnung“, so sagte es Arlt unserer Redaktion.
Der Deutsche Zukunftspreis 2018 geht an Helga Rübsamen-Schaeff und Holger Zimmermann von der AiCuris Anti-infective Cures GmbH aus Wuppertal. Die beiden haben ein Medikament entwickelt, das als einziges Präparat weltweit gegen den Humanen Cytomegalie-Virus ankämpfen kann. Der Virus aus der Familie der Herpesviren ist weit verbreitet, tritt jedoch häufig erst bei Knochenmarktransplantationen negativ in Erscheinung. Denn vor der Transplantation der neuen Zellen oder des fremden Knochenmarks wird das belastete Knochenmark des Empfängers zerstört. Patienten die den CMV-Virus in sich tragen, laufen Gefahr, dass ihr Körper das neue Material abstößt oder ihre Organe versagen. Das neue Medikament von Rübsamen-Schaeff und Zimmermann wird präventiv eingesetzt und ist mittlerweile in vielen Ländern zugelassen.
Außerdem waren neben dem LOHC-Projekt aus Erlangen noch Thomas Bayer und Manfred Wittenstein von der Wittenstein SE nominiert, die eine neue Getriebegattung entwickelt haben. Damit haben sie bisherigen Limitationen bei „der Kraftübertragung in Zahnradgetrieben beseitigt“, so die Jury des Deutschen Zukunftspreises. Das von den beiden Ingenieuren entwickelte Zahngetriebe weist Leistungsmerkmale auf, die allesamt besser sind als bei herkömmlichen Getrieben und dabei weniger Energie und Material benötigen. Dafür haben Bayer und Wittenstein die Ära der starren Zahnräder hinter sich gelassen und ein Getriebe konzipiert, das Kraft und Drehmoment mittels einzelner Zähne überträgt. Wer weiß, wo Getriebe überall drinstecken, kann erahnen, welche Bedeutung die Entwicklung des Galaxie-Antriebssystems für das baden-württembergische Unternehmen und die ganze Maschinenbaubranche hat.
Das LOHC-Projekt aus Erlangen
Nominiert, aber schlussendlich unterlegen war auch das Team um die Speichertechnik Liquid Organic Hydrogen Carrier. Rund um LOHC und die Wasserstoffbeladung und -entladung wird an der Uni Erlangen und am dortigen Helmholtz-Institut für Erneuerbare Energie HI-ERN seit vielen Jahren geforscht. LOHC gelten vielen als die besten Transport- und Lagemedien für reinen Wasserstoff, kurz H2. Denn ob unter Druck oder in natürlicher Konzentration, H2 ist hoch explosiv und damit gefährlich. In LOHC chemisch eingelagert, ist Wasserstoff dagegen noch nicht einmal brennbar.
Die drei Professoren stehen als Gesellschafter hinter der in Erlangen ansässigen Technologiefirma Hydrogenious Technologies GmbH, Teichmann ist deren Geschäftsführer. Die Firma nutzt vor allem bestimmte Ölderivate als LOHC. Die Systeme des Unternehmens zur Beladung und Entladung der LOHC mit Wasserstoff sind inzwischen weltweit im Einsatz. Wir haben mit zwei der vier Preisträger, Wolfgang Arlt und Daniel Teichmann, gesprochen.
ingenieur.de: Liquid Organic Hydrogen Carrier, kurz LOHC hat bestimmt viele Väter und Mütter. Doch Erlangen ist so etwas wie der Versammlungsraum dieser Eltern, sehe ich das richtig?
Wolfgang Arlt: Irgendwie stimmt das schon. An der Universität Erlangen und hier bei Hydrogenious sind recht viele davon versammelt. Nehmen Sie nur mal Professor Peter Wasserscheid, den Direktor des Helmholtz-Instituts Erlangen-Nürnberg, kurz HI-ERN, der gleichzeitig an der Uni Erlangen den Lehrstuhl für Chemische Reaktionstechnik leitet. Er ist sicherlich einer der Ur-Väter von LOHC. Die aktuellen Aktivitäten mit dem Speichern von Wasserstoff in Wärmeträgeröl, das mit erneuerbarem Strom produziert wird, sind hier entstanden. Aber in der Wissenschaft sind noch andere Systeme beschrieben worden, an der Uni Rostock oder der TU Freiberg beispielsweise. LOHC hat sich inzwischen verbreitet, und das ist gut so.
Die Forschung ist das eine, die Produktion, das Voranbringen der Speichertechnik zur Serienreife ist das andere. Dafür ist doch Hydrogenious gegründet worden, oder?
Daniel Teichmann: Stimmt, wir haben seit fünf Jahren die Aufgabe, aus der Forschung heraus ein kommerzielles Geschäft zu entwickeln. Den Innovationspreis der Deutschen Wirtschaft 2016 bekamen wir genau für diese Entwicklung Richtung Markt.
Und heute sind Sie in der Serienfertigung?
Nein. Wir haben zwar eine nennenswerte Zahl von LOHC-Systemen ausgeliefert, davon zwei in die USA. Aber im Grunde ist die Serienfertigung noch nicht die vordringlichste Aufgabe. Wir machen derzeit Produkt- und Technologieentwicklung, bauen serienreife Prototypen und arbeiten dabei mit Partnern aus der Industrie wie Clariant, MAN und Anglo zusammen.
Arlt: Es ist ein richtig fetter Schritt, um von vier auf 400 Anlagen zu kommen. Massenfertigung können wir hier in Erlangen nicht erreichen. Dazu vergeben wir die Lizenzen. Das ist auch in anderen Bereichen üblich, selbst bei Autos.
In LOHC kann Wasserstoff sicher gelagert und transportiert werden. Doch in der Öffentlichkeit ist der Begriff, das Kürzel kaum bekannt. Warum?
Weil das Wort zu schwierig ist, sich nicht alleine erklärt. Die Bild-Zeitung hat es als „elektrisches Benzin“ beschrieben. Aber das ist ja auch bei Wasserstoff selbst so: Wer denkt dabei denn schon an Fahrzeuge oder Brennstoffzellen? Ich denke, da müsste ein Marketingmensch ran.
Teichmann: Nehmen Sie zum Beispiel Tesla: die haben das Batterieauto durch gezieltes Marketing ganz toll platziert. Bei LOHC haben wir da noch Arbeit vor uns. Außerdem ist auch das Thema Wasserstoff generell erklärungsbedürftig.
Erklärungsbedürftig scheint einigen auch, weshalb Sie nicht Strom aus Offshore-Windprojekten nutzen. Power to Gas oder P2G ist ja wohl eine wichtige Voraussetzung für Ihre Geschäftsmodell.
Grundsätzlich ja. In einem Schritt wird H2 erzeugt und dann sofort in LOHC eingespeichert. Die Einbindung von Offshore-Anlagen haben wir deshalb schon öfters diskutiert. H2 auf den Plattformen produzieren, LOHC per Schiff abholen. Doch heutzutage ist die regenerative Erzeugung von Wasserstoff immer noch wesentlich teurer, als fossil H2 zu gewinnen. Das wird auch durch die Anreize des EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz, Anm. d. Red.) behindert. Aber generell macht es Sinn, einen Teil des Windstroms in H2 umzuwandeln.
Arlt: Unter den jetzigen Rahmenbedingungen wird es nur Demoanlagen geben. Und für die nähere Zukunft verhindert das neue EEG den Ausbau von Windstrom.
Das heißt was?
Den Verantwortlichen wurde bei dem Ausbautempo klar, wir brauchen für 40% bis 60% des regenerativen Stroms im Netz Speicher. Und dann haben sie wohl Angst vor ihrer eigenen Courage bekommen. Dabei stellt sich mit LOHC als Speicher eigentlich nur die Frage: Speichern wir zentral in riesigen Einzelspeichern oder am Ort des Geschehens, am Erzeuger? Ich hätte kein Problem, mir vorzustellen, dass an jeder 4-MW-Windkraftanlage ein LOHC-System steht.
Teichmann: Inzwischen scheint bei der Politik aber angekommen: Es geht bei der Energiewende um mehr als Strom. Es darf nicht alles ins Netz eingespeist werden. Wir müssen die Energie verstetigen durch Sektorenkopplung, zum Beispiel indem wir vor Ort Kraftstoff erzeugen. Oder in zentralen Anlagen, von wo aus H2 in Form von LOHC zu den Tankstellen transportiert wird.
Wo sind Ihre Ideen eigentlich mehr bekannt: in Deutschland oder anderswo?
Wegen der in Asien und gerade in China sehr weit verbreiteten Elektromobilität eher dort oder in den USA. Aber hoffentlich auch bald mehr bei uns. Wir hoffen, dass die westliche Autoindustrie bald deutlich proaktiver mit Wasserstoff umgeht – so wie die Kollegen aus Asien. Ich nehme mal nur die Busse.
Ihre Hoffnung in allen Ehren. Aber was meinen Sie: Wann wird in Deutschland der erste LOHC-Großtransport losgeschickt?
Wir beliefern in Erlangen bald eine Wasserstofftankstelle. Da fließt der Solarstrom nicht mehr ins Netz, sondern erzeugt H2, der in LOHC gelagert wird. Daraus können Sie dann H2 tanken. Dagegen wird man Großanlagen zuerst in China sehen. Dort betreiben viele Firmen H2-Busflotten, die einmal am Tag tanken müssen.
Arlt: Jetzt ist die Politik gefragt. Die H2-Infrastruktur wird in einem Jahr mit etwa 80 Tankstellen so weit sein. Aber es muss auch die Autos dafür geben. Es bräuchte Förderung und Werbung. Man muss es nur noch tun wollen.
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