Im Ring von Greifswald loderte das Feuer der Sonne
Im Fusionsreaktor Wendelstein 7-X hat gestern eine Viertelsekunde lang das Feuer der Sonne geflackert: Erstmals ist es den Wissenschaftlern in Greifswald gelungen, ein Plasma aus Wasserstoffgas zu erzeugen. Gestartet hat den historischen Prozess die oberste Physikerin der Bundesrepublik: Bundeskanzlerin Angela Merkel drückte den Knopf, der das Plamsa auslöste.
Es dauerte nur eine Viertelsekunde und ist doch ein Meilenstein: Erstmals ist gestern im Kernfusionsreaktor Wendelstein 7-X ein Sonnenfeuer erzeugt worden. In Greifswald geschah das auf Knopfdruck von ganz Oben. In der Sonne hingegen verschmilzt ständig ein Plasma aus Wasserstoffatomen zu Helium. Aber auch auf der Erde soll es nicht bei diesem einmaligen Ereignis bleiben: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte nach dem historischem Moment an, Projekte zur Kernfusion weiter zu unterstützen. „Wir glauben, dass dieses Geld gut angelegt ist.“ Denn Wasserstoff sei fast unbegrenzt verfügbar und eine saubere Energiequelle.
Ein Gramm Wasserstoff ersetzt zehn Millionen Gramm Kohle
Theoretisch ist das richtig: Rein rechnerisch kann aus vier Eimern Wasser so viel Energie gewonnen werden wie aus 40 Tonnen Kohle. Diesen Vergleich zog die wissenschaftliche Direktorin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP), Sibylle Günter.
Anders ausgedrückt: Ein Gramm Wasserstoff kann in der Theorie dieselbe Energiemenge erzeugen wie zehn Millionen Gramm Kohle. Der Greifswalder Fusionsreaktor soll nun zeigen, ob sich dieser Traum der unerschöpflichen Energiequelle auch in der Praxis erfüllen kann.
70 Magnetspulen bändigen das wilde Plasmagas
Gestern war es erst einmal kaum ein Milligramm Wasserstoffgas, welches nach Merkels Knopfdruck unter Kontrolle der Wissenschaftler am IPP in den etwa 30 Kubikmeter fassenden Ring aus Edelstahl im Reaktor Wendelstein 7-X eingeleitet wurde.
Dieser Ring ist mit Spezialkeramik ausgekleidet, in seinem Inneren herrscht ein Vakuum. Um diesen Ring herum winden sich 70 monströse Magnetspulen, die das wilde Plasmagas im Inneren bändigen. Sie verhindern einen Kontakt des Gases mit den Gefäßwänden. Denn dann würde das Plasma unter die kritische Temperatur abkühlen und auf der Stelle kollabieren.
Von -270 °C auf 100 Millionen Grad Celsius
Es ist ein System der Extreme: Flüssiges Helium kühlt die 70 Magnetspulen auf – 270 °C ab. Denn erst bei dieser Affenkälte sind diese supraleitend und damit in der Lage, die notwendige Energie zu transportieren. Im Inneren des Stahlrings wabert das heiße Wasserstoffplasma bei rund 100 Millionen Grad Celsius umher und simuliert die Vorgänge auf und im Inneren der Sonne. Die Mikrowellen zerfetzen bei diesen Temperaturen den Wasserstoff. „Wir simulieren schon in weiten Teilen den Kraftwerksbetrieb“, sagte Institutsdirektor Robert Wolf.
Zehn Megawatt Energie nötig
Das ist natürlich derzeit noch ein wenig Zweckoptimismus. Denn die Anlage braucht bis zu zehn Megawatt für die Erzeugung des Wasserstoff-Plasmas. Das reicht aus, um eine Kleinstadt mit Strom zu versorgen. Die Energiebilanz von Wendelstein 7-X ist derzeit also noch negativ.
So ist der Weg das Ziel: Im Dezember 2015 gelang es den Wissenschaftlern zum Betriebsstart der Anlage, im Ring von Greifswald das erste Plasma aus Helium zu erzeugen. Dieses Gas geht wesentlich leichter in den Plasmazustand über, als das Wasserstoffgas.
Schrittweise auf 30 Minuten verlängern
Nun arbeiten die Forscher daran, das Plasma aus Wasserstoffgas bis zum Jahre 2020 schrittweise auf 30 Minuten zu verlängern. Und doch: Energie liefern wird Wendelstein 7-X wohl niemals. Dazu ist die rund eine Milliarde Euro teure Anlage mit ihrem Durchmesser von 16 m und ihrer Höhe von 5 m einfach zu klein.
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