„In einer halben Stunde schickt die Sonne mehr Energie zur Erde als Menschen im Jahr verbrauchen“
VDI nachrichten, Bad Kreuznach, 30. 5. 08, rus – Liegt im Jahr 2030 der weltweite Energieverbrauch um 60 % über dem heutigen? Selbst wer diese These von Steffen Kammler, Gründer der City Solar AG, Bad Kreuznach, anzweifelt, weiß, die Nachfrage wird steigen, die Zeiten des günstigen Öl-Einkaufs sind vorbei. Die Wende hin zu erneuerbaren Energien kommt. Sagt der Mann, der das weltgrößte Solarkraftwerk initiierte und baute.
Kammler: Im Energiemix der Zukunft spielen die Erneuerbaren eine zentrale Rolle. Alleine in den vergangenen drei Jahren hat sich die globale Kapazität zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auf 240 Gigawatt verdoppelt. Die Windenergie ist um 28 % gewachsen, die Photovoltaik-Kapazitäten wurden sogar um 52 % ausgebaut. Und damit stehen wir erst am Anfang.
VDI nachrichten: Welche regenerative Energiequelle halten Sie für die mit der größten Zukunft?
Kammler: Ganz klar die Nutzung von Sonnenenergie. Und zwar nicht nur zur Stromerzeugung, sondern auch zur Bereitstellung von Wärme. Sie bietet weltweit die größten Potenziale. In 30 Minuten schickt uns die Sonne mehr Energie auf die Erde, als alle Menschen zusammen in einem Jahr verbrauchen. Dieses Potenzial effizient und langfristig zu nutzen, bleibt die größte Herausforderung. Deshalb legen auch wir bei City Solar so großen Wert auf Forschung und Entwicklung neuer solarer Technologien.
VDI nachrichten: Wie schätzen Sie die zukünftige Bedeutung fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle, Gas ein?
Kammler: Bis ins Jahr 2030 wird der weltweite Energieverbrauch jedes Jahr um 2,4 % steigen – das heißt, er wird dann 60 % über dem heutigen liegen. Dabei wird der Anteil der Entwicklungsländer in diesem Zeitraum von 38 % auf 48 % steigen. Diesen gewaltigen Energiebedarf können die ohnehin schwindenden Reserven an fossilen Brennstoffen nicht decken.
Egal, ob der Peak-Oil bereits erreicht ist, die Zeiten des günstigen Öls sind endgültig vorbei. Die Preise werden steigen. Gleichzeitig nimmt die Gefahr politischer oder gar kriegerischer Konflikte um die Kontrolle der verbleibenden Rohstoffe und deren Verteilung zu. Das heißt, die Wende hin zu erneuerbaren Energien ist längst überfällig.
VDI nachrichten: Welche Änderungen müssen sich auf politischer, auch welt-politischer, auf gesellschaftlicher und ökologischer Ebene ergeben, damit man realistisch von einer Energiewende sprechen kann?
Kammler: Das geht nur über klare politische Bekenntnisse und entsprechende gesetzliche Regelungen. Für mich ist es beispielsweise ein Unding, dass beim Neubau eines Hauses nicht die Pflicht besteht, regenerative Energieformen mit einzubeziehen. Andere Länder wie Spanien sind da schon einen Schritt weiter.
VDI nachrichten: Welche Rolle spielt Ihr Unternehmen heute auf dem Energiemarkt?
Kammler: Wir haben uns in kürzester Zeit zu einem der führenden Hersteller von großen Solarstromkraftwerken entwickelt. Der endgültige Durchbruch war das weltgrößte Photovoltaik-Projekt im vergangenen Jahr im spanischen Beneixama in der Provinz Alicante. Parallel investieren wir aber auch viel Geld in die eigene Forschung. Hier geht es nicht nur darum, selbst auf Dauer unabhängig agieren zu können, sondern auch die gesamte Branche mit Innovationen voranzubringen.
VDI nachrichten: Welche Herausforderungen sehen Sie auf sich zukommen?
Kammler: Die größte Herausforderung unserer Branche ist, die vielen genialen Ansätze, die bereits im Labor erprobt sind und unsere Energieprobleme auf dieser Welt lösen können, in industrielle Maßstäbe zu verwandeln. Und das am besten vorgestern. Denn die Zeit läuft.
VDI nachrichten: Wie beeinflussen die EU-Erweiterung und die Globalisierung Ihr Geschäft?
Kammler: Absolut positiv. Deutschland ist Vorreiter in Sachen erneuerbare Energien. Wir haben das Know-how, wir haben die Technologie. Um auch weltweit etwas zu bewegen, müssen wir exportieren. Ich schätze, dass die Exportquote bereits bis 2010 auf mehr als 50 % steigen wird.
VDI nachrichten: Was war Ihre größte Energiespar-Leistung als Privatmann?
Kammler: Der Einbau eines Latentwärmespeichers in mein Haus mit einer Speicherkapazität von 1,3 Megawattstunden. Mit der zu Sonnenzeiten gespeicherten Wärme kann ich durch ständiges Be- und Entladen – über das Jahr gesehen – bis zu 50 % meines Energiebedarfs decken. Der Speicher wurde von uns entwickelt und ist demnächst auch auf dem Markt zu erhalten.
VDI nachrichten: Wie schaffen Sie es, Zeit für sich zu haben?
Kammler: Indem ich ganz bewusst die freie Zeit mit meiner Familie genieße. Es gibt nichts Schöneres, als schon frühmorgens in die neugierigen Augen meiner Kinder zu blicken und deren Frühstücksdiskussionen zuzuhören.
VDI nachrichten: Was wünschen Sie der nächsten Generation?
Kammler: Ich wünsche mir, dass die heutige Generation ihrer Pflicht nachkommt und so handelt, dass unsere Kinder und die weiteren Generationen eine ebenso lebenswerte Umwelt geboten bekommen. Nie hat eine Generation vor uns ihren Kindern und Enkeln eine solch gefährliche Erblast hinterlassen wie wir es mit Atommüll tun. Dieser Verantwortung muss sich jeder von uns bewusst sein.
Florian Langenscheidt ist Verleger des Buches „Energietechnologie der Zukunft“. Der Band enthält Porträts deutscher Industrieunternehmen, die auf dem Weltmarkt führend sind oder durch Innovationen ins Gespräch kommen. Die Menschen hinter diesem Erfolg werden hier regelmäßig vorgestellt.
Serie wird fortgesetzt
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