Innovatives Konzept: Fabriken arbeiten nur, wenn der Wind weht
Forschende der Fraunhofer-Gesellschaft arbeiten daran, Lösungen für eine schwankende Stromproduktion zu finden. In einem Modellprojekt haben sie getestet, ob es möglich ist, dass sich die Industrie danach richtet, wann erneuerbare Energien zur Verfügung stehen.
Früher war die Situation für Energieversorger relativ einfach: Stieg der Stromverbrauch an, fuhren sie die Leistung zentraler Kraftwerke hoch. Diese Möglichkeit schwindet jedoch. Die Versorgung findet in einem immer stärkeren Maße dezentral statt, etwa über Photovoltaik- und Windkraftanlagen oder Blockheizkraftwerken in Unternehmen. Wenn allerdings wenig Wind weht und der Solarertrag gering ist, muss trotzdem die Versorgungssicherheit gewährleistet sein. Die komplette Netzstruktur steht daher vor einem Umbau.
Neue Konzepte werden benötigt, um den vorhandenen Strom möglichst effizient zu nutzen, solange die Speichermöglichkeiten für erneuerbare Energien noch begrenzt sind. An einer Idee tüfteln Fraunhofer-Forscher im Projekt SynErgie (Synchronisierte und energieadaptive Produktionstechnik zur flexiblen Ausrichtung von Industrieprozessen auf eine fluktuierende Energieversorgung): Können Fabriken ihre Produktion so anpassen, dass sie dann Strom verbrauchen, wenn besonders viel Wind- oder Sonnenenergie zur Verfügung steht?
Betriebe sollten Strom sollte dann nutzen, wenn er grün produziert wird
Das Prinzip hinter SynErgie ist ein wenig vergleichbar mit den günstigen Nachtstromtarifen, die viele Energieversorger ihren Kunden anbieten. Sie lenken auf diese Weise in einem gewissen Rahmen den Stromverbrauch, weil sowohl Privat- als auch Gewerbekunden versuchen, Geld zu sparen, indem sie Maschinen oder Geräte möglichst nachts laufen lassen. Ähnlich läuft es bei SynErgi. Bestimmte Produktionsphasen werden zum Beispiel zu Zeiten eingeplant, in denen ein hoher Wind- oder Sonnenertrag zu erwarten ist. Umgekehrt heißt das: Wird gerade wenig nachhaltige Energie produziert, sollten Arbeitsschritte vorgenommen werden, die einen niedrigen Stromverbrauch haben. Das kann so weit gehen, dass Energiefresser zeitweise gedrosselt werden. Aber lässt sich solch ein Konzept in der Praxis tatsächlich umsetzen?
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Die Fraunhofer-Forscher haben daran keinen Zweifel und konnten das in der ersten Projektphase auch belegen. Sie wählten Augsburg und die umliegenden Landkreise als Modellregion aus. Industrie ist hier reichlich vertreten, unter anderem mit Betrieben aus den Bereichen Maschinenbau, Metallerzeugung und -verarbeitung sowie Papier-, Chemie- und Kunststoffgewerbe. Die Gesamtstromversorgung wird derzeit zu etwa 35% über erneuerbare Energien bereitgestellt. Anhand dieser realen Daten starteten die Wissenschaftler eine umfassende Simulation. Dabei setzten sie den Schwerpunkt auf Anlagen und Prozesse mit sehr hohem Energieverbrauch.
System ist besonders effizient bei hohem Energieverbrauch
„Insbesondere Branchen mit hohem Energiebedarf verfügen über flexibilisierbare Anlagen, die durch ihre Größenordnung spürbar positive Effekte auf das Versorgungssystem haben“, erklärt Stefan Roth, Projektleiter am Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite und Verarbeitungstechnik IGCV. Als Beispiele nennt er Schmelzprozesse in Gießereibetrieben, Umformmaschinen für die Stahlbearbeitung oder die Halbstofferzeugung bei der Papierherstellung.
Für ihre Berechnungen mussten die Forscher verschiedene Faktoren berücksichtigen: Welchen Einfluss haben flexible Produktionsprozesse auf die Produktionsziele, und wie sieht unterm Strich die Energiebilanz aus? Denn Pausen im Maschinenpark sind nicht immer die beste Lösung, weil ein Neustart oft unverhältnismäßig viel Strom frisst. Zu guter Letzt wollten sie klären, was ihr Konzept für die Gesamtbilanz eines Unternehmens bedeuten würde?
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Das Ergebnis sieht folgendermaßen aus: Das Konzept wäre umsetzbar, kosteneffizient für die einzelnen Betriebe, und die CO2-Bilanz würde ebenfalls sinken. „Für die Modellregion Augsburg wurden durch drei exemplarische Maßnahmen energieflexibler Fabriken deutlich positive Effekte auf die regionale Energiebilanz erreicht. Diese bewegen sich im Maßstab eines mittelgroßen fossilen Kraftwerks. Durch den höheren Anteil erneuerbarer Energien am Strommix sinkt auch der CO2-Ausstoß der Stromerzeugung“, erklärt Jana Köberlein vom Fraunhofer IGCV.
Strombörsen liefern Daten zur Stromerzeugung
Nun ist es aber keineswegs so, dass die Unternehmen direkt an dezentrale Energieerzeugungsanlagen angeschlossen wären. Woher stammen also die aktuellen Daten über die Produktion des grünen Stroms? Sie werden über die Strombörsen ermittelt. Dann gelte es nur noch, die Produktionsplanung darauf auszurichten. Das geschieht über entsprechende Algorithmen. Sie beziehen Prozessschritte, Verfügbarkeit der Anlagen und Liefertermine ein. Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler Softwareplattformen bei Industriepartnern installieren und testen.
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