KKW-Rückbau: lockendes Geschäft
Stufenweise werden in den kommenden zehn Jahren alle 17 deutschen Kernkraftwerke endgültig stillgelegt. Auf dem Rückbau-Symposium der Branche in Köln wurde klar, dass die Strategien zum Rückbau vorhanden sind. Wichtig ist, dass die Demontage zügig und kosteneffizient erfolgen kann.
Wenn 2022 der letzte Meiler vom Netz geht, ist dann die Kernenergie in Deutschland Geschichte? Mitnichten, denn der parallel anlaufende Rückbau des gesamten nationalen Kernkraftwerkparks ist eine Herkulesaufgabe, die sich über Jahrzehnte erstrecken wird. Dies wurde beim „Rückbau-Symposium 2012“, das der TÜV Rheinland und das Aachen Institute for Nuclear Training organisierten, vorige Woche in Köln deutlich.
Dass dies nicht nur ein langer und schwieriger, sondern auch teurer Weg wird, daran hat Bruno Thomauske, Leiter des Instituts für Nuklearen Brennstoffkreislauf an der RWTH Aachen und ehemaliger Chef der Kernkraftwerkssparte bei Vattenfall, keinen Zweifel. „Deshalb müssen jetzt die organisatorischen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Der Industrie kommt dabei die Aufgabe zu mit innovativen Geschäftsmodellen optimierte Konzepte bereitzustellen“, beschreibt er die wichtigsten Aufgaben.
KKW-Rückbau wird E.on, RWE, EnBW und Vattenfall mindestens 18 Mrd. € kosten
Laut einer im Herbst vorigen Jahres vorgestellten Studie der Unternehmensberatung Arthur D. Little müssen die vier Kernkraftwerk-Betreiber E.on, RWE, EnBW und Vattenfall mit Kosten von mindestens 18 Mrd. € für die Demontage und die Entsorgung der Anlagen rechnen. Freilich nur, wenn alles zügig vorangeht. Sonst wird es deutlich teurer.
Nach Berichten, welche die Betreiber jedoch nicht uneingeschränkt bestätigen wollen, sollen sie bereits mehr als 30 Mrd. € Rückstellungen gebildet haben.
Unklar ist, ob die Anlagen komplett abgerissen und zeitnah bis auf „die grüne Wiese“ zurückgebaut werden können oder erts einmal mit demontierten Brennelementen „sicher eingeschlossen“ werden müssen. In letztem Fall würden die Brennelemente in Castorbehälter gepackt und dann zwischengelagert. Bis zu 40 Jahre könnte das dauern, so lange ist die Sicherheit der Behälter garantiert. Bei Rückbauprojekten wie dem Kernkraftwerk (KKW) Lubmin, dem größten KKW-Komplex der ehemaligen DDR, lagern die Energiewerke Nord den radioaktiven Abfall in einem eigens eingerichteten Zwischenlager.
Auch US-Unternehmen bringen sich für den KKW-Rückbau in Stellung
Neben den Betreibern der Kernkraftwerke bringen sich auch Kraftwerksbauer wie das US-Unternehmen Westinghouse und der französische Areva-Konzern für das Rückbaugeschäft in Stellung. Beide verfügen über eigene Sparten oder Tochtergesellschaften mit internationaler Erfahrung im Rückbau. So war Areva am Abbau des Kernkraftwerks Würgassen beteiligt. Konkurrent Westinghouse zerlegte unter anderem den zu Forschungszwecken errichteten Brutreaktor in Karlsruhe.
„Heutige Neubaukonzepte schließen die Planung des vollständigen Rückbaus der Anlage gleich mit ein“, sagt Norbert Haspel, Geschäftsführer der Westinghouse Electric Germany.
Abriss ist ein lukratives Geschäft, an dem eine Vielzahl von Spezialentsorgern, Ingenieurdienstleistern, Prüf- und Beratungsunternehmen verdienen. Bevor jedoch der Rückbau eines abgeschalteten KKW beginnen kann, müssen erst einmal die Brennelemente kontrolliert abklingen. Das dauert fünf bis sieben Jahre.
In der Zeit des sogenannten Nachbetriebs muss der Reaktor ständig überwacht werden, deshalb ist ein Großteil der Betriebsmannschaft nach wie vor im Einsatz. Nach dem Abtransport der Brennelemente und umfangreichen Dekontaminationsmaßnahmen – für die chemische Anlagen und Messvorrichtungen vor Ort errichtet werden müssen – werden alle nichtnuklearen Anlagenteile und Großbauteile abgebaut. Nicht mehr benötigte Gebäudeteile werden gereinigt und abgerissen.
KKW-Rückbau-Spezialist NIS arbeitet mit vollautomatisierten Zerlege- und Greifverfahren
Dann geht es ans Eingemachte: „Die Zerlegung radiologisch belasteter Großkomponenten wie der Reaktordruckbehälter zählt zu den komplexesten und schwierigsten Aufgaben innerhalb des Rückbaus“, sagt Andreas Loeb, Leiter für Anlagentechnik und Rückbau bei der NIS Ingenieurgesellschaft mbH in Alzenau. Dafür hat das Unternehmen, das auch am Abriss des Kernkraftwerks Stade beteiligt war, eigens vollautomatisierte Zerlege- und Greifverfahren entwickelt. So kann ein mit einem Plasma-Schneidbrenner ausgerüsteter, sechsachsiger Roboterarm die besonders dicken Reaktorstähle unter Wasser nach einem zuvor exakt erstellten Plan zerlegen. Automatisierte Greifarme nehmen die Teile auf und verfrachten sie in spezielle Sicherheitsboxen.
Bis zu 0,5 Mio. t Stahl und Beton fallen beim Abriss eines KKW an. Sie müssen zerlegt, dokumentiert, gemessen, bei Bedarf dekontaminiert, abtransportiert und deponiert werden. Nach Angaben der Betreiber hat der zu entsorgende radioaktive Abfall daran einen Anteil von 2 % bis 3 %. Der deutsche Kernenergieausstieg ist ein technologisches Pionierprojekt. Freilich eines, für das der Stromkunde wohl teuer bezahlen wird.
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