Kleinwindanlagen auf dem Dach sind vor allem etwas für Idealisten
Mitten in Berlin auf einem Hochhaus dreht eine Windenergieanlage ihre Flügel. Die Mini-Windmühle mit einer Nennleistung von 600 W gehört zu den Exoten und dient den Wissenschaftlern der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin als eine von fünf Anlagen zu Forschungszwecken.
Dach ist längst nicht gleich Dach. Zwar gilt für Kleinwindanlagen auf Dächern: Je höher, desto besser. Aber dennoch müssen viele Faktoren berücksichtigt werden. Ein guter Standort ist von der umgebenden Gebäudestruktur abhängig – das Haus muss möglichst über andere hinweg ragen, um ein ausreichendes Windangebot bereitzustellen. Zudem gibt es in der Stadt starke Verwirbelungen mit schnell wechselnden Windrichtungen.
Nicht jede Kleinwindanlage könne mit diesen Bedingungen umgehen, so Mathis Buddeke, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. Zusammen mit seinen Kollegen führt er dort ein dreijähriges Projekt unter der Leitung des Maschinenbauingenieurs Jochen Twele durch. Es geht darum, sich mit Standorteigenschaften, Machbarkeit und der Genehmigungslage von kleinen Windenergieanlagen zu beschäftigen, Anfang 2013 soll das Projekt abgeschlossen sein.
Die Tragfähigkeit der Dächer setzt Kleinwindanlagen Grenzen
Genutzt werden für das Projekt fünf identische Anlagen mit vertikaler Achse, mit einem Rotordurchmesser von 1,90 m und Nabenhöhen von 3,5 m und 6 m. Zwar kann mit wachsender Anlagenhöhe meist auch ein höherer Ertrag erzielt werden, allerdings sind dem mit der Tragfähigkeit der Dächer meist Grenzen gesetzt. Berücksichtigt werden müssen auch die Schallemissionen sowie Schwingungsimmissionen. Buddeke: „In Gebäuden ohne eine Schwingungsentkoppelung kann dies Probleme bereiten und störend sein.“
„Kleinwindanlagen können auch in den Städten einen Beitrag zur Stromerzeugung leisten“, ist der Wissenschaftler überzeugt. Im Vordergrund stehe die Eigenstromnutzung zum Beispiel in Büro- oder Wohngebäuden. Denn für eine kleine Windmühle gibt es mit 9,02 Cent/kWh die gleiche Einspeisevergütung wie für die große Variante. Aufgrund der zurzeit noch vergleichsweise hohen Investitionskosten von 3000 €/kW bis 7000 €/kW ist das Einspeisen von Strom aus Kleinwindanlagen daher nur selten wirtschaftlich. Zum Vergleich: Große Windenergieanlagen liegen bei etwa 900 €/kW bis 1000 €/kW.
Selbstversorgung ist auch das Thema, mit dem sich Jens Bechthold von der Fachhochschule Südwestfalen in Zusammenarbeit mit dem Institut i.green im Rahmen einer jetzt gestarteten Machbarkeitsstudie beschäftigt. Vor dem Hintergrund fehlender Netze gewinnt aus seiner Sicht die dezentrale Energieversorgung eine immer größere Rolle. „Wir wollen den Strom da produzieren, wo er gebraucht wird“, erläutert der Maschinenbauingenieur.
Kleinwindanlagen könnten die Rolle der dezentralen Energieversorgung stärken
Bisher ist dies eine Vision: „Noch haben wir nicht die Technik.“ Ein großes Problem stellt die dafür notwendige Stromspeicherung dar, für die Bechthold standortbezogene Konzepte entwickeln will. Aus seiner Sicht ein verschlepptes Problem, das durch die Einspeisung ins Stromnetz abgeschoben wurde.
Untersucht werden verschiedene Anlagentypen, die sich zum Aufstellen auf das Dach eignen. Ziel ist, eine technisch optimale Anlage zu entwickeln, die sich in fünf bis sechs Jahren amortisiert, um dies auch für Häuslebauer interessant zu machen. Das erste Feedback, so Bechthold, sei sehr groß. „Ich bin überzeugt, dass wir viel Potential verschenken, wenn wir nur die großen Anlagen im Blick haben.“
Genaue Zahlen hat Uwe Hallenga zwar nicht. Der Betreiber von www.kleinwindanlage.de ist aufgrund der zahlreichen Hinweise in seinem Forum aber überzeugt, dass es bereits zahlreiche private Rotoren auf Dächern gibt. Für ihn macht das Sinn: „Jeder Meter bringt richtig mehr Energie.“ Auch wenn es sich zurzeit noch nicht rechnet.
Besitzer setzen Kleinwindanlagen meist aus Idealismus und Technikbegeisterung aufs Dach
„Die Energiekosten wachsen der Wirtschaftlichkeit entgegen“, macht Hallenga deutlich. Das ist aber nicht der einzige Grund für die Investition. Die meisten Besitzer würden sich die kleine Mühle eher aus ideologischen Gründen aufs Dach stellen, weil sie von der Technik begeistert seien oder sich vom Stromversorger unabhängig machen wollen.
Vier 2,5-kW-Anlagen hat Heyde Windtechnik bisher auf Dächer gestellt. Privaten Hausbesitzern rät Mitarbeiter Renè Mäke von Anlagen in dieser Größenordnung aufgrund der Geräusche ab. „Wenn nachts der Wind stark weht, kann man nicht mehr schlafen“, macht der Techniker deutlich, der aufgrund der höheren Energieausbeute nur Anlagen mit Horizontalachse vertreibt.
„Es ist bisher sehr schwer zu prognostizieren, ob sich eine Anlage auf dem Dach lohnt“, so Tobias Landwehr vom Bundesverband für Kleinwindanlagen. Viele Faktoren spielen eine Rolle. Auch der Wildwuchs bei den Anlagen macht es Interessenten nicht leicht. Bei den Mikroanlagen gebe es „schwarze Schafe“, so Landwehr. Auch geschönte Hersteller- und Händlerangaben zum Ertrag sind keine Seltenheit. „Wir raten daher, immer nach Referenzprojekten zu fragen und mit Betreibern vor Ort zu reden.“
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