Kosmische Strahlung zeichnet 3D-Bild von Abklingbecken und Brennstäben
Ein Messverfahren für kosmische Strahlung soll es möglich machen, den havarierten Kernreaktor in Fukushima aus der Ferne zu durchleuchten. Auf 3D-Bildern werden dann Position und Zustand von Abklingbecken und Brennstäben sichtbar. Zum Einsatz kommt die Technik bislang bei der Erforschung von Vulkanen.
Japanische Forscher haben ein Pilotprojekt abgeschlossen, das es ihnen erlaubt, mit Hilfe kosmischer Strahlen den geschmolzenen nuklearen Brennstoff Corium in den zerstörten Fukushima-Reaktoren zu orten und sich ein detailliertes Bild vom Innenleben der beschädigten Atomreaktoren zu machen. „Die Technologie ermöglicht es uns, nukleare Brennstoffe überall und ohne große Schwierigkeiten zu lokalisieren“, erläutert Fumihiko Takasaki, Forscher an der High Energy Accelerator Research Organisation (KEK).
Menschen können Reaktorgebäude von Fukushima nicht betreten
Bislang war es dem Betreiber der Anlage, Tepco, nicht möglich, genau auszumachen, wo sich das geschmolzene Corium befindet, weil er die Reaktorgebäude wegen der hohen Strahlung nicht betreten kann. Das jetzt erprobte Verfahren, das sich nach Aussagen des Wissenschaftlerteams von KEK schnell in Fukushima installieren ließe, wird von Experten inzwischen als ein wertvoller Weg gesehen, um die Sanierung des Reaktorkomplexes effektiver zu planen und schneller umzusetzen.
Wissenschaftler nutzen bei diesem Verfahren kosmische Strahlung, die aus hochenergetischen Elementarteilchen besteht. Wenn diese auf die Erdatmosphäre treffen, entstehen Sekundärteilchen wie Myonen. Diese fluten die Erde und können, ähnlich wie Röntgenstrahlen, zur Bildgebung genutzt werden. Während Myonen von einigen Substanzen nur leicht von ihrem Pfad abgelenkt werden, werden sie von schweren Elementen wie Uran und Plutonium gänzlich blockiert. Wie stark diese Streuung ist, kann mittels Detektoren vor und hinter einem Objekt gemessen werden.
3D-Bilder zeigen Inneres des Reaktors
Das Experiment lief von Februar 2012 bis Dezember 2013. In dieser Zeit haben die Forscher eine Technik namens Myon-Streuungsradiographie in Tokai Nummer 2 eingesetzt, ein abgeschalteter Reaktor in der japanischen Präfektur Ibaraki. Drei Sensoren standen dabei in größeren Abständen zum Gebäude und analysierten die Streuung der Myone. Die Methode ist im Prinzip seit über 50 Jahren bekannt und kommt auch zum Einsatz, um das Innere von Vulkanen zu kartographieren.
Aus den Messergebnissen wurden Bilder konstruiert, die sogar dreidimensionale Betrachtungen erlauben. Auf den Aufnahmen sind die Form des inneren Sicherheitsbehälters, der Standort des Abklingbeckens und der Umfang der gelagerten Brennelemente zu erkennen. Ersichtlich wird auch, dass der Brennstoff in zwei verschiedenen Abteilungen des Abklingbeckens lagert.
Messverfahren soll radioaktives Material aufspüren
Die Wissenschaftler von KEK arbeiteten sowohl mit der Universität von Tokio, der Universität von Tsukuba, der Tokyo Metropolitan University und amerikanischen Kollegen bei der Entwicklung funktionsfähiger Detektoren zusammen. Nach Aussagen von Professor Takasaki könnten fünf Detektoren, um die zerstörte Anlage in Fukushima platziert, innerhalb weniger Monate genau bestimmen, wo sich innerhalb des Schutzmantels radioaktives Material aus den geschmolzenen Reaktorkernen befindet. Dazu müssten sich Menschen auch kaum der hohen Strahlung im Umkreis der havarierten Reaktorblöcke aussetzen. Eingeräumt wird von den Wissenschaftlern allerdings, dass ein Teil des geschmolzenen Coriums in die Untergeschosse der Anlage gelaufen sein könnte. Um diesen Brennstoff zu orten, müssten einige Myonen-Detektoren entsprechend in den Boden rings um die Reaktoren eingegraben werden.
Der Ansatz zur Durchleuchtung eines Kernreaktors baut auf bisherigen Arbeiten im Bereich Myonen-Radiografie auf. Sie ist unter anderem auch dafür geeignet, radioaktives Material in stark abgeschirmten Containern zu entdecken, ohne diese öffnen zu müssen. Experten am Los Alamos National Laboratory (LANL) arbeiten seit längerem an solchen Detektoren.
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