Duisburger Kraftwerk zieht Energie aus den Wellen vor Ostende
Das Maschinenbauunternehmen Nemos hat ein Wellenkraftwerk entwickelt, das die Energie des Meeres weitaus effektiver nutzt als bisher getestete Anlagen. Nun ist ein Prototyp in Betrieb gegangen.
Nahe der Küste der belgischen Hafenstadt Ostende tanzt seit Kurzem ein länglicher gelber Schwimmkörper auf den Wellen. Es ist der Prototyp eines neuartigen Wellenkraftwerks, das Jan Peckolt mit seinem Team entwickelt hat. Der Duisburger Ingenieur, Sportbegeisterten eher als Segler bekannt – er gewann 2008 bei den Olympischen Spielen in China gemeinsam mit seinem Bruder Hannes eine Bronzemedaille –, hat die Anlage so konstruiert, dass sie 70 % bis 80 % der Wellenenergie in Strom verwandelt. Bisherige Kraftwerke dieser Art kommen auf etwa 50 %.
Nemos sollte Offshore-Windparks unterstützen
Ursprünglich war Nemos, wie Peckolt das Kraftwerk und sein Unternehmen nennt, als Ergänzung für Offshore-Windparks gedacht. Bis zu 5 Kraftwerke sollten rund um jeden Windgenerator schwimmen. Die Wellenkraft sollte Generatoren antreiben, die an den Schäften der Mühlen befestigt waren. „Das Konzept wäre nicht wirtschaftlich gewesen“, sagt Alexander Martha, Operations Manager des Unternehmens. Aus dieser Anfangszeit stammt noch ein Turm, der nahe dem tanzenden Kraftwerk aus dem Wasser ragt. Er sollte Standort für den Generator werden. Obwohl das Konzept sich geändert hat, wollen die Entwickler den Turm als Experimentierplattform und zur Beobachtung des Kraftwerks nutzen.
Der Schwimmkörper hat eine Fläche von 8 mal 2 Metern. Mit 2 Seilen ist er mit der Unterkonstruktion verbunden, die vollkommen untergetaucht ist. Sie wird von einer Art Ankerkette festgehalten. Der Schwimmkörper zieht im Takt des Wellengangs an den beiden Seilen. Sie bewegen sich über eine Umlenkrolle, die mit dem Generator verbunden ist. Eine kraftvolle Feder zieht sie zurück, wenn die Welle ausläuft und der Schwimmkörper sich wieder absenkt.
So funktioniert das Wellenkraftwerk von Nemos. Foto: NEMOS
CFK-Feder wirkt als Kurzzeitspeicher
Die Leistung der Anlage ist mit 10 Kilowatt noch bescheiden. „Später wollen wir in den Megawattbereich kommen“, sagt Martha. Der Prototyp ist, anders als die künftigen kommerziellen Anlagen, mit Solarzellen ausgestattet, die Strom für Sensoren und das Datenübertragungssystem erzeugen. Viel Mühe machte sich das Team außerdem mit der Entwicklung der Rückholfeder, die auch als Kurzzeitspeicher für die vom Schwimmkörper erzeugte kinetische Energie dient. Sie besteht aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK). Ihr Gewicht liegt um 75 % unter dem vergleichbarer Federn.
Das System ist an der Universität Duisburg-Essen ausgiebig getestet worden, ehe es nach Belgien transportiert und dort installiert wurde. Dazu ließ Holger Hirsch, Professor am Fachgebiet Energiespeicherung und –transport, einen 40 Tonnen schweren und 9 Meter hohen Prüfstand errichten. „Hier wird unter kontrollierten Laborbedingungen geprüft, wie effizient und zuverlässig die zentrale Energiewandlungseinheit funktioniert“, so der Forscher bei der Inbetriebnahme der Anlage. Die Entwickler testeten hier im 1:1-Maßstab, wie die mechanische Leistung des Schwimmkörpers in elektrischen Strom mit Netzqualität umgewandelt wird.
Der erzeugte Strom ist zunächst stark schwankend. Von der Leistungselektronik wird er in Drehstrom mit einer Frequenz von 50 Hertz umgewandelt. Das Nemos-Team testete den Schwimmkörper und seine Bewegungen auch in großen Tanks, die Forschungseinrichtungen für den Schiffbau betreiben. Diese Versuche fanden in Duisburg, Nantes, Edinburgh und Plymouth statt.
Wellenkraftwerk soll Infrastruktur von Windparks nutzen
Auch wenn Nemos-Gründer Peckolt von der Idee abgekommen ist, seine Wellenkraftwerke an Windgeneratoren anzukoppeln, will er deren Infrastruktur nutzen. So soll der Nemos-Strom später über die gleichen Kabel an Land gebracht werden, die den Windstrom transportieren. Damit wäre die Installation des Systems wesentlich schneller realisieren.
Es hat bereits zahlreiche Versuche gegeben, die Kraft der Wellen zu nutzen, etwa das Wellenkraftwerk in Gibraltar, das Wellenkraftwerk in Irland oder das Wellenkraftwerk in Spanien. Einen Durchbruch hat es – wohl auch aus Kostengründen – noch nicht gegeben, obwohl das World Energy Council das weltweite Potenzial der Wellenenergie mit 1 Terawatt angibt. Das entspricht 700 großen Kernkraftwerken. Ob Nemos daran etwas ändern kann, wird unter anderem der jetzt installierte Prototyp in Ostende zeigen.
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