Ladungstransport in organischen Solarzellen entschlüsselt
Die Studie eines interdisziplinären Teams zeigt, was Forschung leistet: Annahmen müssen sich erst einmal bewahrheiten. In diesem Fall kamen die Forschenden zu einem anderen Ergebnis und konnten erstmals nachvollziehen, wie der Ladungstransport in organischen Solarzellen funktioniert.
Solarzellen werden stetig weiterentwickelt. Dahinter steckt vor allem das Ziel, sie immer effizienter zu gestalten. Soll heißen: Im Idealfall liefern besonders kleine Zellen einen hohen Ertrag. Dann ist es zum Beispiel künftig möglich, mit weniger Solarmodulen auf einem Hausdach viel Strom zu erzeugen. Neben Windenergieanlagen sind es vor allem die Solaranlagen, die zum Gelingen der Energiewende maßgeblich ihren Beitrag leisten sollen. Aus diesem Grund beschäftigen sich zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler damit, Solarzellen zu untersuchen, zu verbessern und für die Marktreife vorzubereiten.
Photovoltaik: Forschungsprojekt zu organischen Solarzellen gestartet
Jüngst veröffentlichte die Technische Universität Chemnitz neueste Ergebnisse. Einem interdisziplinären Team ist es gelungen, den Ladungstransport in organischen Solarzellen zu verstehen. Beteiligt an dem Projekt waren unter der Leitung von Carsten Deibel, Professor am Institut der Physik der TU Chemnitz, Forschende der Professur Optik und Photonik kondensierter Materie der Technischen Universität Chemnitz, sowie weitere Institute. Das Forschungsprojekt konnte im Rahmen einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsgruppe „Gedruckte & stabile organische Photovoltaik mit Nicht-Fullerenakzeptoren- POPULAR“ realisiert werden. Neben Universitäten in Deutschland sind auch Institute aus Großbritannien beteiligt. Gemeinsam wollen sie organische Solarzellen im massenproduktionstauglichen Druckverfahren herstellen, sie besser verstehen und stetig verbessern.
Die Zustandsdichte beschreibt die energetische Landschaft
Solarzellen lassen sich aus unterschiedlichen Materialien herstellen. Die Forschungsgruppe beschäftigt sich mit solchen aus neuartigen organischen Halbleitern, die sich mit herkömmlichen Druckverfahren oder auch mit dem effizienten thermischen Aufdampfverfahren herstellen lassen. Der Vorteil des interdisziplinären Teams: Know-how aus Chemie, Physik, Mathematik, der Drucktechnik und den Materialwissenschaften arbeiten gemeinsam an einem Projekt. „Organische Halbleiter sind sehr gute Lichtabsorber, sodass die lichtabsorbierende Schicht in Solarzellen um den Faktor 1.000 dünner ist als bei kristallinen Silizium-Solarzellen“, sagt Carsten Deibel. Allerdings seien organische Solarzellen ungeordnet.
Was dahinter steckt, erläutert Deibel an einem anschaulichen Beispiel: „Für den Transport der Elektronen und Löcher, die in organischen Halbleitern durch das Sonnenlicht erzeugt werden, bedeutet das, dass sie sich nicht auf einer Autobahn, bewegen, sondern auf einer holprigen Straße mit vielen Fallen, die Elektronen oder Löcher einfangen und zu einem langsameren, aber nicht geringeren Stromfluss führen.“ Diese sogenannte energetische Landschaft lässt sich zum Beispiel mit der Zustandsdichte beschreiben.
Erstmals elektronische Defektlandschaft in Solarzellen dargestellt
Hinsichtlich des Ladungstransports an sich gab es für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch offene Fragen. Um diese zu klären, stellten die Forschenden der TU Chemnitz gemeinsam mit Forschenden der Universität Nürnberg-Erlangen, des Helmholtz-Instituts Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien und der Heliatek GmbH in Dresden verschiedene organische Solarzellen her. Im Rahmen der Untersuchungen konnten sie die sogenannte elektronische Defektlandschaft erstmals sichtbar machen.
Sie entsteht durch die Leerlaufspannung organischer Solarzellen. Gemeint ist die Spannung, die produziert wird, wenn kein Strom fließt. Sie ist zugleich das Maß dafür, wie viel Energie in den photogenerierten Elektronen und Löchern vorhanden ist. Gelungen ist den Forschenden dies bei empfindlichen Messungen. Dabei nutzten sie ein breites Spektrum von Lichtintensitäten und Temperaturen. Das Ergebnis verblüffte auch die Forschenden: Die Zustandsdichte einer organischen Solarzelle lässt sich durch ein Potenzgesetz beschreiben. Vorab waren sie davon ausgegangen, dass eine Gauß- oder Exponentialverteilung dafür geeignet sei.
Ergebnisse behindern nicht die Massentauglichkeit der Solarzellen
„Das bedeutet, dass im Gegensatz zu älteren Modellen kleinere Leerlaufspannungen in den Solarzellen in einem energetischen Bereich liegen, in dem es mehr Fallen gibt. Erfreulicherweise ist unter Arbeitsbedingungen organischer Solarzellen bei Raumtemperatur unter Sonnenlichteinstrahlung die Leerlaufspannung höher und die Zustandsdichte enthält dort weniger Fallen“, erklärt Maria Saladina, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Carsten Deibel an der TU Chemnitz. Die Ergebnisse der Forschungsgruppe sind erst vor wenigen Tagen in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht worden.
Diese neuen Erkenntnisse haben nach Einschätzung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lediglich einen Einfluss auf die theoretische Beschreibung organischer Solarzellen, nicht jedoch auf die Herstellung mittels Druck- oder Aufdampfverfahren. Damit seien organische Halbleiter ebenso tauglich für die Massenproduktion wie andere Materialien. Schließlich habe man durch die Experimente erst einmal bewiesen, dass die Zustandsdichte in organischen Solarzellen komplexer ist als bisher gedacht.
Mehr zum Thema Solarzellen:
- Bill Gates setzt auf Perowskit: Neue Technologie für Solarzellen?
- Jede Oberfläche in eine Stromquelle verwandeln: Mit papierdünnen Solarzellen
- Diese Solaranlage arbeitet sogar mit diffusem Licht
Ein Beitrag von: