Lärm um Solarwand
VDI nachrichten, Düsseldorf, 6. 6. 08, mg – Auf eine sonnige Zukunft setzt das hessische Bürstadt. Jüngstes Projekt ist eine mehrere hundert Meter lange Photovoltaikanlage an einer Lärmschutzwand. Doch etliche Anlieger laufen dagegen Sturm. Sorgen über Beeinträchtigungen durch Blendung, Elektrosmog und Wärmereflexion sind jedoch unbegründet, wie ein Gutachten ergab.
Der Slogan ist prägnant: „Wir setzen auf Sonne.“ Damit möchte sich Bürstadt als Solarmetropole profilieren. Einen Rekord hält die 16 000 Einwohner zählende Kommune bereits mit einer 5 MW leistenden PV-Dachanlage. „Mit einer Kombination aus Lärmschutz und Solarstrom wollen wir in unserem neuen Baugebiet Sonneneck einen weiteren Meilenstein setzen“, sagt der Umweltbeauftragte Micha Jost.
Vor einer über 400 m langen Lärmschutzwand soll eine rund 125 kW starke Photovoltaikanlage montiert werden. Dabei werden die 2090 kristallinen Dünnschichtmodule in Fünfer-Reihen in einer Höhe von 1,88 m bis 6,82 m und einer Neigung von 72° befestigt. Die Lärmschutzwand soll auf 600 m ausgebaut und die PV-Anlage entsprechend um 50 % vergrößert werden. Davor liegt ein über 10 m breiter Grünstreifen, auf dem eine 3 m hohe Hecke als Sichtschutz gepflanzt werden soll.
Auf der anderen Straßenseite befinden sich in gut 18 m Abstand von der Solarwand in südöstlicher Richtung die zweistöckigen Wohnhäuser. Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Etlichen Anliegern stößt die solare Verkleidung der steinernen Lärmschutzwand sauer auf. „Durch die Reflexionen von Licht und Wärme sowie Elektrosmog müssen wir Einbußen unserer Lebensqualität befürchten“, so der Einwand.
Die Berliner Solarpraxis AG prüfte die Bedenken in einer technischen Analyse im Auftrag der Kommune.
Wie sieht es mit der Blendwirkung aus? Die Einschätzung der Gutachter: 4 % des einfallenden Lichtes werden durch die PV-Anlage reflektiert. Vier Monate lang scheint zusätzliches Licht in die oberen oder unteren Stockwerke der 4,8 m hohen Häuser, vor allem morgens. Deren doppelt verglaste Isolierfenster lassen jedoch längst nicht alles durch. Sie reflektieren etwa 15 % der Sonnenstrahlen – beinahe viermal so viel wie die vorgesehenen Module. „Die Blendung durch die Photovoltaikanlage wird immer geringer ausfallen als eine Blendwirkung durch Gebäudefenster“, sagt Ingenieur Jens Kusche.
Tritt Elektrosmog auf? Die Solarmodule erzeugen bei Sonnenschein eine Gleichspannung und damit magnetische Gleichfelder. „Bei einem PV-Modul ist die elektrische Feldstärke jedoch so gering, dass sie sich im Abstand von einigen Zentimetern nicht mehr nachweisen lässt“, erläutert Kusche. „Auch wenn mehrere Module zu einem Generator zusammengeschaltet werden sind die elektrischen Feldstärken schon bei etwa 50 cm Abstand deutlich kleiner als das natürliche Magnetfeld der Erde, das zwischen 30 und 60 Mikrotesla liegt.“
Bei den Verbindungsleitungen treten ebenfalls magnetische Gleichfelder auf. Um diese möglichst gering zu halten, empfiehlt der Ingenieur die Plus- und Minus-Leitungen dicht nebeneinander zu verlegen. Dadurch heben sich die Magnetfelder weitestgehend gegenseitig auf. „Selbst in 10 cm Abstand beträgt die von einer PV-Anlage mit 3 kW erzeugte Flussdichte nur 2,7 Mikrotesla“, stellen die Gutachter fest.
Bleiben die Wechselrichter. Diese erzeugen lediglich niederfrequente Wechselfelder, keine hochfrequenten. Der vorgesehene Wechselrichter arbeitet mit einem 50-Hz-Transformator, der die Spannung auf 230 V umwandelt und über einen dreiphasigen Netzanschluss einspeist. Die Feldstärkeemissionen von PV-Anlagen sind jedoch gering und weit unter dem Grenzwert der 26. BImSchV in Höhe von 5000 V/m in 10 m Abstand. Bereits bei einer Entfernung von 10 cm unterschreitet ein 50-Hz-Wechselrichter den baubiologischen empfohlenen Wert von 20 V/m. „Eine Beeinträchtigung der Anwohner durch Elektrosmog kann nach heutigem Erkenntnisstand ausgeschlossen werden“, sagt Kusche.
Tritt zusätzliche Wärmestrahlung auf? Eine potenzielle Quelle sind die Wechselrichter, die sich im Betrieb erhitzen. Da dies der Effizienz schadet, sind die Hersteller jedoch bemüht, die Wandlungsverluste möglichst gering zu halten So besitzt der vorgesehene Wechselrichter SMA 3000 eine Passivkühlung mittels Kühlrippen. Bei 60 °C schaltet er automatisch ab. Die Module erwärmen sich durch den Stromfluss sowie durch die Sonneneinstrahlung auf etwa 70 °C. „Im ungünstigsten Fall wirkt auf einen in 15 m Abstand stehenden Menschen eine zusätzliche Wärmestrahlung von etwa 90 W“, so die Gutachter. Durch den steilen Aufstellwinkel strahlen die Module die Wärme nach oben ab, was den Effekt weiter mindert.
„Substanzielle Anhaltspunkte für eine mögliche Beeinträchtigung der Anwohner ergaben sich nicht“, resümiert Kusche. Bürstadts Verwaltungsspitze setzt deshalb auf den baldigen Bau der Solarwand, „mit einstimmiger Unterstützung des Gemeinderats über alle Parteigrenzen hinweg“, wie Jost betont.
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