Lastflexibler Reaktor für Ammoniak-Synthese soll Wasserstoffwirtschaft voranbringen
Ein neuer Reaktor soll die Ammoniak-Synthese wesentlich flexibler machen, das gilt insbesondere auch mit Blick auf die schwankende Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff. Diesen braucht es jedoch für die Herstellung von grünem Ammoniak.
Die Energiewende ist in vollem Gange, aber eine große Herausforderung bleibt: die Speicherung von grüner Energie. Ein vielversprechender Ansatz ist die Nutzung von Wasserstoffderivaten wie Ammoniak. Ein neu entwickelter Reaktor könnte nun die Kosten für diese Technologie deutlich senken. Teams des Forschungszentrums Jülich, der Technischen Universität München und Linde Engineering arbeiten in den nächsten zwei Jahren an einem lastflexibleren Reaktor, der die Produktion von grünem Ammoniak deutlich effizienter macht.
Nadelöhr muss überwunden werden
Ammoniak ist eine Verbindung aus Wasserstoff und Stickstoff. Als Energiespeicher hat diese Verbindung einen großen Vorteil im Vergleich zu reinem Wasserstoff: Durch die deutlich höhere Energiedichte und das dadurch kleinere Volumen lässt sich Ammoniak wesentlich einfacher lagern und transportieren. In einem Volumen von einem Kubikmeter Wasserstoff, das mit 300 bar komprimiert wurde, stecken rund 700 Kilowattstunden Energie. Bei Ammoniak und 20 bar Kompressionsdruck sind es hingegen 3.000 Kilowattstunden.
Es gibt jedoch eine Herausforderung, die überwunden werden muss, sollen die Vorteile von Ammoniak in einem klimafreundlichen Energiesystem der Zukunft genutzt werden: Bei der Ammoniak-Synthese ist es notwendig, dass ständig Stickstoff und Wasserstoff zugeführt werden. Das ist bei Stickstoff, das aus der Luft gewonnen wird, kein Problem. Die kontinuierliche Zufuhr von Wasserstoff ist hingegen das Nadelöhr, das überwunden werden muss.
Soll Ammoniak künftig ausschließlich aus grünem Wasserstoff zugeführt werden, muss dafür gesorgt werden, dass dieser kontinuierlich zu Verfügung steht. Dieser entsteht durch Elektrolyse und es braucht zum Beispiel Strom aus Sonnen- oder Windenergie. Allerdings ist grüner Strom Schwankungen unterworfen – und genau an dieser Stelle hat das Forschungsteam angesetzt.
Große Energiespeicher sollen verhindert werden
Die schwankende Verfügbarkeit von grünem Strom ist ein Problem bei der Ammoniak-Synthese. Zumindest bislang, denn die Forschergruppe aus Jülich und München arbeitet daran, dies mit einem neuen Reaktorkonzept anzupassen. Sie will damit verhindern, dass in künftigen grünen Energiesystemen zusätzliche große Speicher notwendig werden.
„Pufferspeicher-Lösungen, die die geringe Lastflexibilität der aktuell eingesetzten Synthese-Anlagen ausgleichen können, sind mitunter problematisch für die Wirtschaftlichkeit der Ammoniak-Synthese“, sagt Prof. Andreas Peschel vom Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft (INW) des Forschungszentrums Jülich. „Wir wollen dafür sorgen, dass die Speicher kleiner und günstiger werden.“
Ammoniak-Synthese soll bereits bei 10 Prozent Mindestauslastung funktionieren
In der Regel wird Ammoniak heute noch aus grauem Wasserstoff (also mithilfe von Gas) hergestellt. Solche Anlagen sind auf eine hohe Auslastung von mindestens 50 Prozent ausgelegt, darunter müssen sie abgeschaltet werden. Das anschließende Hochfahren der Ammoniak-Synthese dauert mehrere Tage – völlig unbrauchbar für den Betrieb mit grünem Wasserstoff, der nicht immer in gleich hoher Menge zur Verfügung steht.
Ziel des Forschungsteams ist es daher, Anlagen zu entwickeln, bei denen die Ammoniak-Synthese bereits bei einer Mindestauslastung von 10 Prozent funktioniert. „Wenn das gelingt, dann bedeutet das in Relation zu einer Mindestauslastung von 50 Prozent, dass der vorgeschaltete Wasserstoff-Pufferspeicher nur noch ein Fünftel der Größe haben muss. Das bedeutet für die Zukunft einen großen wirtschaftlichen und logistischen Vorteil“, sagt Andreas Peschel.
Reaktor mit größerer Wärmetauschfläche geplant
Um aus grünem Wasserstoff Ammoniak auch bei kleineren Auslastungen herstellen zu können, plant das Forschungsteam, einen Reaktor mit größerer Wärmetauschfläche zu nutzen. Auf diese Weise lässt sich die für die Ammoniak-Synthese erforderliche Wärme von 350 Grad Celsius effizienter nutzen. Am Institut für Wasserstoffwirtschaft in Jülich soll in den kommenden zwei Jahren genau solch ein Reaktor aufgebaut und betrieben werden.
Peschel erläutert: „Die Technik dafür ist schon recht weit erforscht, sodass wir uns aus dem Betrieb weitere Erkenntnisse erhoffen, um mit der Technologie schnell in die Anwendung zu kommen.“ So gibt es bereits Pläne für eine Weiterentwicklung des aktuell geplanten Reaktors. Außerdem plant das Forschungsteam, auch Reaktoren und Prozesskonzepte für die weiteren Wasserstoff-Derivate Methanol und Methan zu entwerfen. Generell geht es darum, den Energiespeicherprozess günstiger zu gestalten.
Das Team ist von dem großen Nutzen einer grünen Ammoniak-Synthese für die Zukunft überzeugt. „Ammoniak ist nicht nur als Speicherlösung für Wasserstoff hochinteressant“, sagt Andreas Peschel. „Es wird schon lange in großen Mengen als Grundstoff für die Herstellung von Düngemitteln eingesetzt und ist damit eine der am meisten genutzten Chemikalien weltweit. Wenn es uns gelingt, die Ammoniak-Produktion auf grünen Wasserstoff umzustellen, dann kann das weltweit eine Hebelwirkung im Kampf gegen die Klimaerwärmung haben.“
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