Studie vorgestellt 20.10.2022, 07:00 Uhr

Lithium durch Geothermie: überraschende Zahlen

Lithium kann als Nebenprodukt der Geothermie gewonnen werden. Das ist bekannt. Ein Team des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hat jetzt ermittelt, ob dieser Ansatz wirklich vielversprechend ist und was für Fördermengen realistisch wären.

Geothermie-Kraftwerk

Geothermie-Kraftwerke könnte mit einer entsprechenden Ausrüstung als Nebenprodukt Lithium gewinnen.

Foto: panthermedia.net/GlowImagesRF

Lithium ist schon jetzt ein begehrtes Material. Denn Lithium-Ionen-Akkus werden für nahezu alle tragbaren elektronischen Geräte verwendet, die einen hohen Energiebedarf haben. Neben Smartphones, Laptops und Digitalkameras sind das vor allem Elektroautos – die Lithium-Nachfrage schießt aktuell also in die Höhe und wird mit dem Aus der Verbrenner-Motoren, das die EU für das Jahr 2030 beschlossen hat, noch weiter zunehmen. Schon jetzt warnen Expertinnen und Experten vor Versorgungsengpässen. Forschende versuchen zwar fieberhafte, alternative Materialien für Batterien zu finden, aber marktreife Lösungen mit gleicher Effizienz gibt es noch nicht. Umso drängender ist die Frage, wie der Lithium-Bedarf gedeckt werden kann. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben ermittelt, welchen Beitrag die Geothermie in dieser Hinsicht leisten kann. Denn Lithium lässt sich dabei als Nebenprodukt gewinnen.

Lithium: Wichtige Wendung für erste Lithiumraffinerie Europas

Lithium wird als Zwischenschritt vom Thermalwasser abgetrennt

Die Europäische Union (EU) hat Lithium bereits offiziell als kritischen Rohstoff eingestuft, weil ein Defizit vor der Tür zu stehen scheint. „Wir sind vollständig auf Importe angewiesen, weltweit stammen 80 Prozent des Lithiums aus Chile und Australien“, sagt Valentin Goldberg vom Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT. „Gleichzeitig nehmen wir erhebliche Umweltkosten beim konventionellen Abbau in diesen Ländern in Kauf, etwa negative Auswirkungen auf das Grundwasser.“

Eine Lösung, zumindest teilweise, könnte die Lithiumgewinnung in Geothermiekraftwerken darstellen. Dafür existiert eine Infrastruktur in Europa, über die schon große Mengen Thermalwasser mit teilweise hohem Lithiumgehalt gefördert werden. Das Thermalwasser wird zunächst für die Energieproduktion benötigt. Im Anschluss wäre es aber möglich, das Lithium abzutrennen. Dieser Zwischenschritt lässt sich grundsätzlich gut integrieren, bevor das Wasser dem Untergrund wieder zugeführt wird. „Grundsätzlich sehen wir die Technologie sehr positiv. Flächenverbrauch und Umweltkosten wären gering, genauso die Transportkosten“, lautet Goldbergs Einschätzung.

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So weit, so gut. Die Frage lautet aber, welche Fördermengen realistischerweise denkbar wären. Die Forschenden haben dafür alle verfügbaren Informationen zusammengetragen und analysiert.

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Tausende Tonnen Lithium pro Jahr von Geothermie-Standorten wären denkbar

Es hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie viel Lithium pro Standort theoretisch gewonnen werden könnte. Einer davon ist natürlich die Lithiumkonzentration im Wasser, aber auch die Fließrate und die Reservoirgröße sind entscheidend. Für ihre Schätzung haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Daten der potenziellen Standorte in Deutschland gesammelt, die Rohstoffmärkte analysiert und unterschiedliche Technologien hinsichtlich ihrer Effizienz, Anwendbarkeit und Integrationsfähigkeit für die geothermische Energieproduktion bewertet. „Auf dieser Basis halten wir bei einer optimistischen Abschätzung eine jährliche Produktion von ungefähr 2.600 bis 4.700 Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalent für möglich, wenn alle relevanten Geothermiestandorte mit entsprechenden Anlagen ausgerüstet werden“, sagt Fabian Nitschke vom AGW. Er schätzt, dass es möglich sei, mit dieser Menge zwischen 2% und 13% des Jahresbedarfs für die geplante Batteriefertigung in Deutschland zu decken.

Prinzipiell ist es zudem möglich, die Fördermengen durch weitere Geothermiekraftwerke zu steigern. Von der Planung bis zur Inbetriebnahme eines neuen Kraftwerks vergehen allerdings im Normalfall mindestens fünf Jahre. Die Geothermie könnte nach diesen Berechnungen zumindest eine Ergänzung darstellen. Sollte die Energiewende den Ausbau der Geothermiekraftwerke vorantreiben, hätte das also einen positiven Begleiteffekt.

Akzeptanz der Bevölkerung als wichtiger Faktor

Welchen Lithium-Anteil die Geothermie zuliefern kann, hängt aber noch von einer ganz anderen Komponente ab: der Akzeptanz in der Bevölkerung. „Unsere Veröffentlichungen richten sich deshalb nicht nur an ein Fachpublikum. Vielmehr wollen wir Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft, aber auch allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, sich direkt und unabhängig über Chancen und Herausforderungen zu informieren“, sagt Goldberg.

Beiträge zum Thema Batterieforschung:

Ein Beitrag von:

  • Nicole Lücke

    Nicole Lücke macht Wissenschaftsjournalismus für Forschungszentren und Hochschulen, berichtet von medizinischen Fachkongressen und betreut Kundenmagazine für Energieversorger. Sie ist Gesellschafterin von Content Qualitäten. Ihre Themen: Energie, Technik, Nachhaltigkeit, Medizin/Medizintechnik.

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