Methanernte aus Stausee lässt grünen Strom fließen
Mit Hilfe von Stauseen und Wasserkraft lässt sich Strom erzeugen, das ist klar. Es gibt aber nun noch eine zweite Möglichkeit der Stromerzeugung: In Stauseen sammelt sich mit der Zeit jede Menge Methan an. Forschende der TH Köln wollen dieses Methan ernten und energetisch nutzen.
In Stauseen entstehen teilweise erhebliche Mengen des Treibhausgases Methan. Dieses Gas kann, wenn es in die Atmosphäre entweicht, der Umwelt Schaden zufügen. Um diesem Problem entgegenzuwirken, hat die TH Köln das Projekt „MELINU“ ins Leben gerufen, bei dem ein bereits in mehreren Vorgängerprojekten entwickelter Prototyp zur Methangasernte optimiert wurde. Durch diese Optimierung ist es nun möglich, das aus dem Sediment entnommene Methan zu speichern und energetisch zu nutzen. Erfolgreiche Versuche an der Wupper-Vorsperre nördlich von Hückeswagen haben die Funktionalität des Prototyps bestätigt.
Wie kommt es zur Methanbildung in Stauseen?
„Die Unterbrechung von Fließgewässern durch Absperrbauwerke führt dazu, dass sich in diesen Stauräumen vermehrt Sedimente wie Kies und Sand sowie organische Bestandteile wie Blätter ansammeln. Durch den Abbau des organischen Materials entsteht Methan. Dieses ist bezogen auf eine Zeitspanne von 20 Jahren etwa 86-mal so klimaschädlich wie Kohlenstoffdioxid“, sagt Prof. Dr. Christian Jokiel vom Labor für Wasser und Umwelt der TH Köln.
Ein Problem: Beim Befüllen von Stauseen kommt es durch die Flutung von Wäldern und Vegetation zum Absterben von beträchtlichen Mengen Pflanzenmaterial. Dieser Effekt ist besonders ausgeprägt, wenn Dämme in vegetationsreichen Flussgebieten errichtet werden und keine vorherige Rodung stattfindet. Das abgestorbene Tier- und Pflanzenmaterial sinkt allmählich zum Gewässergrund und bildet dort eine Schicht aus organischem Material. Im Verlauf dieses Prozesses wird dieses Material von methanbildenden Bakterien abgebaut, wodurch größere Mengen des Treibhausgases Methan entstehen.
Wovon hängt die Methanbildung ab?
Die Belüftung des Gewässerbodens spielt eine entscheidende Rolle für die entstehenden Gase. Wenn die Sedimente gut mit Sauerstoff versorgt sind, entsteht Kohlendioxid, während bei Sauerstoffmangel das um ein Vielfaches klimawirksamere Methan produziert wird. Leider herrscht am Gewässergrund oft Sauerstoffarmut, was bedeutet, dass anoxische Bedingungen vorherrschen. Dies wird auch durch die allmähliche Bildung zusammenhängender, bindiger Sedimentschichten begünstigt, wenn sich Partikel am Gewässergrund ablagern.
Nach Angaben von Prof. Kokiel gebe allein die Wupper-Vorsperre mit ihrem Volumen von 307.000 Kubikmetern jährlich so viele Treibhausgase ab wie ein Pkw auf anderthalb Millionen Fahrkilometern. Und der Stausee ist recht klein im nationalen Vergleich. Die Bleilochtalsperre hat zum Beispiel ein Stauseevolumen von über 200 Millionen Kubikmetern. Die größte deutsche Talsperre ist jedoch ein kleines Licht im internationalen Vergleich. Die derzeit größte Talsperre der Welt, Jinping I in China, fasst 7.760 Millionen Kubikmeter Wasser. Es lässt sich nur erahnen, wieviel Methan dort möglicherweise jährlich produziert wird.
Sedimentablagerungen und Methanemissionen reduzieren
Die TH Köln hat in Kooperation mit einem Fachunternehmen eine Reihe von Projekten durchgeführt, um die Sedimentablagerung und Methanemissionen zu reduzieren. In diesem Rahmen wurde ein Prototyp entwickelt. Dieser verwendet einen Hochdrucksauger, der auf einer schwimmenden Plattform installiert ist, um Sedimente zu lösen und aufzusaugen. Auf der Plattform erfolgt dann eine Trennung des Gemischs aus Wasser, Sediment und Gas, wodurch das Methangas gewonnen werden kann. Das zurückbleibende Sediment wird daraufhin kontrolliert dem Fließgewässer unterhalb der Stauanlage zugeführt.
Im Projekt „MELINU“ wurde besonderes Augenmerk auf die Optimierung des Gasauffangprozesses gelegt. Darüber hinaus hat das Projektteam neue Methoden entwickelt, um das gewonnene Methan effizient zu speichern und für energetische Zwecke zu nutzen.
Optimierter Prototyp sorgt für bessere Ernte
Im ersten Schritt wurde die bestehende Aufnahmeeinheit des Prototyps deutlich verbessert. Corina Lied, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Labor für Wasser und Umwelt der TH Köln, erklärt, dass verschiedene Maßnahmen ergriffen wurden, um die Effizienz zu steigern. Die Einheit wurde beispielsweise dichter gemacht und mit einer leistungsstärkeren Pumpe ausgestattet, was zu einer erhöhten Sedimentverlagerung und einer verbesserten Methangasernte führte. Zusätzlich wurde ein seitlicher Zugang für Wartungs- und Reparaturarbeiten hinzugefügt, um die Handhabung des Prototyps zu erleichtern.
Um das aufgefangene und hochwertig klassifizierte Gas effizient zu speichern, hat das Projektteam vier Gasbags aus flexibler Kunststofffolie an der Plattform installiert. Jeder Gasbag besitzt ein Fassungsvermögen von 250 Litern. Im Vergleich zu herkömmlichen Speichervarianten wie Gasflaschen erfordert diese Lösung keine Komprimierung des Gases, was den Energieaufwand deutlich reduziert und somit ökologisch vorteilhaft ist. Um das gewonnene Gas in elektrische Energie umzuwandeln, wurde ein Benzingenerator speziell für den Gasbetrieb umgebaut und in das System integriert.
Weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeit notwendig
Julia Außem von der Projektpartnerin SedimentWorks GmbH berichtet, dass während der Feldversuche 36 Fahrten durchgeführt und Schnitt 120 Liter Gas mit einem Methangehalt von durchschnittlich 50 Prozent entnommen wurden. Insgesamt hat das Forschungsteam 4.322 Liter Gas gesammelt, aus denen 3.047 Kilojoule Energie erzeugt werden konnten. Das entspricht etwa 31 Prozent der Energiemenge, die für die Befahrung der gesamten Vorsperre benötigt wird.
„Im Projekt MELINU konnte erfolgreich nachgewiesen werden, dass das in Stauseen entstehende Biogas genutzt werden kann, um elektrische Energie zu erzeugen“, sagt Jokiel. Bis das System marktreif ist, könne es aber noch etwas dauern. „Für einen kommerziellen Einsatz müssen die Gasanalyse und -speicherung weiter optimiert werden. Das Gas könnte perspektivisch zum Beispiel auch in lokalen Biogasanlagen umgesetzt werden. Die Plattform selbst könnte durch Automatisierung und eine kleinere Dimensionierung noch mehr Methangas aus Gewässern entnehmen als bisher.“
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