Mission E: Wie man Soldaten zum Energiesparen bringt
Von der Truppe lernen, heißt Sparen lernen. Das passt in eine Zeit, in der die durchgreifende Neustrukturierung der Bundeswehr diskutiert wird. In ihren Liegenschaften hat sie den Energieverbrauch um fast 1 Mrd. kWh gesenkt. Und das nicht allein durch Gebäudesanierung, sondern vor allem durch Motivation der Soldaten und Zivilbediensteten.
Wald so weit das Auge reicht, immer wieder eine neue Abzweigung, bis endlich das gelbe Wärterhäuschen der Kaserne mit der rot-weißen Schranke auftaucht. Dabei ist die General-Feldmarschall-Rommel-Kaserne unweit von Detmold die größte Liegenschaft der Bundeswehr. 14,5 ha oder 20 Fußballfelder – genug Platz für 4000 Soldaten, einige Dutzend Spür- und Kampfpanzer, Hunderte Truppen- und Materialtransporter. Auf dem Gelände verteilen sich 140 Gebäude, Wohnheime, Werkshallen, Sportplätze, umgeben von dem waldigen Truppenübungsgelände mit der Fläche einer Kleinstadt.
„Kommen Sie ruhig vorbei“, hatte der Presseoffizier August Udo Hagedorn am Telefon gesagt. „Wir haben nichts zu verbergen.“
Ganz im Gegenteil. Presseoffizier Hagedorn entpuppt sich als ein altgedienter Soldat, der jede Ecke seiner Kaserne kennt und auch herzeigt. Nur Fotografieren ist verboten.
Hier im Städtchen Augustdorf hat die Panzerbrigade 21 Lipperland mit drei Bataillons ihren Sitz, außerdem Teile des Logistikbataillons 7 und eines der 53 Bundeswehrdienstleistungszentren, die für Unterkunft und Personalfragen, Logistik und Infrastruktur verantwortlich sind. Und von hier ziehen ab Januar kommenden Jahres rund 800 Soldaten in den Einsatz nach Afghanistan.
Ein Trupp junger Rekruten marschiert in akkuraten Vierer-Reihen vorbei. „Weiter, zweidrei“, brüllt der Ausbilder, „zweidrei, zweidrei.“
Tom Küster kann man sich in einer solchen Umgebung nur schwer vorstellen. Der Diplompädagoge ist Wehrdienstverweigerer und macht einen durchaus friedliebenden Eindruck, ein Mensch, der bei Kaffee und Zigarette gern über die Energieprobleme der Welt sinniert. Wenn er redet, dann besonders von dauerhafter Nutzermotivation, Multiplikatoren und Handlungsroutinen, die den Menschen oft davon abhalten, das Richtige zu tun.
„Es ist so einfach, Energie zu sparen“, sagt er, „man muss nur aufklären.“
Küster ist Mitarbeiter der Energieagentur Nordrhein-Westfalen. Er hat Mission E erfunden – ein Projekt, das seit 2007 der Bundeswehr Energiesparen beibringt und sich zum Ziel gesetzt hat, die 350 000 Uniformträger und zivilen Bediensteten über den richtigen Umgang mit Energie aufzuklären.
Das Potenzial ist groß: Die Bundeswehr verbraucht im Jahr so viel Energie wie 400 000 Haushalte oder eine Stadt mit 1,5 Mio. Einwohnern. Das belastet den Haushalt des Bundesverteidigungsministers mit über 400 Mio. €. Daher soll die Bundeswehr in ihren rund 1500 Liegenschaften jedes Jahr 5 % an Energie einsparen.
Schon ein Blick auf die Rommelkaserne in Augustdorf zeigt, warum die Energiekosten vor allem in den alten Bundesländern so hoch sind. Die 140 Gebäude stammen größtenteils aus den 70er-Jahren und die meisten wurden zum letzten Mal vor zwei Jahrzehnten saniert.
Zwischen den Gebäuden steht eine große Halle aus Stahlbeton, das Kraftwerk für die gesamte Kaserne. Die zwei Ölkessel sind schon 20 Jahre in Betrieb, der alte Kohlekessel wurde erst vor wenigen Jahren stillgelegt. Immerhin investiert das Ministerium innerhalb der kommenden acht Jahre am Standort 135 Mio. € in Neubau und Sanierung.
Doch Energiefachmann Küster interessiert sich weniger für Wärmedämmung und effiziente Heizungen. Er setzt auf den einzelnen Soldaten. „Der Faktor Mensch ist ein schlafender Riese.“
Und den will er wecken. Das ist das Ziel von Mission E.
Im Wesentlichen geht es bei Mission E darum, jahreszeitlich angemessen und auf die richtige Weise zu heizen und zu lüften, nicht benötigte Stromverbraucher wie Lampen, Monitore und Drucker auch während der Arbeitszeit einfach mal auszuschalten und die Bürogeräte nach Dienstschluss komplett vom Stromnetz zu trennen.
Das steht auch in unzähligen Energiesparbroschüren, doch das geschriebene Wort allein nützt nicht viel, so Küsters Erfahrung. „Was wir brauchen, sind gute Vorbilder und Motivatoren.“
Da ist er bei der Bundeswehr genau richtig. Ohne Vorbilder und Motivatoren würde die Befehlskette, in die sich jeder Rekrut vom ersten Tag an einordnen muss, nicht funktionieren.
Einer dieser Motivatoren ist Stabsunteroffizier Vogt. Er kennt Küster aus einem Seminar, in dem der Düsseldorfer Diplompädagoge 20 Feldwebeln der Rommelkaserne den richtigen Umgang mit Energie nahegebracht hat. „Ich war total überrascht, mit welchen einfachen Mitteln man viel sparen kann“, so Vogt.
Seither ist Vogt Teil der Mission E und versucht, seine Kameraden im Logistikbataillon in Sachen Energiebewusstsein auf Linie zu bringen: Fenster schließen nach Dienstschluss! Keine Handtücher über dem Heizkörper trocknen! Heizung abdrehen beim Lüften! Licht aus in leeren Stuben!
Das Echo ist unterschiedlich, räumt der Stabsunteroffizier ein. Bei Soldaten mit eigener Wohnung ist die Bereitschaft zum Energiesparen größer als bei denen, die noch im Hotel Mamma logieren und bei Soldaten mit eigenem Haus größer als bei denen mit Mietwohnung. „Wesentlich ist, dass ein Vorgesetzter mit gutem Beispiel vorangeht.“ Es werde jeden Tag kontrolliert, betont Vogt. Und wenn die Kameraden die Dinge mal schleifen lassen, gibt es, wie er es nennt, ein „klärendes Gespräch“.
Für Soldaten gilt wie für jeden Privatmann auch: Der häufigste Grund für Energieverschwendung sind schlechte Gewohnheiten, dazu kommen Unwissenheit und Fehlinformationen. Also wurden Spartipps für das bundeswehreigene Intranet entwickelt, es gibt Wettbewerbe und Gewinnspiele. Und wer sich die besten Spartipps ausdenkt, erhält Sonderurlaub.
Auch das Bundesverteidigungsministerium spendiert jedes Jahr 1,5 Mio. € für Kasernen, die besonders erfolgreich Energie sparen. Im vergangenen Jahr hat die Rommelkaserne eine Prämie von 20 000 € kassiert. Davon sollen neue Sportgeräte angeschafft werden, vielleicht aber auch Bewegungsmelder und stromsparende Steckerleisten.
Ende dieses Jahres läuft das Projekt Mission E offiziell aus. Die Ergebnisse sind eindrucksvoll: In den Jahren 2007 bis 2009 hat die Bundeswehr durch Liegenschaftsmanagement, Gebäudesanierung und dauerhafte Nutzermotivation 770 Mio. kWh Strom und Wärme eingespart, bis Ende 2010 wird es rund 1 Mrd. kWh sein. Das erspart der Umwelt 216 000 t CO2 und dem Ministerium über 70 Mio €. Und das Energiesparen rechnet sich (siehe Kasten).
Für die kommenden Jahre haben die Energiefachleute im Verteidigungsministerium eine Reihe von Ideen, wie man Energiesparen in der Bundeswehr fest verankert: Zum Beispiel könnte man den Etat für die Gebäudebewirtschaftung vom Wehretat abkoppeln, um Sanierung und Modernisierung freier zu planen – was schwierig ist in einer Zeit, in der die Truppe Milliarden Euro einsparen muss und keiner weiß, wie es mit Wehrpflicht, Truppengröße und den Kosten für die Auslandseinsätze weitergeht.
Im Ministerium gibt es zudem Überlegungen, in den Kasernen und Bundeswehrdienstleistungszentren Techniker zum Energiebeauftragten auszubilden. „Sinnvoll“, meint Küster „wäre es auch, Energiesparen in die Lehrpläne aufzunehmen.“ Im Herbst soll es ein erstes Pilotseminar für junge Rekruten geben, eine entsprechende Anfrage an die Führungsakademie für Offiziere läuft.
Der bisherige Erfolg hat die Energieagentur NRW ermutigt, auch bei Kommunen und großen Verwaltungen mit Mission E vorstellig zu werden. Denn was in den Büros der Bundeswehr funktioniert, wirkt auch in der zivilen Welt. Bisher haben über ein Dutzend Unternehmen und Verwaltungen eine Mission E gestartet, darunter die Städte Bochum und Dortmund, die Sparkasse in Neuss und das Helmholtz-Institut für Infektionsforschung in Braunschweig. Für das Projekt gab es Lob von der Unesco und der Deutschen Energie-Agentur. Küster hat sich jetzt beworben für den European Energy Service Award. „Würde ich den Preis gewinnen, wäre das echt cool.“
Im kommenden Jahr erhält die Rommelkaserne eine moderne Heizung. Einen 4-MW-Kessel für Holzhackschnitzel, dazu zwei große Gaskessel und ein 500-kW-Blockheizkraftwerk.
Die neue Heizung wird trotz Mission E mehr Wärme erzeugen müssen als die alte, sagt Presseoffizier Hagedorn, während die alten Kessel hinter ihm wummern. Denn der Standort rüstet auf: Ein zusätzlicher Küchentrakt ist in Planung, dazu kommt eine weitere große Sporthalle. Und es entsteht ein modernes Sanitätszentrum – eines für posttraumatische Belastungsstörungen. Für die Soldaten, die aus Afghanistan zurückkehren. CHRISTA FRIEDL
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