Agri-PV im Computerspiel: Erkundung des Potenzials im Agrarlandschaftslabor
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „SynAgri-PV“ erweitert das digitale Agrarlandschaftslabor „digi.farming.lab“ um Agri-Photovoltaik (Agri-PV) und nutzt den Landwirtschaftssimulator, um diese Technologie realistisch darzustellen.
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „SynAgri-PV“ erweitert das digitale Agrarlandschaftslabor „digi.farming.lab“ um Agri-Photovoltaik (Agri-PV). Diese Plattform nutzt das bekannte Computerspiel „Landwirtschaftssimulator“, um Forschungsthemen in einer realistischen 3D-Umgebung sichtbar und erlebbar zu machen.
Vor diesem Hintergrund arbeiten seit Juli 2022 neun Partner aus Forschung, Praxis und Industrie im Projekt „SynAgri-PV“ gemeinsam an der Entwicklung einer Roadmap für den großflächigen Ausbau von Agri-PV in Deutschland. Um die Verbreitung dieser Technologie erfolgreich zu gestalten, müssen rechtliche Rahmenbedingungen weiterentwickelt, die Anforderungen der verschiedenen Zielgruppen definiert, Hemmnisse und weitere Forschungsfelder identifiziert und Akzeptanzuntersuchungen durchgeführt werden.
Mit Landwirtschaftssimulator unterschiedliche Landnutzungsszenarien testen
Um das Projekt „SynAgri-PV“ öffentlich bekannt zu machen, wurde der Aufbau eines virtuellen Demonstrators geplant. Dieser soll relevanten Akteuren und Interessierten helfen, sich auf fundierter Basis eine Meinung zu bilden. Im Demonstrator können die Nutzer selbst Landmaschinen steuern und die Agri-PV-Technologie unter realistischen Bedingungen mit aktueller Technik erkunden. Verschiedene marktreife Agri-PV-Technologien sind darin integriert. Die Einbettung in das Landschaftsbild ermöglicht gezielte Untersuchungen zur Akzeptanz der Technologie.
Dipl.-Ing. Helge Wanta, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Technisches Design der TU Dresden, war für die Visualisierung im Computerspiel verantwortlich. „Mit einer für den Landwirtschaftssimulator eigens entwickelten Karte und neuen Spielinhalten entwickeln und testen wir unterschiedliche Landnutzungsszenarien unter Berücksichtigung von Klimawandel und Bioökonomie“, kommentiert der Wissenschaftler.
Agri-PV-Nutzungskonzepte
Das erste Agri-PV-Nutzungskonzept zeigt die „1-Achsen-Tracker“ Agri-PV. Dabei sind die Reihen der PV-Module in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet, sodass sich die Module tagsüber von Ost nach West nach der Sonne bewegen können. Dies ermöglicht genug Sonnenlicht für die Landwirtschaft zwischen den Reihen und erhöht die Stromerzeugung über den Tag hinweg. Dank der Flexibilität der Module können verschiedene Pflanzen angebaut werden – im Demonstrator wurden Weizen und Raps auf einer digitalen Fläche von etwa 20 Hektar ausgewählt. „Tracking-Agri-PV benötigt einen Schutzstreifen um die Ständer der Module. Diese Streifen können durch Nutzung als Blühstreifen oder anderer biodiversitätsfördernder Maßnahmen wertvolle Habitate für Flora und Fauna bilden. So können heterogene landwirtschaftliche Flächen geschaffen werden“, sagt Johann Neubert von der Elysium Solar GmbH.
Im zweiten Nutzungskonzept wird auf einer 2,5 Hektar großen Fläche der digitalen Landschaft Solarstrom im Sonderkulturanbau mit semitransparenten PV-Modulen produziert. Julia Wamsler vom Fraunhofer ISE präsentiert dieses Konzept, bei dem die Agri-PV-Anlage eine Durchfahrtshöhe von 3,7 Metern aufweist. „Als besonders geeignet erweisen sich Obstbäume, die im Erwerbsobstbau vor Umwelteinflüssen wie Starkregen, Hagel, Nachtfrost und starker Sonneneinstrahlung geschützt werden. Zudem zeigen sie eine gewisse Schattentoleranz. In Frage kommen unter anderem Apfel-, Birnen-, Kirsch-, Pflaumen- und Zwetschgenbäume.“
Im dritten Nutzungskonzept wird auf einer 0,7 Hektar großen Fläche, bepflanzt mit Kartoffeln und Hafer, eine hochaufgeständerte Agri-PV-Anlage mit einer Durchfahrtshöhe von 5,8 Metern eingesetzt. Unter dieser Anlage können übliche landwirtschaftliche Maschinen problemlos arbeiten. Diese Agri-PV-Anlage eignet sich für den Anbau von Acker- oder Gemüsepflanzen und ist daher auch für Reihenkulturen wie Kohl, Rüben, Salat und ähnliches geeignet.
Das vierte Nutzungskonzept kombiniert vertikale Agri-PV mit Dauergrünland auf einer Fläche von 20 Hektar. Diese Nutzungsform wurde in Deutschland bereits in zwei Fällen umgesetzt. Dank eines Reihenabstands von bis zu zwölf Metern können auf etwa 90 Prozent der Fläche sowohl Grünland als auch Ackerbau mit herkömmlichen Maschinen und Methoden betrieben werden. Die restlichen zehn Prozent der Fläche können durch verschiedene Nutzungskonzepte, wie Blühstreifen, zusätzlich aufgewertet werden. Die verwendeten bifazialen Module in Ost-West-Ausrichtung erzeugen auf beiden Seiten Strom.
Steigende Erträge trotz Dürre: Die Chancen der Agri-Photovoltaik
Die Energiekrise spitzt sich weiter zu: Immer lauter werden Forderungen für den Einsatz der erneuerbaren Energien, immer häufiger kommen Forderungen, Energie zu sparen, wo immer es geht. Klar ist: Wir brauchen innovative Lösungen. Agri-Photovoltaik könnte eine davon sein. Eine Studie zeigt, dass die Beschattung durch Solarpaneele bei Dürreperioden sogar zu Ertragssteigerungen führen kann.
Die Installation von Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen führt immer wieder zu Diskussionen, da sie in direkter Konkurrenz zu anderen Formen der Landnutzung stehen – zum Beispiel der landwirtschaftlichen Produktion. Eine Lösung dafür ist, wie bereits erwähnt, die Agri-Photovoltaik, denn dadurch wird die Erzeugung von Nahrungsmitteln und Energie auf derselben Fläche ermöglicht. Die Photovoltaik-Paneele werden auf Ständern platziert, und darunter werden die Nutzpflanzen angebaut. Alternativ können die Module in Bodennähe installiert werden, sodass zwischen ihnen Landwirtschaft betrieben werden kann.
Was versteht man unter Agri-Photovoltaik (Agri-PV)?
Wenn man die landwirtschaftlichen Flächen für die Nahrungsmittelproduktion nutzt und darüber gleichzeitig PV-Strom erzeugt, spricht man von Agri-Photovoltaik (Agri-PV). Mit anderen Worten: Nahrungsmittel- und Energieproduktion findet auf einer Fläche statt. In Zeiten der Energiekrise ein guter Einsatz, um unsere Umwelt zu erhalten und gleichzeitig die fruchtbaren Böden für die Nahrungsmittelproduktion zu sichern.
Schließlich haben landwirtschaftliche Betriebe große Freiflächen, die für Photovoltaikanlagen sehr gut geeignet sind und deren Einsatz die Flächeneffizienz steigern kann. Dann könnte man sogar eine „Doppelernte“ haben: Lebensmittel und Energie.
Die Dürre der vergangenen Sommermonate hat in der deutschen Landwirtschaft zu großen Ernteausfällen geführt. Starkregen und Hitzewellen werden immer häufiger auftreten. Und genau hier kommen die Agri-PVs zum Einsatz.
Stabilisierende Wirkung auf die Ernteerträge
Eine Studie der Universität Hohenheim in Stuttgart zeigt, dass Agri-Photovoltaik dazu beitragen kann, die Auswirkungen von Dürreperioden auf die landwirtschaftliche Produktion von pflanzlichen Nahrungsmitteln abzumildern. Nun haben Forschende vom Fachgebiet Pflanzenökologie der Universität Hohenheim unter Leitung von Jun.-Prof. Dr. Andreas Schweiger bewiesen, dass diese Form der Energieerzeugung noch mehr kann. Normalerweise führt die Beschattung, die bei ausreichender Wasserversorgung zu Ernteausfällen führen kann, bei Dürre jedoch zu einer Steigerung der Erträge. Auch in Europa ist in Zukunft mit längeren Trockenperioden zu rechnen.
„Zwar verringert die Beschattung durch die Photovoltaik-Anlage die Erträge, wenn ausreichend Wasser für das Pflanzenwachstum zur Verfügung steht“, erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Lisa Pataczek in der Pressemitteilung. „Bei Wasserknappheit profitieren die Pflanzen jedoch von der geringeren Verdunstung und damit einem geringeren Wasserverlust: Der Ertrag ist höher als auf den unbeschatteten Flächen.“ Damit hat die Agri-Photovoltaik eine stabilisierende Wirkung auf die Ernteerträge.
Potenzial der Agri-Photovoltaik
Besonderes Potenzial gebe es laut der Forschenden in den trockenheitsanfälligen Regionen der Welt. Dazu gehören unter anderem der Westen der Vereinigten Staaten, das östliche und südliche Afrika, die Arabische Halbinsel, der Nahe Osten, Indien und Australien. „Zudem stellt in den Randgebieten aller großen Wüsten der Welt die Photovoltaik eine Strategie zur Bekämpfung der Wüstenbildung dar“, erklärt Jun.-Prof. Dr. Schweiger. Damit trage die Agri-Photovoltaik nicht nur dazu bei, die Auswirkungen des Klimawandels in bereits als trocken eingestuften Regionen abzuschwächen. „Sie wird vor allem für Regionen von Bedeutung sein, die in Zukunft mit einer zunehmenden Wasserknappheit konfrontiert sein werden, wie zum Beispiel in großen Teilen der Mittelmeerregion.“
Allerdings sei das Potenzial von Region, Pflanzen und verwendetem System abhängig. „So tolerieren die meisten der bislang untersuchten Kulturen eine Beschattung von bis zu 15 Prozent ohne nennenswerte Ertragseinbußen“, erklärt der Experte.
So können beispielsweise Beeren, Obst und Fruchtgemüse von einer Beschattung sogar profitieren. Die Erträge von Futterpflanzen, Blattgemüse, Knollen- und Hackfrüchte sowie der meisten Getreide-Arten können hingegen darunter minimal leiden. Bei Mais, Ackerbohnen, Soja und Lupinen muss man leider selbst bei geringer Beschattung mit starken Ertragseinbußen rechnen.
Das Potenzial dieser Anlagen ist enorm: „Würden die in Deutschland bis 2030 geplanten Freiflächenanlagen von 80.000 Hektar zur Hälfte als hoch aufgeständerte Agri-PV errichtet, könnten damit im Durchschnitt circa 30.000 Terawattstunden Strom jährlich erzeugt werden“, heißt es in der DBV- Pressemitteilung.
„Agri-PV kann zukünftig sicherlich ein wichtiger Baustein für die Energiewende werden. Viele Landwirtinnen und Landwirte sehen in Agri-PV eine gute Möglichkeit, erneuerbare Energien mit Landwirtschaft zu vereinen“, kommentierte Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des DBV.
Weitere Forschungen und Förderungen erforderlich
„Noch fehlt es allerdings an detailliertem, fundiertem Wissen über die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Formen der Agri-Photovoltaik und den Reaktionen der verschiedenen Pflanzen“, weist Lisa Pataczek auf den großen Forschungsbedarf hin. „So beginnen viele Pflanzen im Schatten, das Wachstum des oberirdischen, photosynthetisch aktiven Blattmaterials zu erhöhen. Interessant ist dies zum Beispiel bei Salat, da dieser Teil der Pflanzen von wirtschaftlichem Interesse ist“, erklärt sie. Deshalb seien weitere Forschungen wichtig.
„Da Agri-PV-Anlagen im Außenraum gebaut werden, ist in aller Regel die Aufstellung eines Bebauungsplans durch die örtliche Kommune notwendig. Oft muss hierfür zunächst der Flächennutzungsplan geändert werden. Diese Verfahren nehmen enorm viel Zeit in Anspruch und verzögen damit den Markthochlauf der Agri-PV“, erklärte Prof. Dr. Michael Frey, Professor für Rechts- und Kommunalwissenschaften an der Hochschule Kehl.
Notwendig sei demzufolge eine zielgerichtetere Förderung hoch aufgeständerter Agri-PV und Vereinfachungen der Genehmigungsverfahren für den Bau von Agri-PV-Anlagen. Erforderlich seien vor allem Rahmenbedingungen, die auch kleinere Agri-PV-Anlagen wirtschaftlich attraktiv machen, so dass Landwirtschaftsbetriebe sie selbst betreiben können. Bei kleinen Anlagen können die Betriebe als Eigentümer und Betreiber fungieren. Auch finanziell könnten sie es sich leichter leisten, so dass sie einen einfachen Einstieg in die erneuerbaren Energien vollziehen.
Angefangen mit kleineren Anlagen, kann man den Ausbau von erneuerbaren Energien voranbringen. Laut EEG besteht für große, hoch aufgeständerte Agri-PV-Anlagen zukünftig zusätzlich ein Anspruch auf eine Prämie in Höhe von 1,2 Cent pro Kilowattstunde, um die Mehrkosten für die aufwändigere Unterkonstruktion zu berücksichtigen.
Allerdings sei zweifelshaft, „ob die Höhe der Technologieprämie auskömmlich für einen nennenswerten Ausbau hoch aufgeständerter Anlagen ist. Durch einen zu hohen Kostendruck können Innovationen und Vielfalt beim Markthochlauf verhindert und die landwirtschaftliche Produktion aus dem Auge verloren gehen. Vor allem stark gestiegene Stahlpreise erhöhten in den letzten Jahren die Kosten für die Aufständerung“, heißt es im gemeinsamen Statement. Von daher sei eine starre Prämie effizienter, damit mehr Anlagen aufgestellt werden.
Welche Vorteile gibt es durch den Einsatz einer Agri-PV-Anlage?
- Die PV-Modulreihen der Agri-PV Anlagen bzw. die Teilüberdachung können Anbaukulturen gut vor extremen Wetterereignissen schützen – sei es der Hagel, zu hohe Sonneneinstrahlung oder zu hohe Verdunstung von Wasser aus den Pflanzen und den Bodenoberflächen.
- Jede Agri-Photovoltaikanlage kann individuell und flexibel angepasst werden, vor allem an die Größe der Fläche und die angebauten Pflanzen.
- Landwirtschaftliche Technik kann unter Photovoltaikmodulen eingesetzt werden
Solarstromerzeugung und Tierhaltung: Die schrägstehenden Solaranlagen bieten Wetterschutz für Nutztiere. - Die Solarmodule können den Strom für eine vollautomatische Lüftung und Klimatisierung liefern
Ob der Strom vom Acker die Energiekrise noch stoppen kann, wird sich zeigen. Es ist aber nicht wegzudiskutieren, dass der Einsatz von Agri-Photovoltaik einen wesentlichen Beitrag leisten kann, um die Energiekrise wenigstens auszubremsen und die Flächeneffizienz in Agrarbereich deutlich zu steigern.
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