Mit Betonkugeln Energie speichern
Das Fraunhofer-Institut hat eine Technologie entwickelt, die es ermöglicht, Strom mithilfe von hohlen Betonkugeln in der Tiefsee zu speichern.
Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE hat einen Energiespeicher für den Meeresboden entwickelt, der wie ein Pumpspeicherkraftwerk funktioniert. Nach einem erfolgreichen Testlauf eines kleinen Modells im Bodensee planen die Forschenden nun gemeinsam mit Partnern einen größeren Test vor der Küste Kaliforniens. In etwa 500 bis 600 Metern Tiefe soll eine hohle Betonkugel mit neun Metern Durchmesser und 400 Tonnen Gewicht verankert werden. Die Kugel wird aufgeladen, indem Wasser herausgepumpt wird. Wenn Wasser wieder hinein strömt, wird Strom erzeugt. Der Prototyp hat eine Leistung von 0,5 Megawatt und eine Kapazität von 0,4 Megawattstunden.
Stored Energy in the Sea
Beim Projekt arbeitet das Fraunhofer IEE mit zwei Partnern zusammen: dem US-Start-up Sperra, das auf 3D-Betondruck für erneuerbare Energien spezialisiert ist, und dem Unternehmen Pleuger Industries. Pleuger, mit Hauptsitz in Miami, ist einer der weltweit führenden Hersteller von Unterwasser-Motorpumpen, die eine zentrale Rolle im StEnSea-Kugelspeicher spielen. (Die Technologie wird, basierend auf dem gleichnamigen Forschungsprojekt, ebenfalls als „StEnSea“-System (Stored Energy in the Sea) bezeichnet.)
„Für das Speichern von Strom über mehrere Stunden bis einige Tage hinweg eignen sich Pumpspeicher-Kraftwerke besonders gut. Allerdings ist deren Ausbaupotenzial weltweit stark begrenzt. Daher übertragen wir ihr Funktionsprinzip auf den Meeresgrund – die naturräumlichen und ökologischen Restriktionen sind dort weit geringer. Zudem dürfte die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger deutlich höher sein“, sagt Dr. Bernhard Ernst, Senior Projekt Manager beim Fraunhofer IEE.
Die Partner haben ein Gebiet nahe der Küste vor Long Beach bei Los Angeles als Standort für den Energiespeicher gewählt und planen, ihn bis Ende 2026 in Betrieb zu nehmen. Das Projekt wird mit etwa 3,4 Millionen Euro vom deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie rund vier Millionen US-Dollar vom US-amerikanischen Energieministerium gefördert.
Funktionsprinzip der Betonkugel
Sperra wird die Betonkugel in Long Beach mit 3D-Druck und möglicherweise zusätzlichem klassischem Betonbau herstellen. Oben erhält die Kugel eine Öffnung, in die ein Rohr mit einer Unterwasser-Motorpumpe, auch Pumpturbine genannt, eingesetzt wird.
Das StEnSea-System besteht, wie bereits erwähnt, aus einer hohlen Betonkugel, die als Speicher dient, und einer technischen Einheit, die die Pumpenturbine, ein regulierbares Ventil sowie die Mess-, Steuer- und Regeltechnik (MSR) umfasst. Diese technische Einheit kann aus der Betonkugel am Meeresboden herausgenommen werden, um Wartungen oder Reparaturen an Land durchzuführen, bevor sie wieder eingesetzt wird. Eine leere Kugel entspricht einer voll aufgeladenen Speichereinheit. Um den Speicher zu entladen, wird das Ventil geöffnet, und Wasser strömt durch die Pumpturbine in die Kugel. Das einfließende Wasser treibt die Turbine an, die dann Strom ins Netz einspeist. Zum Aufladen der Kugel wird sie gegen den Wasserdruck leer gepumpt, wobei die benötigte Energie aus dem Stromnetz stammt.
Ideale Wassertiefe von 600 bis 800 Metern
Die Kapazität und Leistung der Kugelspeicher hängen vor allem von zwei Faktoren ab: dem Volumen der Kugeln und dem Wasserdruck in der jeweiligen Tiefe. Fachleute des Fraunhofer IEE haben berechnet, dass Wassertiefen von 600 bis 800 Metern wirtschaftlich ideal sind. In diesen Tiefen ergibt sich ein optimales Verhältnis zwischen Druck, Kugelgewicht und Wandstärke. Zudem können hier herkömmliche Unterwasser-Motorpumpen verwendet werden, ohne dass hochfester Spezialbeton nötig ist.
Eine GIS-Analyse der küstennahen Meeresgebiete zeigt, dass es weltweit zahlreiche geeignete Standorte für StEnSea-Kugelspeicher in der erforderlichen Wassertiefe gibt. Die Fachleute des Fraunhofer IEE haben dabei Faktoren wie Bodenneigung, Strömung, Sedimentbewegungen und die Entfernung zum Land berücksichtigt. Vor der Küste von Ländern wie Norwegen, Portugal, den USA, Brasilien und Japan könnten viele dieser Speicher installiert werden. Auch tiefe natürliche oder künstliche Seen, wie geflutete Tagebaue, eignen sich gut für diese Technologie.
Kosteneffiziente Speichermöglichkeiten
Die Fraunhofer-Forschenden schätzen das weltweite Speicherpotenzial der StEnSea-Technologie auf 817.000 Gigawattstunden. Allein an den zehn besten europäischen Standorten wären es etwa 166.000 Gigawattstunden. Zum Vergleich: Die gesamte Kapazität der deutschen Pumpspeicherkraftwerke an Land liegt bei knapp 40 Gigawattstunden.
Die Speicherkosten veranschlagt das Fraunhofer IEE auf etwa 4,6 Cent pro Kilowattstunde, die Investitionskosten auf 1.354 Euro pro Kilowatt Leistung und 158 Euro pro Kilowattstunde Kapazität. Die Betonkugeln halten 50 bis 60 Jahre; Pumpturbine und Generator müssen etwa alle 20 Jahre ausgetauscht werden. Die Effizienz über einen vollständigen Lade- und Entladezyklus liegt bei 75 bis 80 % und ist damit etwas geringer als bei klassischen Pumpspeicherkraftwerken. Diese Berechnungen basieren auf einem Speicherpark mit sechs Kugeln, einer Gesamtleistung von 30 Megawatt, einer Kapazität von 120 Megawattstunden und rund 520 Ladezyklen pro Jahr.
Wo können die StEnSea-Kugelspeicher eingesetzt werden?
Die StEnSea-Kugelspeicher sind besonders gut für zwei Einsatzbereiche geeignet: Erstens für das Arbitragegeschäft, bei dem Strom günstig eingekauft und bei höheren Preisen verkauft wird, und zweitens für die Bereitstellung von Regelreserve, die Netzbetreibern hilft, das Stromnetz stabil zu halten.
Nach dem erfolgreichen Test im Bodensee möchten die Fachleute nun die Anwendung der Technik in großer Wassertiefe unter Offshore-Bedingungen erproben. Das Ziel des neuen Projekts ist es, alle Schritte von der Herstellung über die Installation bis hin zum Betrieb und zur Wartung einer Kugel mit einem Durchmesser von 30 Metern zu untersuchen und zu bewerten. So wollen sie herausfinden, ob und wie die in diesem Projekt entwickelten Lösungen auf eine 30-Meter-Kugel angewendet werden können.
„Mit der globalen Energiewende wird der Speicherbedarf in den nächsten Jahren enorm zunehmen“, erklärt Bernhard Ernst vom Fraunhofer IEE in einer Pressemitteilung. „Mit dem StEnSea-Kugelspeicher haben wir eine kostengünstige Technologie entwickelt, die sich vor allem für das Speichern über kurze bis mittlere Zeiträume bestens eignet. Mit dem Testlauf vor der US-Küste machen wir einen großen Schritt zur Skalierung und Kommerzialisierung dieses Speicherkonzeptes.“
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