Mit diesem neuen Modell lassen sich Windparks optimieren
Einem Forscherteam ist es gelungen, eine rund 100 Jahre alte Formel zu verbessern. Dank ihrer neuen Theorie sind nun präzisere Vorhersagen in punkto Leistung und Ertrag möglich. Das könnte auch positive Auswirkungen auf den Entwurf von Rotorblättern haben, was die Effizienz von Windparks steigern könnte.
Forschende des MIT haben eine Theorie entwickelt, die den Entwurf und Betrieb von Windparks grundlegend verändern könnte. Mit dem neu konzipierten Modell zur Rotor-Aerodynamik ließe sich die Gestaltung von Turbinenblättern und die Steuerung von Windkraftanlagen erheblich verbessern. Bislang basierte die Konstruktion von Propellern und Windturbinen auf über hundert Jahre alten mathematischen Prinzipien.
Wie sich allerdings herausstellte, erwiesen sich diese Formeln in vielen Situationen als unzureichend. Deshalb fügten die Forschenden empirisch ermittelte Ad-hoc-Korrekturfaktoren hinzu. Das innovative Modell der MIT-Ingenieure stellt nun präzise die Luftströmung um die Rotoren dar – sogar selbst unter extremen Bedingungen wie hohen Kräften, Geschwindigkeiten oder spezifischen Neigungswinkeln. Diese Erkenntnisse könnten nicht nur die Rotorgestaltung revolutionieren, sondern auch die Planung und den Betrieb von Windparks optimieren.
Sonne und Wind konkurrenzlos günstig
Die Forschungsergebnisse stammen von einem Team um Michael Howland, Assistant Professor am MIT. „Mit dieser Theorie können die Kräfte, Strömungsgeschwindigkeiten und die Leistung eines Rotors bestimmt werden, unabhängig davon, ob der Rotor Energie aus dem Luftstrom gewinnt, wie bei einer Windturbine, oder ob er der Strömung Energie zuführt, wie bei einem Schiffs- oder Flugzeugpropeller“, erläutert Howland. Das mathematische Modell eröffnet unmittelbare Anwendungsmöglichkeiten, insbesondere für Betreiber von Windparks. Es ermöglicht eine effiziente Optimierung verschiedener Parameter in Echtzeit – zum Beispiel Turbinenausrichtung, Rotordrehzahl und Blattwinkel, um die Leistungsabgabe zu maximieren und gleichzeitig Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen.
Grenzen der ursprünglichen Formel für Windenergie entdeckt
Die bisherige Impulstheorie, die die Wechselwirkung zwischen Rotoren und ihrer Umgebung beschreibt, stammt aus dem späten 19. Jahrhundert. Sie erlaubte Ingenieurinnen und Ingenieuren, die maximale Leistung einer bestimmten Rotorkonstruktion zu berechnen oder die erforderliche Leistung für eine gewünschte Antriebskraft bei Propellern zu ermitteln. Auf dieser Grundlage definierte der Physiker Albert Betz 1920 die theoretische Obergrenze für die Energiegewinnung aus Wind, die sogenannte Betz-Grenze von 59,3 Prozent der kinetischen Windenergie. Allerdings zeigten sich bald die Grenzen dieser Theorie, vor allem bei höheren Kräften, schnelleren Blattdrehzahlen oder veränderten Blattwinkeln. Die Theorie besagt, dass die Kraft ab einer bestimmten Rotationsgeschwindigkeit oder einem bestimmten Rotorblattwinkel abnehmen sollte. Doch Testreihen zeigten das Gegenteil: Die Kraft nahm weiter zu. „Die Theorie ist also nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ falsch“, sagt Howland.
Das neue Modell des MIT-Teams berücksichtigt die komplexen Wechselwirkungen zwischen Luftströmung und Turbinen, die in realen Windparks auftreten. Die Forschenden erkannten, dass die ursprüngliche Annahme eines schnellen Druckausgleichs hinter dem Rotor bei zunehmender Schubkraft immer ungenauer wird. Besonders relevant ist dies nahe der Betz-Grenze, dem angestrebten Betriebsbereich für Turbinen. „Wir haben also die Vorhersage von Betz, wo wir die Turbinen betreiben sollten, und innerhalb von zehn Prozent dieses Betriebssollwertes, der unserer Meinung nach die Leistung maximiert, verschlechtert sich die Theorie völlig und funktioniert nicht“, erläutert Howland. Das Team entwickelte deshalb noch einen weiteren Ansatz, um die eindimensionale Modellierung der ursprünglichen Formel zu überwinden, indem sie Gleichungen zur Vorhersage des Auftriebs dreidimensionaler Flügel integrierten.
Bessere Aerodynamik machen Windparks effizienter
Das neu entwickelte einheitliche Impulsmodell des MIT-Teams führt zu einer Neubewertung des Betz-Grenzwerts. Es zeigt, dass es möglich ist, etwas mehr Leistung zu erzielen. Es handelt sich also nicht um eine signifikante Änderung, und trotzdem wird der Betz-Grenzwert, der seit hundert Jahren als Faustregel gilt, aufgrund der neuen Theorie tatsächlich geändert. Das Modell liefert zudem Einblicke, wie die Leistung von Turbinen maximiert werden kann, die nicht optimal zum Luftstrom ausgerichtet sind – ein Aspekt, der sich mit dem ursprünglichen Betz-Grenzwert nicht erklären ließ.
Die praktische Anwendung dieser Erkenntnisse erfordert keine Änderungen an den bestehenden Komponenten der Windparks. Das neue Modell ermöglicht nun eine präzisere Vorhersage der Leistungsabgabe einer Turbine bei Veränderungen wie dem Winkel zum Wind. „Mit unserer Theorie kann man zum ersten Mal direkt und ohne empirische Korrekturen sagen, wie man eine Windkraftanlage betreiben sollte, um ihre Leistung zu maximieren“, erklärt Howland. Darüber hinaus lassen sich die Erkenntnisse auch bei Propellern von Flugzeugen und Schiffen sowie hydrokinetische Turbinen einsetzen. Das System steht als Open-Source-Software zur Verfügung und soll die Windenergieforschung voranbringen, um die notwendige Kapazität und Zuverlässigkeit zur Bekämpfung des Klimawandels zu entwickeln.
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