Mit Schmutz betriebene Brennstoffzelle soll ewig laufen
Ein Forscherteam unter Leitung der Northwestern University in den USA hat eine neue Brennstoffzelle entwickelt, die die Energie von im Boden lebenden Mikroben gewinnt.
Eine innovative Technologie, kaum größer als ein Taschenbuch, nutzt Bodenmikroben zur Energiegewinnung und versorgt damit Sensoren sowie Kommunikationsgeräte. Das neue System könnte eine nachhaltige Energielösung für unterirdische Sensoren in Bereichen wie Präzisionslandwirtschaft und grüner Infrastruktur bieten. Im Gegensatz zu Batterien, die schädliche Chemikalien enthalten, Risiken wie Bodenkontamination mit sich bringen und zur Elektronikmüll-Problematik beitragen, könnte diese Technologie zu einer umweltfreundlichen und erneuerbaren Alternative werden. Zumindest für Anwendungen, die keine große Mengen an Strom benötigen.
Wie funktioniert die mikrobielle Brennstoffzelle?
Mikrobielle Brennstoffzellen (MFC=microbial fuel cell) sind bereits seit 1911 bekannt, also keine ganz neue Erfindung. Sie funktionieren ähnlich wie Batterien und bestehen aus Anode, Kathode und Elektrolyt. Sie verwenden jedoch keine Chemikalien zur Energieerzeugung. Stattdessen erzeugen MFCs Strom, indem Bakterien Elektronen an nahe gelegene Leiter abgeben. Der Elektronenfluss von der Anode zur Kathode bildet einen Stromkreis.
Bei dem untersuchten Vorgang wird lediglich der im Boden vorhandene Kohlenstoff (als Brennstoff eignet sich fast jedes organische Material) verbraucht. Für eine effektive Funktion benötigten die ersten MFCs jedoch eine stetige Versorgung mit Feuchtigkeit und Sauerstoff. Damit die Brennstoffzellen ewig laufen, musste demnach ständig für Nachschub gesorgt werden. In Kläranlagen werden MFCs zum Beispiel als Biosensor verwendet, um die Konzentration organischer Substrate zu messen.
„Obwohl es MFCs als Konzept schon seit mehr als einem Jahrhundert gibt, haben ihre unzuverlässige Leistung und ihre geringe Ausgangsleistung die Bemühungen um eine praktische Nutzung verhindert, insbesondere unter feuchtigkeitsarmen Bedingungen“, sagte Forschungsleiter Bill Yen, der gerade an der Stanford-Universität an seinem Doktortitel arbeitet.
So meisterte das Forschungsteam die Herausforderungen
Damit die Brennstoffzellen ständig mit Sauerstoff und Wasser versorgt wurden, brauchte es das richtige Design, das sich von der ursprünglichen Erdbatterie unterscheiden musste. Insgesamt wurden vier Varianten getestet. Das optimierte Design ähnelt einer Patrone, die vertikal auf einer horizontalen Basis platziert ist.
Der untere Teil reicht tief in den Boden, um Feuchtigkeit aus tieferen Schichten zu absorbieren. Der obere Teil liegt flach auf der Erdoberfläche und ist durch einen Lufteinlass mit der Atmosphäre verbunden, der die Zellen mit Sauerstoff versorgt. Eine Abdeckung schützt vor Schmutzeintritt. Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Schutz der MFC bei Überschwemmungen gewidmet: Ein Teil der Kathode ist mit einem wasserabweisenden Material beschichtet, sodass Sauerstoff auch bei Wassereinwirkung zugeführt wird.
In einem Praxistest versorgte die Brennstoffzelle Sensoren mit Strom. Die Sensoren messen zum Beispiel die Bodenfeuchtigkeit registrieren Bewegungen – was sich ideal zur Beobachtung von Tieren eignen würde. Die Forscher integrierten zudem eine kleine Antenne in den Sensor, wodurch dieser mittels reflektierter Hochfrequenzsignale drahtlos mit einer Basisstation kommunizieren kann.
Zelle erzeugte 68-mal mehr Strom als für die Sensoren nötig
Das Forschungsteam testete die neue Technologie, um Feuchtigkeit, Nährstoffe und Schadstoffe im Boden zu überwachen. Das Ergebnis: MFC-Batterie produzierte im Schnitt 68-mal mehr Strom als für den Betrieb der Sensoren und die Übermittlung der Daten nötig. Interessant zudem: Die Brennstoffzelle funktionierte nicht nur unter nassen, sondern auch bei trockenen Bedingungen. Anders als die ursprüngliche Erdbatterie aus dem Jahr 1911.
Außerdem übertraf die Leistung laut Forschungsteam auch ähnliche Technologien um 120 Prozent. Yen erläutert: „Auf der Suche nach Lösungen haben wir uns mikrobielle Brennstoffzellen im Boden angeschaut, die mit Hilfe spezieller Mikroben den Boden aufschließen und diese geringe Energiemenge zum Betrieb von Sensoren nutzen. Solange es im Boden organischen Kohlenstoff gibt, den die Mikroben abbauen können, kann die Brennstoffzelle potenziell ewig halten“.
Ideal für Anwendungen mit geringem Stromverbrauch
In jüngerer Vergangenheit setzen Landwirte auf der ganzen Welt verstärkt auf Präzisionslandwirtschaft, um ihre Ernteerträge zu steigern. Dieser Ansatz nutzt technologische Lösungen, die Bodenfeuchtigkeit, Nährstoffgehalt und Schadstoffbelastung präzise erfassen. Diese Daten ermöglichen fundierte Entscheidungen, die die Gesundheit der Pflanzen fördern. Dafür ist ein umfangreiches Netzwerk elektronischer Sensoren notwendig, die kontinuierlich Umweltdaten sammeln. Die neuen Erdbatterien könnten die ideale Lösung für diese Anwendung sein.
George Wells von der Northwestern University ergänzt: „Diese Mikroben sind allgegenwärtig; sie leben bereits überall im Boden. Wir können sehr einfache technische Systeme verwenden, um ihre Elektrizität einzufangen. Wir werden nicht ganze Städte mit dieser Energie versorgen können. Aber wir können winzige Mengen an Energie einfangen, um praktische Anwendungen mit geringem Stromverbrauch zu betreiben“.
„Wenn man einen Sensor in der freien Natur, auf einem Bauernhof oder in einem Feuchtgebiet einsetzen möchte, ist man gezwungen, eine Batterie einzusetzen oder Solarenergie zu nutzen“, ergänzt Yen. „Solarmodule funktionieren nicht gut in schmutzigen Umgebungen, weil sie mit Schmutz bedeckt werden, nicht funktionieren, wenn die Sonne nicht scheint, und viel Platz benötigen. Batterien sind ebenfalls eine Herausforderung, weil sie nicht genügend Strom liefern. Die Landwirte werden nicht um einen 100-Hektar-Betrieb herumgehen, um regelmäßig die Batterien auszutauschen oder die Solarzellen abzustauben“.
Komponenten der MFC-Zelle in jedem Baumarkt erhältlich
Die Forscher sagen, dass alle Komponenten für ihre bodenbasierte MFC in einem örtlichen Baumarkt erhältlich sind. Als Nächstes planen sie die Entwicklung einer bodenbasierten MFC, die aus vollständig biologisch abbaubaren Materialien besteht. Bei beiden Entwürfen werden komplizierte Lieferketten umgangen und die Verwendung von Konfliktmineralien vermieden.
„Mit der COVID-19-Pandemie wurde uns allen bewusst, wie eine Krise die globale Lieferkette für Elektronik unterbrechen kann“, sagte Studienmitautor Josiah Hester, ein ehemaliges Fakultätsmitglied der Northwestern University, das jetzt am Georgia Institute of Technology arbeitet. „Wir wollen Geräte bauen, die lokale Versorgungsketten und kostengünstige Materialien nutzen, damit Computer für alle Gemeinschaften zugänglich sind“.
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