„Mittelfristig gewinnt aktives Energiemanagement an Bedeutung“
Im Zuge fortschreitender Liberalisierung und Dezentralisierung des Strommarktes steigt der Bedarf an Lösungen zur Energieversorgungsqualität. Das bekräftigt Horst J. Kayser, Vorstandsvorsitzender der AEG Power Solutions, im Gespräch mit VDI nachrichten. Über den Einsatz unterbrechungsfreier Stromversorgungen (USV) hinaus gehe der Trend dabei zum aktiven Management des Energieverbrauchs.
VDI nachrichten: Herr Kayser, können Sie heute einem Unternehmen empfehlen, sich bei der Stromversorgung ganz auf den Energieversorger vor Ort zu verlassen?
Kayser: Grundsätzlich ist die Stromversorgungsqualität in Westeuropa und hier besonders in Deutschland doch sehr hoch. Für kritische, vielleicht sogar sicherheitsrelevante Unternehmensprozesse ist eine Lösung zur unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) jedoch unbedingt erforderlich. Im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes hat das Thema Stromqualität mit Spannungseinbrüchen und Störungen im Stromnetz an Bedeutung gewonnen.
Zum Einfluss durch die Liberalisierung kommt jetzt die Dezentralisierung hinzu. Müsste dies die Stromkunden nicht wachrütteln?
Ja. Denn der Kunde wird zunehmend in die Stromversorgung integriert, Stichwort Smart Grid. Dies ist auch für ihn eine neue Herausforderung – aber auch eine Chance. Hier sehe ich unser Unternehmen in der Rolle, besonders Industriebetriebe als aktive, emanzipierte Marktpartner zu ertüchtigen. Ziel ist eine einerseits sichere und stabile sowie andererseits auch wirtschaftliche Stromversorgung.
Dazu werden immer mehr Betriebe ein aktives Management ihres Energieverbrauchs einführen. Dazu zählen dann auch die Pufferung und Speicherung von Energie sowie die eigene Stromerzeugung, zum Beispiel durch Photovoltaik, Windturbinen oder Blockheizkraftwerke. Wir sprechen hier von Smart Micro Grids.
Wer ist der typische Ansprechpartner für den Stromkunden?
Hier werden sich die Strukturen noch entwickeln. Derzeit ist sicher noch der Stromversorger Ansprechpartner in Bezug auf optionale Tarifstrukturen. Doch technische Problemlöser wie AEG Power Solutions werden hier eine zunehmende Rolle spielen. Wir können produktionsübergreifende, kundenspezifische Energiemanagementlösungen für ganze Standorte liefern. Der Markt steht erst am Anfang der Entwicklung.
Die Durchdringung im Energiesektor mit Informations- und Kommunikationstechnik steigt. Sind dadurch nicht auch kleine mittelständische Unternehmen aufgerufen, sich um ihre Stromversorgung Gedanken zu machen?
Die Absicherung unternehmenskritischer Prozesse vor dem Hintergrund aufkommender Instabilität in der Stromversorgung ist nach wie vor ein wichtiges Thema. Selbst klassische Kundengruppen wie Rechenzentren bieten hier noch Wachstumschancen.
Große Bedeutung nimmt auch die Absicherung der Leit- und Sicherheitstechnik ein, von Plattformen zur Öl- und Gasgewinnung über den Schienenverkehr bis hin zu Kraftwerken, auch Kernkraftwerken. An Bedeutung gewinnen aber auch neue Anwender, wie Krankenhäuser.
Sind die potenziellen Anwender nicht sensibilisiert genug?
Leider bedarf es zumeist erst eines Stromausfalls, um das Bewusstsein zu wecken, sowohl seine kritischen Prozesse als auch seine Datenbestände oder seine anwenderorientierten EDV-Strukturen zu sichern. Das Bewusstsein wächst leider nur schrittweise.
Das heißt, es muss erst wieder ein Transformator ausfallen, bis der Kunde zu Ihnen kommt?
Das Problem ist die Bewertung einer Investition und die Abwägung von Rendite und Wahrscheinlichkeit eines Schadensfalls. In Zeiten starken Kostendrucks bleibt die Investition dann schon mal auf der Strecke. Im Grunde ist dies wie bei einer Versicherung, nur dass hier der Schaden vermieden wird, der Unternehmensprozess ungestört weiterlaufen kann.
Das Bewusstsein ist also zu gering?
Vielleicht rührt dies daher, dass wir in Deutschland aus einer von hoher Versorgungssicherheit geprägten Vergangenheit kommen. Die Verbraucher zum Beispiel in den USA sind hier anderes gewöhnt. Die Möglichkeit, dass sich dies durch die Liberalisierung und Dezentralisierung ändern wird und auf die Versorgungsqualität kommerzieller Nutzer niederschlägt, muss sich erst noch im Bewusstsein der Stromkunden entwickeln.
Müssten sich nicht auch Haushalte mit dem Thema beschäftigen?
Quasi die Micro-USV für jedermann? Ja. Wir bieten neben großen Industrielösungen auch kompakte USV (unterbrechungsfreie Stromversorgung) an, die im Leistungsspektrum bis zur Absicherung von PC oder Server reichen. Solche Micro-USV sind für Haushalte, aber auch für Selbstständige oder Handwerker interessant.
Schwerpunkt bildet für uns aber der größere Leistungsbereich. Hier geht der Trend zur aktiven Steuerung der eigenen Energiebilanz, bei der die USV mit Verbrauchern und eigenen Stromquellen integriert wird. Teure Strombedarfsspitzen lassen sich so vermeiden. Mittelfristig gewinnt dieses aktive Energiemanagement sogar noch an Bedeutung gegenüber dem Aspekt der reinen Versorgungsqualität.
AEG Power Solutions besitzt eine Lizenz für den Einsatz von USV in Kernkraftwerken. Wird dieser Markt noch dominiert von analoger Technik?
Ja, bedingt durch die langen Lebenszyklen lizenzierter, bewährter Technik. Teilweise wird dies vorgeschrieben, zum Beispiel für kritische Prozesse wie die Brennelementesteuerung. Doch es gibt sogar auch schon wieder einen steigenden Bedarf für Lösungen mit analoger Technik. Dies hat wiederum etwas mit der langjährigen Erprobtheit, der geringen Anfälligkeit, der stabilen Betriebsweise und der hohen Effizienz zu tun.
Bildet die Ersatzteilversorgung dabei keine Probleme?
Einzelne Bauteile oder Produkte werden regelmäßig erneuert oder angepasst. Hier gibt es einen ausreichenden Markt für die Komponenten. Wir können die Ersatzteilversorgung sicherstellen. Bei kritischen Komponenten sind wir zudem für lange Zeit eingedeckt. Der Kraftwerksbetrieb ist von dieser Seite in keiner Weise gefährdet.
Ihre Kernenergiekunden können sich weiter auf Sie verlassen?
Ja, wir bleiben diesem Marktsegment treu. Weltweit wird die Kernenergie sicher noch für lange Zeit zum Energiemix beitragen. Für uns stellt sie international einen Wachstumsmarkt dar. Wir stehen mit Herstellern und Betreibern in engem Kontakt.
Welche Technologietrends zeichnen sich allgemein für die USV ab?
Neben kontinuierlicher Verbesserung der Effizienz und Leistungsfähigkeit zeichnet sich ein Trend zur Modularisierung und internationalen Standardisierung ab. Dies ist auch im Sinne unserer global tätigen Kunden. Bei den Speichermedien gibt es Fortschritte bei den Batterietechnologien. Auf dem Gebiet sind wir als USV-Anbieter, aber nicht als Hersteller tätig. R. DONNERBAUER
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