Neue Art der Solarzelle soll Wasserstoff liefern
Wasserstoff gilt als ein sauberer, ökologisch unbedenklicher Energieträger, denn grüne Pflanzen können ihn mithilfe von Sonnenlicht und Proteinen aus Wasser gewinnen. Das ist Teil der Photosynthese, mit der sie Energie gewinnen. Wissenschaftler arbeiten seit Langem fieberhaft daran, diesen Prozess technisch nachzuahmen, in der Hoffnung, damit auch die industrielle Herstellung nachhaltig zu machen. Langsam kommen sie dem Geheimnis der Natur auf die Spur.
Die Entwicklung von Systemen, die Sonnenlicht mittels künstlicher Photosynthese für die Produktion des Energieträgers Wasserstoff nutzen, ist das weltweite Ziel der Forschung. Eine neue Solarzelle, die dank eines speziellen Halbleiters aus lichtabsorbierenden Eiweißmolekülen und chemisch stabilem Diamant besonders robust ist, lässt dieses Ziel näher rücken. Sie produziert in Wasserumgebung länger Strom, der das Wasser in Sauerstoff und den begehrten Wasserstoff spaltet.
Entwickelt hat die neue Zelle das Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik (IAF) in Freiburg. Seit zwei Jahren erforschen die Wissenschaftler dort die künstliche Photosynthese nach natürlichem Vorbild.
„In den kommenden Jahren wollen wir die großtechnische Umsetzung vorbereiten“, sagt der Physiker Christoph Nebel, am IAF seit 2008 Geschäftsfeldverantwortlicher für die Mikro- und Nanosensoren und Abteilungsleiter der Mikro- und Nanosensorik. Die Innovation könnte ein wichtiger Schritt zu einer umweltfreundlicheren Energieversorgung sein.
Wasserstoff treibt Autos an oder dient als Brennstoff für Kraftwerke. Bisher wird das Element meist durch Elektrolyse, bei der Strom für die Spaltung von Wassermolekülen genutzt wird, oder aus fossilem Erdgas gewonnen. Eine effiziente Gewinnung nach dem Vorbild der Pflanzen könnte diese konventionellen Methoden verdrängen.
Doch bis dahin wartet auf die Forscher noch viel Arbeit. Die künstliche Photosynthese ist komplexer als die Photovoltaik, bei der Solarzellen Licht in Strom umwandeln. Die Sonnenstrahlen müssen bei der künstlichen Photosynthese eingefangen und deren Energie auf einen Katalysator übertragen werden. Auf dessen Oberfläche wird Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten.
Noch klappt das nicht reibungslos: Die als Lichtsammler eingesetzten Proteine bauen sich bei intensiver Sonneneinstrahlung ab. Bisher verwendete Elektroden und Katalysatoren sind teuer und nicht stabil genug. „Es gibt viele interessante Ansätze für die künstliche Photosynthese, aber noch keine serientaugliche Lösung“, sagt Chantu Saha-Möller vom Institut für Organische Chemie der Universität Würzburg.
Die Freiburger IAF-Forscher setzen nun einen Halbleiter ein, dem Strahlung und Wasser weniger anhaben können. „Wir ordnen die Proteine auf Grenzflächen aus Diamant an, der kaum oxidiert und kostengünstig künstlich hergestellt werden kann“, sagt Nebel. Als Lichtwandler benutzen die Wissenschaftler eine spezielle Variante des Proteins Cytochrom-C, das sich in den Mitochondrien, den Zellenkraftwerken, aller Lebewesen findet.
Damit sich die sensiblen Eiweiße wohlfühlen und lange viel Energie liefern, betten die Freiburger sie zwischen Milliarden diamantener Nadeln, die sie im Abstand weniger Nanometer anordnen. Fällt Licht auf die Proteine, übertragen sie Elektronen an die nadelförmige Struktur, an die sie chemisch gebunden sind. Die gut leitende Diamantelektrode ist mit Platin beschichtet. Durchfließt sie Strom, treibt der Platinkatalysator die Wasserstoffproduktion an.
Handtellergroße Wasserstoffkraftwerke hat Nebels Team bereits hergestellt, marktreif ist die Technik wegen der geringen Wasserstoffausbeute aber noch nicht. „Wir liegen erst bei knapp 1 % Effizienz“, sagt Nebel.
Um den Wirkungsgrad zu erhöhen, müssten u. anderem dickere Absorber entwickelt werden, die mehr Strom für die Katalysereaktion liefern. „In Pflanzen erzeugen dreidimensional gestapelte Proteinkomplexe Energie. Wir nutzen bisher nur einzelmolekulare Absorberschichten“, erklärt Nebel.
Bei der Suche nach effizienteren Lichtwandlern können die Freiburger vom EU-geförderten Projekt Matcon (Materials and interfaces for energy conversion and storages) profitieren, an dem das IAF beteiligt ist. Für die Erforschung effizienterer und stabilerer Absorber- und Katalysatormaterialien für wasserspaltende Systeme stehen den acht teilnehmenden Firmen und Instituten bis 2013 2,4 Mio. € zur Verfügung.
Erfolge werden auch außerhalb von Matcon vermeldet: So haben Forscher der Ludwig-Maximilians-Universität München einen Absorber entwickelt, der besonders viel Licht sammeln soll. Sie koppeln natürliche Pigmente an kleine Metallpartikel. Diese Kopplungen erzeugen elektromagnetische Felder. Dadurch soll die Sammelleistung der natürlichen Sonnenantennen um ein Vielfaches verstärkt werden.
Bei der Katalysatorforschung entwickeln sich die Innovationen zurzeit rasch. Viele Materialien auf Metallbasis wie Kobalt, Ruthenium oder Platin eignen sich als Reaktionsbeschleuniger, doch lösen sie sich in salzhaltigen Lösungen auf. Ein französisch-amerikanisches Forscherteam schaffte es, Kobaltoxid mittels spezieller kohlenstofffreier Stoffe, sogenannter Liganden, zu stabilisieren. „Wir fokussieren unsere Arbeit auf einen Katalysator ohne organische Bestandteile, da sich organische Komponenten mit Sauerstoff verknüpfen und sich so selbst zerstören“, sagt Craig Hill, Professor für anorganische Chemie an der Emory University in Atlanta.
Unterdessen entwickelten Chemiker der University of California in Berkeley einen neuen, auf Molybdän basierenden Katalysator, der pro Stunde 8500 Wasserstoffmoleküle pro Katalysatormolekül produzieren soll – mehr als jeder andere Hydrogenspalter bisher.
Den großen Wurf verspricht sich Nebel von Forschern der französischen Kommission für Atomenergie und alternative Energien, kurz CEA (Commissariat à l’énergie atomique et aux énergies alternatives). Sie entwickeln ein Enzym, das sowohl hocheffizient Licht umwandeln als auch Wasserstoff erzeugen kann. Es macht also die bisher einfachen Absorber und anfälligen metallenen Katalysatoren überflüssig.
„Mit einem solchen Protein könnten wir die Reaktionsmechanismen unseres Systems so steigern, dass Wirkungsgrade von bis zu 30 % erreicht werden können“, sagt Nebel. Der Mensch wäre dann viel besser als die Natur: Die Effizienz der Photosynthese bei Pflanzen liegt nur zwischen 0,1 % und 2,5 %.
SASCHA RENTZING
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