Studie zur Energiewende 26.11.2019, 07:00 Uhr

Neue Bewertungsmethodik zeigt den besten Weg zu CO2-Einsparungen

Auch wenn grob bekannt ist, welche Maßnahmen den Kohlendioxid-Ausstoß verringern können, gibt es noch viele unklare Faktoren. Ein Forscherteam hat jetzt Wechselwirkungen und Kosten genauer unter die Lupe genommen und daraus Szenarien entwickelt.

Windräder

Nach Ansicht der Forscher müsste sich die produzierte Leistung an erneuerbaren Energien vervierfachen.

Foto: panthermedia.net/tarczas

Es ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, den Klimawandel zu begrenzen. Schließlich ist der Energieverbrauch sowohl in der Industrie als auch in Privathaushalten hoch. Immer effizienteren Geräten steht eine Ausbreitung von technischen Möglichkeiten oder eine steigende Anzahl an Nutzern gegenüber. Ein gutes Beispiel ist die Autoindustrie, wo trotz des technologischen Fortschritts die Emissionen klimaschädlicher Gase annähernd stabil bleiben, weil mehr Effizienz nur ausgleicht, dass die Fahrzeuge größer werden und die Zahl der Zulassungen steigt. Klar ist daher: Die Energiewende kann nur funktionieren, wenn die Akteure gleichzeitig an verschiedenen Stellschrauben drehen.

Doch welche müssen das sein? Das haben Wissenschaftler der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) gemeinsam mit Kollegen der Technischen Universität München (TUM) untersucht. Ihr Projekt mit dem Titel „Dynamis“ bezieht unter anderem die Kosten für die jeweiligen Maßnahmen mit ein und berücksichtigt Wechselwirkungen mit dem Energiesystem. Entstanden ist daraus das Szenario „fuEL“, das branchenübergreifend aufzeigen soll, wie eine Umwandlung der Energieversorgung am besten gelingen könnte. Gefördert wurde Dynamis durch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und 14 Unternehmenspartner.

Energiewende muss von zwei Seiten angepackt werden

In den vergangenen Jahren stand beim Thema Energiewende vor allem ein Bereich im Vordergrund: die Energieproduktion, also der Ausbau der erneuerbaren Energien wie Photovoltaik und Windkraft. Klar ist jedoch, dass die hochgesteckten Ziele allein auf diese Weise nicht zu erreichen sind. Zusätzlich ist es notwendig, den Energieverbrauch erheblich zu reduzieren. Das darf nach Ansicht der Wissenschaftler jedoch nicht nur viel diskutierte Bereiche wie Industrie und Verkehr betreffen. Denn die sogenannten Endenergiesektoren, wo also die Energie benötigt wird, sind deutlich umfassender: Verkehr, Industrie, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen, private Haushalte.

Wie könnten die jeweilige Handlungsschwerpunkt aussehen? Es stehen grundsätzlich verschiedene Maßnahmen zur Verfügung, unter anderem Elektrifizierung, mehr Energieeffizienz, CO₂-Abscheidung oder der Einsatz von Green Fuels. Die Wissenschaftler wollten für die einzelnen Bereiche ermitteln, welche Aktionen das größte Kohlendioxid-Einsparpotenzial in sich bergen und wie sie hinsichtlich der Kosteneffizienz zu bewerten sind. Dabei war es natürlich notwendig, zahlreiche Wechselwirkungen zu berücksichtigen.

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Neues Modell berücksichtigt dynamische Entwicklungen und Wechselwirkungen

Die Forscher haben im Rahmen von Dynamis daher eine mehrstufige Bewertungsmethodik erarbeitet sowie eine Modelllandschaft. Dabei sind sie über den den klassischen statischen Ansatz hinausgegangen, der in erster Linie die zu erwartende CO₂-Einsparung berücksichtigt. Der erfolgt zwar durchaus (Stufe 1), wird aber durch Berechnungen in der Stufe 2 ergänzt. Hier kommen unterschiedliche Modelle zum Tragen, die dynamische Entwicklungen einbeziehen. Beispielsweise hat bei der Energieeffizienz von Gebäuden die Transformationsgeschwindigkeit eine große Bedeutung. Sie besagt, wie schnell verfügbare Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden. Das ist jedoch wiederum abhängig vom Alter der Gebäude, der Nutzungsdauer und auch von dem Zeitraum, im dem die Technologien üblicherweise eingesetzt werden. Hinzu kommt die Frage, wie stark die Umsetzung einer Maßnahme das Potenzial einer anderen beeinflusst.

Das kann sowohl in positiver wie in negativer Hinsicht passieren. Während beispielsweise moderne Technologien wie Anwendungen im Bereich Smart Home zu einer höheren Energieeffizienz führen, weil sie unter anderem die Heizkosten senken können, gehen sie gleichzeitig mit einer zunehmenden Elektrifizierung Hand in Hand. Ein einfaches Beispiel: Ein Rolladen, der zuvor von Hand geschlossen wurde, wird nun über das System automatisch geöffnet und geschlossen. Die CO₂-Einsparungen, die durch die bessere Energieeffizienz entstehen, werden also durch den zusätzlichen Stromverbrauch ein wenig verringert.

Forscher fordern Anreize für eine schnelle Umsetzung der Maßnahmen

Unterm Strich zeichnen die Wissenschaftler kein sehr optimistisches Bild, beziehungsweise verdeutlichen sie, wie schnell und intensiv ein Umdenken erfolgen müsste – natürlich verbunden mit einer schnellen Umsetzung von Maßnahmen. Zum Beispiel haben die Forscher berechnet, dass Maßnahmen für Wohngebäude, die im Jahr 2050 wirklich greifen sollen, bereits heute geplant werden müssten.

Insgesamt prognostizieren sie, dass die heute installierte Leistung an erneuerbaren Energie bis zum Jahr 2050 mehr als vervierfacht werden müsste. Parallel fordern sie hohe Zahlungen für CO₂-Ausstoß, damit für die Akteure in den Endenergiesektoren ein Anreiz entsteht, schnell Maßnahmen umzusetzen, um Emissionen zu verringern. Das ist aus Sicht der Studienautoren nur realistisch, wenn möglichst umgehend ergänzende Instrumente zur Beratung, Förderung und Finanzierung geschaffen werden.

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Ein Beitrag von:

  • Nicole Lücke

    Nicole Lücke macht Wissenschaftsjournalismus für Forschungszentren und Hochschulen, berichtet von medizinischen Fachkongressen und betreut Kundenmagazine für Energieversorger. Sie ist Gesellschafterin von Content Qualitäten. Ihre Themen: Energie, Technik, Nachhaltigkeit, Medizin/Medizintechnik.

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