Ausbaupläne der EU 21.03.2024, 07:00 Uhr

Offshore-Windparks: je höher die Anlagen, desto besser

Mit mehr Offshore-Windparks will die Europäische Union die Energiewende schaffen. Umweltschutzorganisationen sehen die Stromerzeugung im Meer kritisch. Jetzt zeigt eine Studie: Die Windräder der jüngsten Generation vertragen sich mit dem Ökosystem besser als ihre Vorgänger.

Viel mehr Offshore-Windkraft soll die Energiewende vorantreiben. Die Windräder werden immer höher und stärker.

Viel mehr Offshore-Windkraft soll die Energiewende vorantreiben. Die Windräder werden immer höher und stärker.

Foto: IStock-Fokkebok

Windkraft ist in Deutschland die Nummer Eins unter den erneuerbaren Energien. 2023 wurden 27 Prozent des Bruttostroms mit Windenergie-Anlagen an Land oder auf Gewässern erzeugt. Dabei stammt das Gros aus Onshore-Anlagen, also aus Windkraft, die an Land produziert wird. Wenn es nach der Europäischen Union geht, werden künftig die Windparks im Meer nachziehen – in Deutschland und bei den europäischen Nachbarn. Derzeit stehen in europäischen Gewässern Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 28 Gigawatt. Das entspricht in etwa der von 50 Kernkraftwerken. Bis 2050 soll sich dieses Volumen mehr als verzehnfachen.

Forschende errechnen Einflüsse von Offshore-Windparks der Zukunft

Allerdings ist bekannt, dass Windparks das maritime Leben beeinträchtigen können. Zudem können sich mehrere Windparks gegenseitig ausbremsen. Vor dem Hintergrund der gigantischen Ausbaupläne haben jetzt Forschende des Helmholtz-Zentrums Hereon untersucht, was der Zubau neuer Offshore-Windparks in der Nordsee für ihre Umgebung bedeuten könnte. Dabei kalkulierten sie ein, dass die Anlagen tendenziell immer höher werden – und leistungsstärker.

Die ersten Windräder der 2-Megawatt-Klasse kamen zu Beginn des neuen Jahrtausends auf den Markt. Sie lieferten Strommengen, die dem Bedarf von umgerechnet etwa 3.000 Haushalten entsprach. Heute verfügen die höchsten und stärksten Anlagen über eine installierte Leistung von 15 Megawatt. Bald könnten es sogar 20 Megawatt sein. Was wird das für den Lebensraum Meer bedeuten, und was für benachbarte Windparks?

Im Fachmagazin „Nature Scientific Reports“ ist jetzt die Studie des Hereon-Teams um den Klimaforscher Dr. Naveed Akthar erschienen. Was sie herausgefunden haben, überrascht: Windparks aus 15-Megawatt-Anlagen beeinflussen ihre Umgebung weniger stark als solche aus den deutlich kleineren 5-Megawatt-Anlagen.

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Windparks im Meer: Luftverwirbelung mit Folgen

Das liege, so die Forschenden, unter anderem daran, dass auf einem Quadratkilometer Windparkfläche in Zukunft vergleichsweise wenige 15-Megawatt-Windräder Energie erzeugen werden. Diese Annahme geht auf eine Reglementierung durch die Europäische Union zurück, nachdem für die Meere festgelegt ist, wie viele Megawatt Windkraft-Leistung auf einem Quadratkilometer installiert werden dürfen. Diese Grenze wird mit wenigen der 15-Megawatt-Giganten schnell erreicht sein. Daher werde es in den neuen Offshore-Windparks statt vieler kleiner Windräder wenige große geben, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Damit werden sich die Struktur und Erscheinung der Offshore-Windparks verändern – und ihre Wirkung aufeinander.Durch die Drehbewegung der Rotoren entstehen Luftverwirbelungen, die auf die Umgebung wirken. So treten hinter einem Windpark Turbulenzen auf. Einen großen Nachteil für benachbarte Windparks bedeutet es, dass zugleich die Windgeschwindigkeit abnimmt. Für den „Nachbarn“, der hinter dem anderen liegt, bleibt dadurch eine geringere Stromausbeute übrig.

Auswirkungen auf das maritime Leben

Die Windanlagen beeinflussen zudem die Meeresoberfläche und damit das Ökosystem Meer. Durch Modellrechnungen konnte das Team um Naveed Akhtar bereits vor zwei Jahren zeigen, wie Offshore-Windkraft das Wachstum von Planktonalgen verändert: Hinter einem Windpark war dieses Wachstum um bis zu zehn Prozent geringer als in anderen Meeresabschnitten, so das Ergebnis der Berechnungen.

Auch diese Wirkung auf das maritime Leben lösen der abnehmende Wind und die erhöhte Turbulenz hinter den Windenergieanlagen aus. Die räumlich unterschiedlichen Windfelder in der Nähe der Wasseroberfläche erzeugen Ausgleichsbewegungen im Meer, die zu Vertikaltransporten im Wasser führen, die in der Fachsprache als Up- und Downwelling bezeichnet werden. Sie können die Plankton-Produktion bremsen oder auch verstärken.

Höhere Windräder entlasten Lebensraum

Für ihre aktuelle Studie hat das Hereon-Team erneut Modellrechnungen erstellt. Das Ergebnis: Bei einem Windpark mit 15-Megawatt-Anlagen fallen die Veränderungen des Windfeldes an der Wasseroberfläche geringer aus. Die Forschenden erklärten dies damit, dass die Anlagen weniger dicht zusammen stünden und höher seien. Dadurch kommt der Rotor der Meeresoberfläche nicht so nah wie der Rotor kleinere Anlagen. „Was die Meeresumwelt angeht, sind das gute Nachrichten für den Ausbau der Offshore-Windenergie in den europäischen Gewässern“, folgert Naveed Akhtar.

Auch für die Stromerzeugung selbst seien die größeren Anlagen, die in Zukunft in der Nordsee gebaut werden sollen, ein Vorteil gegenüber dem Ist-Zustand, sagt der Forscher. Windparks mit wenigen hohen Anlagen störten die natürliche Luftströmung weniger als viele kleine Anlagen, die Bremswirkung eines Windparks und die Turbulenzen fielen geringer aus. Naveed Akhtar schätzt, dass sich damit die Stromausbeute in den Windparks in der Summe um zwei bis drei Prozent erhöhen könnte.

Fernwirkung von Windparks: gesamte Nordsee im Blick

In ihren Modellrechnungen berücksichtigten die Forschenden in ihrer Studie die gesamte Nordsee. „Für gewöhnlich wird bei derartigen Berechnungen lediglich der Einfluss einzelner Windräder oder nur eines Windparks berücksichtigt“, sagt Naveed Akhtar. Angesichts des starken Ausbaus in weiten Bereichen der Nordsee müsse man aber das gesamte Gebiet betrachten: „Windparks haben eine Fernwirkung, die 60 bis 70 Kilometer weit reichen kann. Um all das zu erfassen, muss man die ganze Nordsee im Blick haben.“

Ein Beitrag von:

  • Maike Petersen

    Maike Petersen

    Nach dem Geschichtsstudium ließ sich Maike Petersen bei der Deutschen Presseagentur dpa in Hamburg zur Mediendokumentarin in Recherche und Lektorat ausbilden und machte später einer Ausbildung zur Redakteurin an der Journalistenschule Axel Springer. Seit vierzehn Jahren arbeitet sie freiberuflich und gehört zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen:  Medizin und Energie.

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