Pappeln vom Acker lohnen sich als Energiepflanzen
VDI nachrichten, Düsseldorf, 14. 7. 06, mg – Holz vom Acker soll einmal Europas wichtigste nachwachsende Biomasse-Ressource werden. In Brandenburg pflanzt Bauer Martin Wunderlich seit drei Jahren Pappeln an. Bis zu 400 ha Ackerfläche sollen dieses Jahr in dem Bundesland mit den Hölzern bepflanzt werden. Gegenüber Energiepflanzen wie Mais, Gras und Raps brauchen Bäume wenig Pflege. Da die ganze Pflanze – nicht nur ein paar Körner – geerntet wird, ist der Energieertrag höher.
Martin Wunderlich hebt vorsichtig die Triebe der jungen Pappel an, die sich aus dem sandigen Boden herauskämpfen. Zwischen einer alten Allee und einem Stück Wald ragen tausende Stöckchen hervor, an deren Ende sich die ersten maigrünen Sprieße zeigen. „Das meiste ist doch gut angegangen“, sagt Wunderlich und sieht über 1,5 ha Acker hinweg. Was hier so vorsichtig aus dem Boden schaut, soll in drei Jahren als Energieholz vom Acker geerntet werden: Grünes Gold aus dem südlichen Brandenburg.
Wunderlich ist der Vorsitzende der „Güterverwaltung Großthiemig“ an der Grenze von Brandenburg und Sachsen mit 700 Kühen und 1500 ha Ackerland und ständig auf der Suche nach neuen Einkommensquellen. „Schnellwachsende Bäume, das ist gerade ein Thema hier in der Region“, untertreibt Wunderlich.
Denn die feste Biomasse wird im Umweltministerium Brandenburg als wichtigster Energieträger unter den erneuerbaren Energien angesehen. Christian Hohm, Experte im Umweltministerium, hofft auf Energie aus schnellwachsenden Hölzern, die von Land- statt Forstwirten angebaut werden. Bis zu 400 ha Acker sollen in diesem Jahr in Brandenburg mit den Hölzern bepflanzt werden. „Das Ganze ist für die Praxis reif, wir suchen jetzt die Bauern, die das machen“, sagt Hohm.
Das Potenzial gilt als gewaltig: Eine Studie der Europäischen Umwelt Agentur (EEA) in Kopenhagen zeigt, dass auch unter scharfen ökologischen Auflagen bis 2030 schon 142 Mio. t Erdöl von nachwachsendem Holz ersetzt werden können. Mehrjährige Pflanzen wie junge Pappeln oder Weiden werden dabei eine erstaunliche Karriere hinlegen: Während sie heute noch im Experimentierstadium sind, sollen sie 2030 die Hälfte aller Energie vom Acker liefern. Knapp vor Pflanzen wie Mais und Gras für Biogasanlagen sowie Zuckerrüben für die Bioethanolherstellung. Ölsaaten wie Raps für Biodiesel werden dann kaum noch eine Rolle spielen. Der Grund: Bäume brauchen wenig Pflege und da die ganze Pflanze – nicht nur ein paar Körner – geerntet wird, ist der Energieertrag höher.
Martin Wunderlich hat schon 2004 seinen ersten Hektar mit Pappel-Stecklingen bepflanzt. Er ist sich sicher, dass die Energienachfrage steigt: Im Nachbarort Elsterwerda wurde ein 44 MW leistendes Biomasse-Kraftwerk errichtet, das 40 € bis 60 € für 1 t trockenes Holz bezahlt. Und im 80 km entfernten Freiberg läuft die Pilotanlage von Choren Industries, die Holz zu synthetischen Ölen veredeln soll. Wunderlich: „Darum habe ich mich gefragt: Warum sollen wir Flächen stilllegen, wenn wir auch Energie produzieren können?“
Doch dafür müssen die Bauern umdenken. Auf dem Feld werden die Bäumchen im Abstand von 0,5 m in Reihen gepflanzt. Immer zwei Reihen dicht beieinander, dann lässt Wunderlich eine Fahrgasse für die Erntemaschinen frei. 10 000 bis 12 000 Stecklinge kommen so auf 1 ha Fläche. Bei einem Preis von 20 Cent bis 30 Cent je Steckling rechnet Wunderlich mit Kosten von 3000 €. Alle drei Jahre sollen die dann armdicken Bäumchen geerntet werden. Die Wurzeln bleiben im Boden und schlagen im Frühjahr wieder aus. Bepflanzen muss der Bauer seine Plantage also nur einmal.
„Bäume anzubauen ist für die Bauern ungewohnt“, sagt darum Dirk Landgraf, Experte für Rekultivierung am Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften in Finsterwalde. Normalerweise ernten Bauern das, was sie im Frühjahr säen, schon im Herbst. Ihre Kalkulationen gehen meist auf ein Jahr. Bei Bäumen ist das anders: Da müssen sie ihre Investitionen über zwei Jahrzehnte berechnen. So lange lässt sich ein Baum immer wieder zurückschneiden, treibt wieder aus und bringt Erträge. MARCUS FRANKEN
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