Pflanzen und Solarmodule teilen sich auf dem Acker das Sonnenlicht
Solarforscher des Fraunhofer-Instituts installieren am Bodensee eine sogenannte Agrophotovoltaik-Anlage (APV). Sie ermöglicht Photovoltaik und Photosynthese auf demselben Stück Acker: Kartoffeln, Zwiebeln und andere Gemüsesorten teilen sich das Sonnenlicht mit Solarmodulen in bis zu sieben Metern Höhe – und profitieren von der partiellen Beschattung.
Solarstrom aus Freiflächenanlagen ist preiswerter als der aus Dachanlagen, der Marktanteil der Freiflächenanlagen nimmt deswegen weltweit zu. Diese Entwicklung verstärkt jedoch Landnutzungskonflikte zwischen Energie- und Landwirtschaft. Agrophotovoltaik-Systeme, wie sie Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg entwickelt haben, könnten fruchtbare Ackerflächen für Landwirte erhalten und gleichzeitig für Photovoltaik (PV) nutzbar machen. Am Boden gedeiht das Gemüse, darüber wandeln herkömmliche Solarmodule Sonnenlicht in elektrische Energie um.
Pflanzen profitieren von Beschattung
Unter der Federführung des ISE startet in der Modellregion Bodensee-Oberschwaben ein Pilotvorhaben: Im kommenden Jahr soll eine APV-Anlage auf Ackerflächen der Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach installiert werden. Dabei kommen nicht etwa lichtdurchlässige Dünnschicht-Solarmodule zum Einsatz, sondern herkömmliche siliziumbasierte Solarzellen.
Die werfen zwar Schatten, das ist aber nicht schlimm. Im Gegenteil: Forscher des ISE haben herausgefunden, dass bestimmte Nutzpflanzen sogar besser gedeihen, wenn sie partiell beschattet werden – zum Beispiel Spinat, Ackerbohnen und Salate aller Sorten. Wichtig für ein aus landwirtschaftlicher Sicht optimales Wachstum der Pflanzen ist die gleichmäßige Verteilung von ausreichend Licht, wie Projektleiter Stephan Schindele vom Fraunhofer ISE gegenüber ingenieur.de erklärt. „Die Sonne wandert ja und die Schatten dann natürlich auch.“
Optimale Lichternte bei Südost-Ausrichtung
So kommt es in der AVP-Anlage darauf an, die Reihen der Solarmodule so über dem Acker ein- und auszurichten, dass sie bei optimaler Lichtverteilung für die Pflanzen darunter den bestmöglichen Solarstromertrag erzielen. Wie die Wissenschaftler herausgefunden haben, ist statt der Standardausrichtung von Solarmodulen nach Süden in der APV-Anlage eine Ausrichtung nach Südwesten optimal. Eine Ausrichtung nach Südosten sei ebenfalls effektiver als Südausrichtung, informiert Schindele. Morgens bestehe jedoch eher die Gefahr von Nebel, der das Licht der aufgehenden Sonne absorbiert und den Wirkungsgrad der Module herabsetzt.
Als besten Abstand zwischen den Reihen der Solarmodule haben die Forscher das 3,5-Fache der Modulbreite ermittelt. Da die verwendeten Standardmodule einen Meter breit sind, wird also zwischen den Modulreihen ein Abstand von 3,50 Metern eingehalten.
Und schließlich müssen die Module so hoch über dem Boden installiert werden, dass landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge darunter agieren können. „Die Unterkante der ganzen Konstruktion darf deswegen nicht unter fünf Meter kommen“, sagt Schindele.
Rote Beete, Kartoffeln, Zwiebeln, Grüner Klee und später auch Weizen sollen unter der Konstruktion angebaut werden, darunter auch Pflanzen, die bei Beschattung zwar nicht besser, aber auch nicht schlechter gedeihen. Regionen mit Gemüse- und der Feldbau sind potentielle geeignete Einsatzgebiete für APV. „Gemüsebau und Feldbau gibt es eigentlich überall“, erklärt Schindele. Potentielle Interessenten an APV seien aber zum Beispiel auch Hopfenbauer und Winzer, die mit Hilfe von Beschattung ihrer Reben einem unerwünscht hohen Zuckergehalt entgegenwirken könnten.
Beträchtliches Potential in Deutschland
Die erste APV-Anlage am Bodensee soll auf einer vorgesehenen Fläche von etwa 130 Metern Länge und 45 Metern Breite eine Leistung von 190 Kilowatt Peak (kWp) erreichen. Potentiell ist Berechnungen des Fraunhofer ISE zufolge in Deutschland eine APV-Leistung von 430 kWp pro Hektar möglich. Dabei wird das technisch erschließbare APV-Potenzial in Deutschland auf bis zu 50 Gigawatt Peak (GWp) geschätzt.
Zum Vergleich: Ende 2014 waren dem Fraunhofer ISE zufolge in Deutschland rund 39 GWp Photovoltaik Nennleistung installiert, davon etwa 9 GWp auf Acker- und Konversionsflächen. Die Zielvorgabe der Bundesregierung liegt bei 52 GWp installierter PV-Leistung bis zum Jahr 2020. APV könnte einen beträchtlichen Beitrag leisten.
Projektpartner des Fraunhofer ISE, das für den technischen Teil des Modellprojekts zuständig ist, sind die Universität Hohenheim für die agrarwissenschaftliche und ökologische Analyse und das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), das den Living-Lab-Ansatz konzeptioniert und realisiert, also die lokale Bevölkerung und Stakeholder in die Technologieentwicklung einbezieht.
Weitere Projektpartner sind der Energieversorger EWS-Schönau und BayWa sowie die Demeter Hofgemeinschaft Heggelbach, auf deren Ackerflächen die Praxistauglichkeit erforscht werden soll. Der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben unterstützt das Projektvorhaben auf regionaler und kommunaler Ebene. Dem Projektbeirat gehören unter anderem der Bundesverband Solarwirtschaft, der Landesbauernverband in Baden-Württemberg und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg, an.
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