Photovoltaikanlage: Seilzugtechnik soll Solarstromerträge steigern
Direkt neben der ICE-Strecke Nürnberg-Regensburg steht eine besondere Solarstromanlage. Die einzelnen Module dort werden der Sonne einachsig nachgeführt. Dabei lassen sich bis zu 120 Module von nur einem Motor steuern – eine Seilzugtechnik macht dies möglich. 30 % Mehrertrag gegenüber nicht nachführbaren Systemen sollen so erreichbar sein.
Vor wenigen Tagen übergab die Tecnosun Solar Systems AG aus Neumarkt in der Oberpfalz eine 2,2 MW leistende Photovoltaikanlage an die Kunden, drei private Investoren. Das Photovoltaiksystem auf 55 ha Fläche steht direkt neben der ICE-Bahnstrecke Nürnberg-Regensburg im Weiler Köstlbach, einem Ortsteil von Postbauer-Heng.
Erstmals stellt hier das 2010 gegründete Unternehmen die Funktion ihres selbst entwickelten Solarnachführungssystems „Suntracker EcoChamp ST 2000“ in einer Megawatt-Freiflächenanlage unter Beweis. Erprobt wurde das System bislang auf dem Dach der Werkshalle in Neumarkt an einem 30-kW-Testsystem.
Ein Elektromotor treibt bis zu 120 Aluminium-Gestelle der Photovoltaikanlage an
Während in Nachführkonzepten anderer Hersteller meist jedes Gestell ein eigenes Antriebssystem hat, treibt beim ST 2000 ein Elektromotor viele, maximal 120 Aluminium-Gestelle an. Zwei Module oder maximal 3,25 m² Fläche trägt jeder dieser „Tracker“. Daher kann mit dieser Technik bei marktüblichen 240-W- Solarmodulen pro Antriebsstrang eine Photovoltaik-Nennleistung von 57,8 kW der Sonne nachgeführt werden. Damit ist Tecnosun mit an der Spitze weltweit, wenn es um Modulleistung pro Tracker-Antriebseinheit geht. Doch die Vielzahl von Einzelgestellen pro Motor muss tagsüber der Sonne hinterher und nachts wieder in die Ausgangsstellung zurückfahren. Dafür brauchen die Neumarkter viel Mechanik. Im Prospekt steht lapidar: „Antriebsübertragung: Stahlseil.“
In der realen Photovoltaikanlage wird der Betrachter auf den ersten Blick ziemlich verwirrt von einem Mix aus Umlenkrollen, Stahlgestellen und -seilen, Spannschrauben, Elektrokabeltrassen, Erdungsleitungen und Aluminium-Modulrahmen. Mittendrin im jeweiligen Antriebsstrang ist ein massiv wirkender Stellmotor montiert.
Dabei beträgt die Motorleistung tatsächlich gerade mal 60 W optisch eindrucksvoller ist das Stellgetriebe. Etwa alle 5 min bewegt der durch Wettersensor und Kontroll-SPS (SPS: speicherprogrammierbare Steuerung) angesteuerte Motor die Stahlseile ca. 1 s lang. Weshalb Tecnosun-Ingenieure den für die Nachführung benötigten Eigenverbrauch mit gerade 100 kWh/Jahr je Motor angeben. Die bei 44 Antrieben notwendigen 2400 kWh fallen bei dem erwarteten Jahresertrag der Anlage von 3 150 000 kWh mit weniger als einem Promille kaum ins Gewicht.
Solarstromausbeute der Photovoltaikanlage steigt durch Seilzugtechnik um 30 %
Denn auf der anderen Seite der Rechnung steht durch die Einachs-Nachführung der Solarmodule eine erheblich größere Solarstromausbeute: 30 % mehr gegenüber Modulen auf festen Gestellen nennt Tecnosun-Vertriebschef Thomas Vogel als Richtwert. Nach seiner Aussage wurde diese Prognose bereits in der Probephase der Anlage in Postbauer-Heng tatsächlich erreicht. Weshalb das Nachführsystem die Mehrkosten von 15 % gegenüber einer vergleichbaren Festaufständerung wieder mehr als wettmacht, wie Vogel vorrechnet.
In den Wintermonaten wird die Nachführung abgestellt, die etwa 9000 Module in 4500 Einheiten sind dann fest nach Süden ausgerichtet. So könnten Frost oder Schnee die Mechanik nicht behindern, heißt es von Tecnosun. Zumal im sonnenarmen Winter der diffuse Anteil an der Solarstrahlung überwiege und eine Nachführung deshalb ohnehin weniger bringe als im direktstrahlungsreichen Sommer, erklären Herstellervertreter.
Die Wechselrichter der Photovoltaikanlage, die den solaren Gleich- in netzkonformen Wechselstrom umwandeln, sind in offenen Unterständen montiert. So soll gerade im Sommer eine gute Kühlung der Umrichter gewährleistet werden.
Zweiachsiger Sonnenfolger könnte sogar 40 % mehr Solarstrom möglich machen
Auch wenn die Photovoltaikanlage bei Postbauer-Heng das erste Megawattsystem mit Nachführung aus dem Hause Tecnosun ist: Neben dem einachsigen Sonnenfolger hat das Unternehmen bereits ein zweiachsig nachgeführtes Pendant im Programm. Das soll 40 % mehr Solarstrom möglich machen als fest aufgeständerte Module.
Mit dem „ST 3000“ genannten zweiachsigen System zur Modulnachführung wollen die Neumarkter bald „kilometerlange Schallschutzwände an Straßen und Bahnlinien“ bestücken. Das sind aus ihrer Sicht „ungenutzte Flächen, die ideale potenzielle Energielieferflächen mit einer hohen Vergütungsmöglichkeit darstellen“. Ob das auch bei künftigen Versionen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gilt?
Ein Beitrag von: