Windkraft 20.05.2011, 19:53 Uhr

„Regentropfen wirken wie ein Hochdruckreiniger“

Rotorblätter sind die Schlüsselkomponente einer Windkraftanlage. Sie ernten die Energie des Windes und sollen unter Millionen von Lastwechseln 20 Jahre halten. Tatsächlich schleichen sich die meisten Fehler schon in der Produktion ein. Sorge bereiten auch Regentropfen.

Obwohl die Blattbauer mit Längen von über 60 m immer neue Bestmarken erreichen, sind Rotorblätter noch vielfach in Manufaktur hergestellte Unikate. Weit verbreitet ist die Sandwich-Bauweise: In Massen werden dafür glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) eingesetzt. Vereinfacht entsteht ein Rotorblatt für ein Windrad wie folgt: Zunächst werden die Glasgelege in den Formschalen abgelegt und per Injektionsverfahren automatisch mit Harzen getränkt. Dann werden die stabilisierenden Gurte und Stege eingebracht, beide Hälften übereinandergelegt und verklebt. Danach wird die Blattwurzel angeflanscht und das komplette Blatt lackiert.

Dieser Prozess kann nicht nur zu Massetoleranzen innerhalb eines aus drei Blättern bestehenden Satzes führen, der typischerweise an einer Windkraftanlage montiert wird. Er kann auch Fertigungsmängel nach sich ziehen.

Blattschäden rangieren in aktuell verfügbaren Statistiken nur im Mittelfeld, dennoch: „Vier von fünf Fehler sind auf produktionsbedingte Ursachen zurückzuführen. Das betrifft die Verklebung an den Primärstrukturen, die Gurte, die Stege oder das Coating. Das Rotorblatt gehört zwar zu den am meisten beanspruchten Bauteilen, dennoch hat der Kunde Anspruch auf ein mängelfreies Produkt“, urteilte Jürgen Schamo, Rotorblattinspekteur bei Wölfel Beratende Ingenieure. Er gehörte zu den Referenten der Rotorblatt-Konferenz des VDI-Wissensforums Mitte April in Hamburg.

Viel Erfahrung hat auch Konferenzleiter Arno van Wingerde, Chef des Kompetenzzentrums Rotorblatt am Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES). An Testständen für bis zu 70 m lange ganze Blätter beantworteten er und sein Team Herstellern, was ihre Produkte so aushalten.

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Für die statischen und dynamischen Tests zahlen die Kunden ca. 300 000 €. „Ein Drittel der Rotorblätter versagt bei den dynamischen Beanspruchungen. Die Ursache sind Herstellungsfehler, die eigentlich nicht passieren sollten“, erläuterte van Wingerde, der zuvor am niederländischen Knowledge Center Wind Turbine Materials and Constructions war. Dort hat er Bruchtests erlebt: „Das sind spannende Momente für Hersteller, wenn es langsam anfängt zu knistern.“

Am IWES in Bremerhaven gibt noch keine Bruchtests, geprüft werden die konstruktiven Annahmen der Ingenieure: „Wir finden an einem Blatt heraus, ob es funktioniert oder nicht. Das ist zwar ein wichtiger Indikator, lässt aber keine Aussage darüber zu, ob alle Rotorblätter einer Serie auch halten werden. In den Versuchen geht es um den Nachweis der Betriebsfestigkeit, die Lebensdauer und die lasttragenden Eigenschaften“, so der Fachmann.

Die Fehler sind den Produzenten bekannt. Sie wollen durch Automatisierungen Handarbeit und produktionsbedingte Massetoleranzen hinter sich lassen. „Es geht um den Faktor Mensch, einen geringeren Materialaufwand, mehr Qualität und damit um weniger Toleranzen und Reparaturen“, erklärte Nils Ludwig, technischer Leiter der Sinoi GmbH, die Ziele.

Bisher liegt der Automatisierungsanteil durchschnittlich bei 10 %. Eine Erhöhung würde Investitionen bedeuten, könnte aber insgesamt Kosten senken. So wurde an der Universität Bremen in einer Arbeit die Wirtschaftlichkeit solcher Systeme in der Blattfertigung unter die Lupe genommen.

Grundlage der Berechnung war ein Rotorblatt mit einer Länge von 55 m und Kosten von 158 000 €. Danach machen im normalen Verfahren Lohn- und Materialkosten mit 83 % den Löwenanteil aus. Die reinen Lohnaufwendungen betrugen über 65 000 €. Dieser Aufwand ließe sich mit Produktionsumstellungen einsparen. Die wirtschaftliche Obergrenze für Investitionen in eine automatische Ablage der Glasgelege zog Ludwig bei 7 Mio. € und die für mechanische Bearbeitungen bei 10 Mio. €.

Was einfach klingt, ist in der Praxis schwierig. Reine Blattproduzenten produzieren immer mehrere Typen für unterschiedliche Kunden. Ein Roboter, der die Glasgelege automatisch in die Formschalen legt, müsste für mehrere Typen und zukünftige Blattlängen ausgelegt sein, die noch keiner kennt. „Blattserien haben nur Zyklen von drei bis fünf Jahren. Das macht eine Automatisierung sehr schwierig“, schilderte Ludwig. Das IWES baut mit Partnern ein Demonstrationszentrum für die automatisierte Blattfertigung auf. Dafür müsste aber der komplette Konstruktionsbereich umgekrempelt werden. „Ohne die Umstellung auf dreidimensionale CAD-Daten funktioniert es nicht“, sagte Ludwig.

Die Mängel bedeuten zwar nicht, das Rotorblätter regelmäßig ausfallen, dennoch haben die Serviceteams genug Arbeit. Sie inspizieren die Bauteile alle zwei Jahre „Neue Blätter zeigen häufig kleine Mängel und Fehler. Bei älteren machen sich Verklebungsfehler oder schlechte Lackierungen bemerkbar. Bei einigen Serien kommt es schon nach drei bis vier Jahren zu flächenhaften Auskreidungen, weil der Lack nicht UV-beständig war. Solche Schäden sind vor Ort nicht mehr reparabel“, verdeutlichte Stefan Brassel, Leiter des Rotorblattservice bei der Deutschen Windtechnik Rotor und Turm GmbH, einige der Probleme.

Problematisch sind Erosionen durch Regen. Aufgrund der hohen Geschwindigkeiten an der Blattspitze prallen die Tropfen mit ungeheurer Wucht auf, erzeugen eine Schockwelle und sprengen so die Beschichtungen weg. „Das führt wiederum zu Auswaschungen, die bis auf die Klebestruktur reichen und sich fortpflanzen“, so Brassel.

„Die Regentropfen wirken wie ein Hochdruckreiniger“, erläuterte Raimund Wagner von Areva Blades. An Prototypen der M5000 war Areva die Erosion aufgefallen. Deren Rotor erreicht an der Blattspitze Geschwindigkeiten von bis 324 km/h. Helfen soll ein spezielles Klebeband aus Polyurethan, das die Blattnasen schützt. „Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagte Wagner. Das ist aber nur eine Zwischenlösung. Am Werk in Stade wurde ein Teststand gebaut, um verschiedene Erosionsschutzsysteme einem Härtetest zu unterziehen. TORSTEN THOMAS

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