Regenwürmer und Klee schützen vor Hochwasser
Auf die Pore kommt es an. Zumindest wenn es um Hochwasser und die Beschaffenheit des Bodens geht. Je größer sie ist, desto mehr Wasser kann der Boden speichern. Regenwürmer und Pflanzen wie Klee wiederum sorgen für Makroporen und erhöhen damit die Aufnahmefähigkeit des Bodens. Bei starkem Hochwasser kann das darüber entscheiden, ob das Land überschwemmt wird oder nicht.
Die Bilder schockten und gingen um die Welt: Im Frühsommer gingen weite Teile Mitteldeutschlands förmlich unter. Gewaltige Niederschlagsmengen verwandelten harmlose Bäche und Flüsse in reißende Ströme. Ganze Städte wurden überflutet, Bäume und Autos mitgerissen, Straßen und Schienen unterspült. Weil es im Monat davor so ausdauernd vom Himmel geschüttet hatte, reichte die Speicherkapazität der Böden für all das Wasser nicht aus.
Der Boden stellt die Verbindung zum Grundwasser her
„Solche Extremereignisse machen deutlich, welch wichtige Rolle der Wasserkreislauf in unserem Leben spielt“, sagt Juniorprofessorin Dr. Anke Hildebrand von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Eine der wichtigsten Umschlagplätze ist dabei der Boden.“ Er sei das maßgebliche Auffangbecken für Niederschlagswasser und stelle so die Verbindung zum Grundwasser her.
Gravierender Faktor im Wasserhaushalt ist die Porengröße
Der Wasserhaushalt der Böden wird durch die Wechselwirkung von Wasserzufluss zum Beispiel durch Regen und Wasserentzug durch Prozesse wie Abfluss, Versickerung und Verdunstung bestimmt. Ein gravierender Faktor in diesem Prozess ist die Porengröße im Boden. Diese wiederum wird ganz entscheidend von der Art des Pflanzenbewuchses sowie dem Vorkommen von Regenwürmern geprägt. Hildebrand und ihr Team haben im Detail untersucht, wie die natürliche Infiltration – so wird die Aufnahme von Niederschlägen in den Boden bezeichnet – beeinflusst wird. Veröffentlicht hat das Forscherteam seine Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift PLOS ONE.
Gräser wirken sich eher negativ aus
„Vor allem Poren mit einem Durchmesser größer als etwa ein Zehntel Millimeter, auch als Makroporen bezeichnet, sind für den Abfluss des Niederschlagwassers wichtig“, erläutert Hydrologin Anke Hildebrandt.
Es sind bestimmte biologische Faktoren, die bei der Entstehung solcher Poren eine wichtige Rolle spielen. Die Forscher aus Jena fanden heraus, dass sich das Vorkommen von Gräsern eher negativ auf die Entstehung der Makroporen auswirkt. Andererseits begünstigen Leguminosen wie Klee oder Lupinen die Entstehung der großen Poren.
Leguminosen bilden dicke Pfahlwurzeln aus
„Für diesen Effekt sind zu einen direkt die Pflanzenwurzeln verantwortlich“, erklärt Dr. Christine Fischer vom Institut für Geowissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Denn Leguminosen bilden in der Regel dicke Pfahlwurzeln aus. Und diese unterstützen die Bildung von Makroporen. „Gräser haben dagegen sehr feine, verzweigte Wurzeln, die vorhandene Poren eher verschließen und so das Eindringen von Niederschlagswasser verhindern“, sagt Fischer.
Regenwürmer sind oft dort, wo es Klee und Co. gibt
Ein zweiter wichtiger Helfer für die großen Poren sind Lumbricidae, im Erdboden lebende gegliederte Würmer aus der Ordnung der Wenigborster – besser bekannt als Regenwürmer. Denn diese begünstigen durch ihre vielfältigen Aktivitäten im Boden die Porenbildung.
Und Regenwürmer halten sich bevorzugt dort auf, wo es auch Leguminosen gibt. Dieses Verhalten der Regenwürmer verstärkt den Effekt der besseren Aufnahmefähigkeit von Niederschlagswasser zusätzlich.
„Jena-Experiment“ benutzt
Die Wissenschaftler des Instituts für Geowissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Max-Planck-Instituts für Biogeowissenschaften in Jena konnten für ihre Forschung das Jena-Grasland Biodiversitätsexperiment der Friedrich-Schiller-Universität, kurz „Jena-Experiment“ genannt, nutzen. Das Jena-Experiment ist weltweit eine der größten Experimentalflächen zur Biodiversität und besteht schon seit 2002. Vor der Gründung war das Experimentierfeld ein Ackerland, welches zuvor stark gedüngt wurde. Nach der letzten Ernte im Herbst 2000 wurde das Feld gepflügt und dann im Folgejahr komplett brachgehalten. Das Jena-Experiment wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert, die zuletzt im vergangenen Jahr noch einmal sieben Millionen Euro bis zum Jahre 2016 drauflegte.
600 Parzellen mit künstlich zusammengestellten Graslandschaften
Auf dem rund zehn Hektar großen Gelände in den Auen der Saale wachsen hier auf 130 Meter über dem Meeresspiegel in fast 600 kleinen Versuchsparzellen künstlich zusammengestellte Graslandschaften. Das reicht von der reinen Monokultur mit nur jeweils einer Pflanzenart bis hin zur gemischten Wiese aus 60 verschiedenen Gräsern, Kräutern und Leguminosen. Forscher aus der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden und Deutschland untersuchen hier die Auswirkung der Artenvielfalt auf das Pflanzenwachstum.
Die Wissenschaftler um Anke Hildebrand und Christine Fischer nutzten 80 der kleinen Parzellen von jeweils 20 Mal 20 Meter Größe für ihre Untersuchungen. Die Grundstücke wurden zweimal im Jahr gemäht und das Mähgut kurz nach dem Schneiden entfernt. Alle Grundstücke des Experiments wurden regelmäßig gejätet, um die Zielartenzusammensetzung zu erhalten.
Hochwasser erreichte auch die Versuchsparzellen
Das verheerende Hochwasser aus dem Frühsommer des vergangenen Jahres machte auch vor den Feldern des Jena-Experiments nicht halt. Tagelang standen die Beete im Wasser. Professor Nico Eisenhauer vom Institut für Ökologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena leitet die Forschungsgruppe Jena-Experiment. „Ich war zunächst unglaublich geschockt und wir haben uns große Gedanken gemacht“, sagt er. Glücklicherweise seien damals alle Wiesen unversehrt geblieben. „Jetzt können wir das als Störungsereignis einfließen lassen.“ Die Riesenflut wird als Belastungstest betrachtet, „um zu sehen, wie widerstandsfähig Wiesen mit vielen Arten gegenüber den Monokulturen sind“.
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