Materialmangel bedroht Ausbau von Solaranlagen
Ohne technologischen Fortschritt könnte die Energiewende zum Scheitern verurteilt sein. Denn eine Fraunhofer-Studie zeigt: Wenn die Solarenergie wie geplant ausgebaut wird, geht den Herstellern wahrscheinlich das Material aus. Nur Innovationen könnten das auffangen.
Die Pläne zur Energiewende ruhen auf mehreren Säulen. Neben der Windenergie setzt die Bundesregierung in starkem Maße auf Photovoltaik, um die Klimaerwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Aber wäre es wirklich möglich, genug Solaranlagen zu bauen? Das haben sich Forschende vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE gefragt und dazu eine Studie veröffentlicht: Technological learning for resource efficient terawatt scale photovoltaics. Darin kommen sie zu einem wichtigen Ergebnis: Das derzeit hohe Innovationstempo muss unbedingt beibehalten werden. Sonst könnten den Solar-Herstellern irgendwann die Ressourcen ausgehen.
Es werden hundertmal so viele Solaranlagen benötigt wie heute
Ende 2020 waren nach Angaben der Fraunhofer-Experten 707 Gigawatt peak (GWp) an Photovoltaikleistung weltweit installiert. Von dort aus muss es kräftig nach oben gehen. Denn bis zum Jahr 2050 sollten es nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwischen 20 und 80 TWp sein, um den Klimaschutz kosteneffizient umsetzen zu können. Bis zum Jahr 2100 rechnen sie mit 80 bis 170 TWp. Es müssten also hundertmal so viele Solaranlagen in Betrieb genommen werden wie derzeit laufen – mindestens. Wäre das in Bezug auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen überhaupt möglich?
Solarmodul: Warum Käufer auf den Ursprungsort achten sollten
Überraschenderweise wird in der Öffentlichkeit kaum über Ressourcen diskutiert, die jedoch keineswegs unendlich zur Verfügung stünden, beziehungsweise in ausreichendem Maße hergestellt werden könnten. Bei ihren Untersuchungen bezog das Forscherteam auch die Frage ein, wie viel Energie für die Produktion der Solarmodule benötigt würde.
Energiebedarf für den Ausbau der Solaranlagen ist akzeptabel
Zunächst ein Blick auf den Energieverbrauch für die Photovoltaik-Produktion: Die Forschenden rechnen mit einem Emissions-Budget. Das ergibt sich aus der Tatsache, dass der Kohlendioxid-Ausstoß um einen Mindestwert sinken muss, damit das Ziel, die Klimaerwärmung zu begrenzen, in greifbare Nähe rückt. Die Einschätzung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fällt in dieser Hinsicht positiv aus. Zwar würde der Ausbau der Solarenergie Energie kosten, andererseits könnte die Photovoltaik aber auch mehr als die Hälfte des globalen Elektrizitätsbedarfs abdecken.
Auch mit Blick auf die Emissionen lohnt es sich also, die Leistung der Photovoltaik aufzustocken. Die Bilanz fällt natürlich umso besser aus, je effizienter Solaranlagen arbeiten. Gleichzeitig sollte weiter daran geforscht werden, den Energiebedarf für die Produktion zu senken. Nach Aussage der Fraunhofer-Fachleute ist der Energiebedarf für die Herstellung mit dem Bedarf der derzeitigen fossilen Energietechnologien vergleichbar.
Glas für Solarmodule muss erst produziert werden
Aktuell ist Glas ein wichtiges Material für die Photovoltaik-Produktion. Mit einer massiven Aufstockung der Solarenergie würde entsprechend mehr Flachglas benötigt. Das klingt zunächst unproblematisch, da es genug Sand für die Herstellung gibt. Aber die Produktionskapazitäten müssten immens erhöht werden. Das zeigen die Zahlen. Im Jahr 2100 müssten – nach derzeitigem Wissensstand zwischen 12.000 und 22.000 Quadratkilometer Glasfläche für Solarmodule zur Verfügung stehen. In dieser Größenordnung bewegt sich derzeit die weltweite Flachglas-Produktion. Und natürlich ist die Photovoltaik-Branche nicht der einzige Industriezweig, der das Glas benötigt.
Klimaanlagen adé – Smartes Fensterglas ist die Lösung!
Entspannter sieht die Lage schon jetzt beim Material Silber aus. Auf der einen Seite ist die Drucktechnik in den vergangenen Jahren immer besser geworden, sodass weniger Silber für die einzelnen Photovoltaik-Module eingesetzt wird. Auf der anderen Seite ist hier der Forschungsdruck besonders groß, weil Silber teuer ist und die Hersteller seinen Anteil weiter verringern möchten. Die Forschenden gehen daher davon aus, dass die benötigte Menge in einem tragbaren Rahmen bleiben wird. Anders sieht es mit dem seltenen Indium aus. Es wird für transparente leitfähige Oxide in Mehrfachzellen verwendet. Langfristig werden die Ressourcen für die geplanten Solaranlagen vermutlich nicht reichen.
Nur Innovationen können drohende Engpässe bei der PV-Produktion auffangen
Christoph Goldschmidt, Gruppenleiter Neue Solarzellen-Konzepte am Fraunhofer ISE schließt aus diesen Ergebnissen: „Die Entwicklung emissionsarmer Photovoltaik-Technologien sollte Priorität haben, ein rascher Ausbau der Flachglas-Produktionskapazitäten innerhalb der nächsten zehn Jahre ist notwendig und wir brauchen Recyclinganlagen, die die enormen Materialströme bewältigen können. Außerdem müssen wir die Technologien für Tandemsolarzellen in die Industrie übertragen, um die erforderlichen hohen Wirkungsgrade zu erreichen, und der Ersatz von Indium in transparenten leitenden Schichten ist nach wie vor eine Herausforderung.“
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