Chemical Looping 29.10.2021, 07:00 Uhr

Wasserstoff: Forschern gelingt Durchbruch bei Produktion

Wird grüner Wasserstoff jemals massentauglich? Die TU Graz ist davon überzeugt. Zusammen mit einem Start-up hat sie ein neues Verfahren getestet: Grundstoff ist Biogas – und die Herstellung könnte dezentral erfolgen.

Wasserstoff

In unscheinbaren Wasserstoffmolekülen steckt hohes Potenzial für die Energiewende.

Foto: panthermedia.net/ lucifer.lucifer.metal@gmail.com

An der Wasserstoff-Herstellung wird intensiv geforscht, und das hat gute Gründe: Der Energieträger könnte die Energiewende mächtig voranbringen, wenn die Herstellung und spätere Umwandlung in Strom effizient möglich wären. Vorausgesetzt, es handelt sich um grünen Wasserstoff. Die Produktion müsste dafür also ebenfalls über Strom aus regenerativen Quellen erfolgen.

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Um den Wasserstoff transportieren zu können, wird er komprimiert oder verflüssigt. Das ist energieintensiv und teuer. Eine dezentrale Produktion könnte dafür die Lösung sein. Forschende der TU Graz haben gemeinsam mit dem Start-up Rouge H2 Engineering ein Verfahren entwickelt, das alle Probleme auf einmal zu lösen scheint: die sogenannte „Chemical-Looping Hydrogen-Methode“. Zunächst war das die blanke Theorie. Jetzt hat das Verfahren in einer Demonstrationsanlage den Praxistest bestanden.

Weshalb Bioenergie ein Schlüssel zum Erreichen der Klimaziele sein kann

Wasserstoff aus Biogas hat einen extrem hohen Reinheitsgrad

Die Partner haben ihre Technik direkt neben einer Biogasanlage aufgebaut. Dabei ist nach Aussage der Forschenden eine der größten industrienahen Demonstrationsanlagen der Welt entstanden, und sie funktioniert: Sie produziert hochreinen Wasserstoff aus Biogas inklusive aller Verunreinigungen, die im Gas vorhanden sind.

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„Wir zeigen damit, dass ein Chemical-Looping-System in eine bestehende Biogasanlage eingebunden werden kann. Es entsteht hochreiner Wasserstoff für Brennstoffzellen aus realem Biogas, und zwar nicht nur im Labor, sondern tatsächlich im industriellen Maßstab“, sagt Viktor Hacker vom Institut für Chemische Verfahrenstechnik und Umwelttechnik der TU Graz. Grundlage ist echtes Biogas – Methangas aus Schweinegülle, Glycerinphase, Silomais und Getreideresten.

Die 10-Kilowatt-Anlage zweigt dafür automatisch etwa 1% vom Biogas ab und vermischt es mit Wasserdampf. Das Gemisch wird in den Reaktor der Anlage geleitet, wo das Biogas – über Reformierung – zu Synthesegas umgewandelt wird. Dieses Gas reduziert in weiterer Folge Eisenoxid zu Eisen. Im nächsten Schritt leitet das System Wasserdampf in den Reaktor, der das Eisen wieder zu Eisenoxid reoxidiert. Dabei wird Wasserstoff frei – mit einem Reinheitsgrad von 99,99%.

Wasserstoff aus Biogas ließe sich schon jetzt kommerziell produzieren

Dieser Eisen-Wasserdampf-Prozess ist der Schlüssel und erreicht einen Wirkungsgrad von 75%. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler könnten das System nach eigenen Angaben problemlos hochskalieren. Das Rechenbeispiel sieht positiv aus: Würden die gesamten 480 Kubikmeter pro Stunde, die von der Biogasanlage produziert werden, durch eine Chemical-Looping-Anlage laufen, entstünde eine Wasserstoffproduktionsanlage mit einer Leistung von drei Megawatt (MW).

Für die Forschenden ist klar, dass ihre Technologie weit genug entwickelt ist, um kommerziell eingesetzt zu werden. „Wir können auch im großen Maßstab dezentralen Wasserstoff aus realem Biogas herstellen. Alles, was es braucht, ist ein wenig Platz für unsere Anlage. Wir sind daher ab sofort offen für Aufträge aus der Biogasindustrie“, sagt Rouge H2 Projektleiter Gernot Voitic.

Die wird sich aber natürlich nur melden, wenn der produzierte Wasserstoff zu einem akzeptablen Preis verkauft werden kann. Auch in dieser Hinsicht kann Hacker beruhigen: „Derzeit wird Wasserstoff an der Tankstelle mit zehn Euro pro Kilo angeboten. Die techno-ökonomischen Analysen, die Teil unseres Forschungsprojekts sind, prognostizieren für unser Verfahren einen kompetitiven Wasserstoffpreis von fünf Euro pro Kilo für dezentral produzierten Wasserstoff. Damit ist das Verfahren gegenüber anderen Technologien wie zum Beispiel der Elektrolyse konkurrenzfähig.“ Dort lägen die Preise bei fünf bis zwölf Euro pro Kilo Wasserstoff.

Wasserstoff aus Biogas könnte angrenzende Wohnhäuser direkt versorgen

Eine heile Welt können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber noch nicht verkünden, auch wenn ihre Technologie in der Praxis gut funktioniert. Denn irgendwie muss der Wasserstoff ja in die Fläche kommen. Theoretisch wäre es zwar möglich, neben der Chemical-Looping-Anlage direkt eine Wasserstofftankstelle zu installieren. Die braucht auf dem Wasserstoff jedoch einen Druck von 700 bar. Die neue Technologie bringt den Energieträger jedoch nur auf 100 bar. Das weitere Komprimieren würde die Kosten in die Höhe treiben.

Die Forschenden tüfteln daher an Alternativen, etwa an der Abfüllung in Gasflaschen und an der Verlegung von Wasserstoffleitungen zu Wohnhäusern. Die müssten allerdings mit Brennstoffzellen ausgestattet sein, um Wasserstoff für die Stromerzeugung nutzen zu können. Es gibt noch viel zu tun.

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Ein Beitrag von:

  • Nicole Lücke

    Nicole Lücke macht Wissenschaftsjournalismus für Forschungszentren und Hochschulen, berichtet von medizinischen Fachkongressen und betreut Kundenmagazine für Energieversorger. Sie ist Gesellschafterin von Content Qualitäten. Ihre Themen: Energie, Technik, Nachhaltigkeit, Medizin/Medizintechnik.

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