Schlaue Rotorblätter mit Landeklappen und beweglichen Kanten
Ist das noch ein Rotor oder schon eine Tragfläche? Deutsche Forscher entwickeln Rotorblätter, die wie Tragflächen von Flugzeugen ausfahrbare Klappen und bewegliche Hinterkanten haben. Damit wollen die Ingenieure auch bei riesigen Anlagen die Windspitzen in den Griff bekommen.
Wenn Rotorblätter immer größer werden, steigen auch die Belastungen und vor allem die Lastspitzen kräftig an. Deshalb arbeiten deutsche Forscher schon länger an Techniken, um diese Kräfte zu beherrschen. Smart Blade nennen sie das neuartige Blatt aus den Forschungslabors.
Bei dessen Herstellung werden die Glasfasern, die ihm die Widerstandsfähigkeit geben – für die Festigkeit sorgt aushärtendes Harz –, so gelegt, dass der Flügel an den Stellen, die der Wind besonders heftig trifft, ausweichen kann. Das Rotorblatt kann sich bei starkem Wind etwas verdrehen, so dass der Wind weniger Angriffsfläche hat. Dabei ist die Drehbewegung passiv. Sie wird nicht bewusst gesteuert, sondern ist eine Reaktion auf die Windstärke.
Lastspitzen lassen sich vermeiden
Die bis zu 85 Meter langen Rotorflügel – in den USA sind bereits Blätter mit einer Länge von 200 Metern geplant, die sich dank eingebauter Gelenke in den Wind legen sollen – werden je nach Stellung unterschiedlich belastet. In Erdnähe ist die Windgeschwindigkeit meist deutlich niedriger als im oberen Bereich. Dazu kommen Belastungen durch Böen. Manchmal müssen die Blätter sogar aus dem Wind gedreht werden, um Beschädigungen zu vermeiden. Die verwindungsfähigen Smart Blades sollen Lastspitzen vermeiden.
Doch der Forschungsverbund Windenergie, in dem Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik Nordwest in Bremerhaven (IWES) und von ForWind, dem Zentrum für Windenergieforschung der Universitäten Oldenburg, Hannover und Bremen zusammenarbeiten, hat noch weitere Ideen, die Rotorblätter anpassungsfähig zu machen.
Landeklappen für Rotorblätter
Entlehnt sind sie der Luftfahrt: So wie die Flächen der Flugzeugflügel bei Start und Landung vergrößert werden, um den Auftrieb zu verändern, sollen auch Rotorblätter wandlungsfähig werden. An den Hinterkanten befinden sich Klappen, die bei niedrigen Windgeschwindigkeiten ausgefahren werden, um die Angriffsfläche für den Wind zu erhöhen. Treibt er es zu bunt, werden sie wieder eingefahren. Den gleichen Effekt haben bewegliche Hinterkanten, die sich sensorgesteuert verbiegen.
Auch am Vorflügel, also der Vorderkante, lässt sich was drehen. Erneut ist es eine Anleihe bei den Flugzeugbauern. An der Vorderkante von Flugzeugflügeln befinden sich ausfahrbare Flächen, die die Landeklappen ergänzen. Sie verändern die Aerodynamik, sodass es selbst bei Langsamflug nicht zu einem katastrophalen Strömungsabriss kommt. Genau solche Flächen wollen die Wissenschaftler des Forschungsverbunds Windenergie den Rotorblättern verpassen.
Jetzt sollen die Flügel gebaut werden
Wie hoch die Ertragssteigerung in etwa sein wird, können die beteiligten Forscher noch nicht sagen. Sie wird aber „signifikant“ sein, sagt Claudio Balzani vom Institut für Windenergiesysteme an der Universität Hannover. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat das Projekt, das am 29. Februar ausläuft, mit zwölf Millionen Euro gefördert. Jetzt hoffen die Forscher, dass sie die theoretisch entworfenen Flügel bauen und in der Praxis testen können.
Ein Beitrag von: