Schneller Brüter Monju in Japan: Nach 15 Jahren Stillstand vor Neustart
Fernost erweist sich nicht nur durch die Investitionen Chinas in neue Reaktoren als Zukunftsmarkt. Auch Südkorea und Japan spielen kräftig mit. Japan wollte gestern (nach Redaktionsschluss) den Schnellen Brüter Monju in Tsuruga an der Westküste des Landes wieder in Betrieb genommen haben – nach 15 Jahren Pause. Südkorea hat bekundet, seine Technik offensiv exportieren zu wollen. Leidtragende sind etablierte Anbieter.
Drei Jahre hinter dem Zeitplan her und mehr als 2 Mrd. € teurer als veranschlagt – das neue Kernkraftwerk im finnischen Okiluoto steckt weiter in Problemen. Der auf 1600 MW ausgelegte Druckwasserreaktor EPR, Prestigeprojekt der französischen Areva und des finnischen Stromversorgers TVO, lässt sich noch nicht vorzeigen. Ganz im Gegenteil: Er kostete den französischen Kernenergiekonzern schon den als so gut wie sicher angesehenen 20-Mrd.-$-Auftrag aus Abu Dhabi für vier Kernkraftwerke in den Golfstaaten. Jetzt bringt der EPR sogar den Sessel von Anne Lauvergeon ins Wanken, der streitbaren Vorstandschefin von Areva.
Ganz anders sieht die Welt für Kernenergie in Fernost aus. In Japan sollte, gestern, am 6. Mai, der Schnelle Brüter Monju in Tsuruga an der Westküste des Landes wieder in Betrieb gehen. Ein wichtiges Datum, denn die japanischen Behörden hatten im Dezember 1995 die Abschaltung des Schnellen Brüters Monju verfügt, nachdem wegen eines Lecks in einem nicht radioaktiven Sekundärkreislauf leicht entzündliches flüssiges Natrium ausgetreten war.
Alle Beteiligten, Präfektur- wie Zentralregierung, haben den 6. Mai trotz politischer Reibereien als Termin anvisiert. Darauf einigten sich der Gouverneur von Fukui, Issei Nishikawa, und die zwei verantwortlichen Ministerien. Der japanischen Atomkommission (Japan Atomic Energy Agency, JAEA) als Betreiberin des Pilotreaktors Monju wurde jetzt grünes Licht für den Neustart gegeben. Inzwischen gab es zwar eine kleine Panne bei der Anzeige für Lecks von Kühlflüssigkeit, es wird jedoch davon ausgegangen, dass es beim Termin Anfang Mai bleibt.
Fast anderthalb Jahrzehnte nachher hat sich die Haltung zur Kernenergie in der japanischen Bevölkerung gewandelt. Jüngste Umfragen zeigen: Immer mehr Japaner halten den Ausbau der Kernenergie für nötig. Sie sehen Kernenergie als strategische Notwendigkeit, denn Japan ist zu 80 % auf den Import von Energie angewiesen.
Japan setzt inzwischen wie kaum ein anderes Land auf den konsequenten Ausbau der Kernkraft, um damit die Abhängigkeit von importieren Brennstoffen zu vermindern und die ehrgeizigen CO2-Emissionsziele zu erreichen. Bis 2020 will Japan 25 % weniger Treibhausgase als 1990 emittieren.
Japan deckt bisher knapp ein Drittel des Strombedarfs mit Kernenergie, erzeugt in 54 Reaktoren. Laut Energieplan der Regierung sollen bis 2030 insgesamt 14 neue Kernkraftwerke ans Netz gehen, acht davon schon in den nächsten zehn Jahren. Der Anteil der Atomenergie an der gesamten Stromerzeugung soll auf 50 % wachsen und die Auslastung der Anlagen von 60 % auf 85 % steigen.
Für das Ziel der Regierung, die Abhängigkeit von Energieimporten zu mindern, spielt der Brutreaktor eine wichtige Rolle. Monju selbst hat zwar nur eine Bruttoleistung von 280 MW, ermöglicht aber den von Japan angestrebten geschlossenen Brennstoffkreislauf, einschließlich Anreicherung, Wiederaufbereitung und Endlagerung.
Bis Ende des Jahres soll die Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte Brennelemente in Rokkasho in der Präfektur Aomori in Betrieb gehen. Daneben ist eine Fabrik für Mischoxid-Brennelemente geplant. Sie soll 2015 die Fertigung beginnen. Bis 2012 will die JAEA Monju auf 100 % Leistung hochfahren. Nahezu 900 Mrd. ¥, umgerechnet rund 65 Mrd. €, hat Tokio bislang in den Schnellen Brüter investiert. Experten erwarten, dass der volle Betrieb rund 1,6 Mrd. € im Jahr kosten könnte.
Hinter Nippons ehrgeizigen Atomenergieambitionen stehen starke wirtschaftliche Interessen. Neben Frankreich, Russland und den USA will sich Japan als einer der weltweit führenden Exporteure von Kernenergietechnik profilieren. Kraftwerksbauer GE Hitachi hat auch Europa als Markt im Visier und hofft, dort in den kommenden zehn Jahren zehn bis 15 Kernkraftwerke zu verkaufen. Die ersten Anlagen dürften in Großbritannien gebaut werden, wo bereits intensiv verhandelt wird.
Toshiba, 2006 durch die Übernahme von Westinghouse in die Spitzengruppe der Nuklear-Kraftwerksbauer aufgestiegen, spezialisiert sich auch auf Mini-Kernkraftwerke. Diese gelten als inhärent sicher und lassen sich leichter finanzieren (VDI nachrichten, 25. 3. 10).
Das hat die Nachbarn Japans in Südkorea keineswegs daran gehindert, bei dem Milliardenauftrag aus Abu Dhabi Westinghouse mit ins Boot zu holen. Seit dem Erfolg in den Vereinigten Arabischen Emiraten drängt Seoul die eigene Industrie im Land noch stärker dazu, in die Spitzengruppe der Kernenergieanbieter vorzustoßen.
Bis 2030 will Südkorea 80 Kernkraftwerke verkaufen und einen Anteil von 20 % am wachsenden Weltmarkt für Kernenergie ergattern. Damit, so schätzt die Regierung, könnten koreanische Firmen 400 Mrd. $ in die Kasse bekommen.
Der südkoreanische Präsident Lee Myung-bak will Kernkraftwerke zum neuen Exportschlager des Landes machen – nach Autos, Halbleitern und Schiffen. Der staatliche Stromversorger Korea Electric Power Corp. (Kepco) verhandelt schon mit der Türkei und streckt seine Fühler nach Brasilien und Südafrika aus.
Südkorea, das heute schon 35,7 % seines Strombedarfs über Kernenergie deckt, will diese im eigenen Land ausbauen: Bis 2022 sollen zwölf neue Kernkraftwerke ans Netz gehen. Gleichzeitig soll sich das Land nach dem Willen Lees als „vertrauenswürdigster Exporteur von Kernenergie“ der Welt profilieren. Konkurrenzfähigkeit hat Südkorea mit dem Auftrag der Arabischen Emirate schon bewiesen. Das von Kepco gebildete Konsortium baut die dortigen Kraftwerke für rund 5 Mrd. $ je Anlage, während Areva nach Schätzungen bis zu 7 Mrd. $ je Kraftwerk veranschlagte. P. ODRICH
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