Schotten wollen mit Drachen am Himmel Strom erzeugen
Mit einer Mischung aus Fallschirm und Flugdrachen wollen schottische Ingenieure der Windenergie einen gewaltigen Schub geben. Die Technik soll billiger, einfacher, effizienter und vielseitiger als die herkömmlichen Windturbinen sein. Der Härtetest steht bald an.
Es klingt schon fantastisch: Zwei lang gestreckte Drachen schweben in der Luft, verbunden durch Seile, in der Mitte eine Turbine. Während der eine Schirm in bis zu 450 m Höhe aufsteigt, sinkt der andere herab. Und das Verbindungsseil bringt derweil eine Trommel in der Turbine in Rotation. Aus der kinetischen Energie wird Strom erzeugt.
Und wenn der eine Schirm wieder mit „minimalem Energieeinsatz“, wie die Entwickler sagen, herabgezogen wird, steigt der andere auf und setzt den Prozess fort. Es entsteht also praktisch permanent Strom.Zwei Drachen beim Tauziehen, eine seltsame Vorstellung. Und doch steht außer Frage, dass die Technik prinzipiell funktioniert. Besonders effizient wird sie nach Angaben ihrer Entwickler dadurch, dass die Drachen mehr als die fünffache Geschwindigkeit des Windes erreichen, der sie antreibt. Hinter der Entwicklerfirma Kite Power Solutions (KPS) stehen halt auch keine Kitesurfer, die zu lange in der Sonne waren, sondern drei erfahrene Ingenieure, die allesamt lange in der Schiffsindustrie und der Energiebranche gearbeitet haben.
Den Wind da einfangen, wo er am stärksten weht
2011 gründeten die drei ihre Firma, die seither auch schon finanzielle Unterstützung der britischen Regierung erhalten hat. Unter den privaten Investoren, von denen KPS spricht, soll auch Shell sein.
Man verspricht sich also offenbar einiges von der Methode. Jede einzelne Anlage soll die Leistung eines kleineren bis mittleren Windrades bringen, um die drei Megawatt. Dies allerdings konstanter, weil die Schirme weitaus höher reichen können und damit immer dort den Wind einfangen, wo er gerade am stärksten und stabilsten weht.
Die gesamten Investitionskosten sollen zudem nur bei der Hälfte eines Windrades liegen. Und die Hybrid-Konstruktion aus Flugdrachen und Fallschirm ist nach Ansicht von KPS praktisch überall einsetzbar, auch auf hoher See.
Größte Potentiale im Offshore-Bereich
Der erste Härtetest soll im kommenden Frühjahr an der schottischen Küste stattfinden. Hier, auf einem Areal der britischen Regierung, entsteht zunächst eine Anlage, die 500 Kilowatt Leistung bringen soll. Innerhalb der nächsten zehn Jahre will KPS aber Kapazitäten von mehreren hundert Megawatt aufbauen.
Die größten Chancen für die Technologie liegen vermutlich im Offshore-Bereich, wo die Herstellungskosten für Strom heute noch recht hoch liegen. KPS-Finanzchef David Ainsworth rechnet damit, dass mit den bis zu 70 Quadratmeter großen Drachen ein Preis von nur noch fünf Cent pro Kilowattstunde zu erreichen ist. Das wäre dann weniger als die Hälfte gegenüber bisher und etwa das heutige Niveau von Windstrom an Land – mithin wohl ohne Subventionen konkurrenzfähig.
Energiedrachen klingen zwar immer noch ungewöhnlich, doch auch große Unternehmen experimentieren mit der Technik. Sogar der Internet-Konzern Google experimentiert mit Energiedrachen. Auch das deutsche Start-up NTS Energie- und Transportsysteme hat Lenkdrachen entwickelt, die Strom in Höhen von rund 500 m erzeugen sollen. Ein ähnliches Konzept verfolgt das Berliner Unternehmen Enerkite.
Ein Beitrag von: