Schwimmende LNG-Terminals sollen massives Problem lösen
Spezialschiffe transportieren flüssiges Erdgas und verwandeln es am Ziel zurück in ein Gas. In Deutschland sollen sie stationär arbeiten und zehn Jahre lang helfen, von russischem Erdgas unabhängig zu werden.
Dass Deutschlands erstes Flüssigerdgas-Terminal (LNG – Liquefied Natural Gas) erst 2026 in Betrieb geht, war zu pessimistisch gedacht. Es könnte schon Anfang 2023 so weit sein. Dann soll die erste Anlandestation in Wilhelmshaven in Betrieb gehen, was bedeutet, dass Deutschland den Winter noch überstehen muss, ohne LNG zukaufen zu können.
Schwimmende Terminals sind schon im Einsatz
Doch wie gelingt es, das Tempo so zu verschärfen? Ganz einfach: Auf den Weltmeeren schwimmen bereits diverse Tanker, die eine Regasifizierungsanlage an Bord haben. Sie tanken in Qatar, Nordafrika oder den USA LNG, transportieren es bis zu einem Hafen, der einen ausreichend dimensionierten Pipelineanschloss hat und speisen das regasifizierte Erdgas einfach ein. Um das minus 162 Grad Celsius kalte LNG in Gas zurückzuverwandeln muss es erwärmt werden. In einer Verdichterstation, die sich ebenfalls an Bord befindet, wird es dann unter Druck gesetzt, damit es zu seinem Ziel strömen kann.
Die größten LNG-Terminals der Welt
Wilhelmshaven hat bei LNG die Nase vorn
Deutschland hat sich vier dieser Schiffe für die Dauer von zehn Jahren gesichert. Jeweils zwei mietet der E.On-Ableger Uniper und ein Konsortium aus dem Energiekonzern RWE und dem auch in Deutschland tätigen niederländischen Pipeline-Betreiber Gasunie an. Eins der beide Spezialschiffe „Transgas Force“ und „Transgas Power“, gebaut im vergangenen Jahr für die griechische Reederei Dynagas, soll in Wilhelmshaven festmachen. RWE/Gasunie, die Spezialschiffe der norwegischen Reederei Höegh LNG chartern, setzen auf den Standort Brunsbüttel. Sie werden, wenn sie einsatzbereit sind, LNG aus fremden Tankern beziehen und es in Erdgas zurückverwandeln. Die Standorte für die beiden weiteren Schiffe stehen noch nicht fest. Im Gespräch sind Stade, Rostock, Hamburg und Lubmin, der Endstation der Pipeline Nord Stream 1, durch die russisches Erdgas nach Deutschland strömt.
Es müssen noch Pipelines gebaut werden
Eigentlich könnten sie den Betrieb schon viel früher aufnehmen. Doch zuvor muss eine entscheidende Hürde genommen werden. Weder Wilhelmshaven noch Brunsbüttel hat einen ausreichend dimensionierten Zugang zum Erdgas-Fernleitungsnetz. Entsprechende Pipelines müssen noch gebaut werden. In Wilhelmshaven geht es um eine Entfernung von 28, in Brunsbüttel sogar von 68 Kilometern. Grob geschätzt kosten sie 90 beziehungsweise 200 Millionen Euro. Angesichts steigender Stahlpreise und des Fachkräftemangels könnten die Kosten noch deutlich steigen. An Chartergebühren und den Kosten für die erweiterte Infrastruktur sollen rund drei Milliarden Euro anfallen.
Der grüne Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck muss sich etwas einfallen lassen, um den normalerweise höchst holprigen und damit zeitraubenden Genehmigungsweg für die neuen Pipelines entscheidend zu verkürzen.
LNG: Umschlaganlage wird teilweise umgewidmet
Die Anbindung der Umschlaganlage Voslap in der Deutschen Bucht vor Wilhelmshaven, die die chemische Industrie derzeit zum Umschlag von Grundstoffen und Zwischenprodukten nutzt, an das Erdgasleitungsnetz und damit auch an den Erdgasspeicher Etzel, wird derzeit vom Essener Pipelinebetreiber Open Grid Europe realisiert. Mit einer Kapazität von bis zu 7,5 Milliarden Kubikmetern pro Jahr sollen künftig rund 8,5 Prozent des deutschen Erdgasbedarfs in Wilhelmshaven angelandet werden. Ein Vergleich mit den aktuellen Pipeline-Lieferungen aus Russland macht deutlich, welcher Kraftakt notwendig ist: Nord Stream 1 lieferte 2021 fast 60 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Deutschland. In Deutschland wurden davon rund 40 Milliarden Kubikmeter benötigt. Mit dem Rest wurden Nachbarstaaten versorgt.
Wie LNG-Terminals funktionieren
Es könnte gerade so reichen
Genau diese Menge könnten die vier schwimmenden LNG-Terminals schaffen, die allerdings noch durch zwei Anlagen auf dem Festland ergänzt werden sollen. Eine davon wird ebenfalls in Wilhelmshaven errichtet. Stade ist für die andere im Gespräch. Beide sollen so gebaut werden, dass sie später für den Import von Wasserstoff genutzt werden können. In Wilhelmshaven ist zudem ein Terminal für grünes Ammoniak geplant, das leichter zu transportieren ist als Wasserstoff. Es könnte direkt zur Düngemittelproduktion genutzt oder in Wasserstoff umgewandelt werden.
Ein Beitrag von: