Selbstlernende Heizungssteuerung handelt vorausschauend
Aufwendiges Programmieren von Heizungsanlagen könnte bald der Vergangenheit angehören. Forscher haben ein selbstlernendes System entwickelt, das Daten aus dem vorangegangenen Jahr sowie den aktuellen Wetterbericht in die eigenständige Steuerung einbezieht.
Wo lässt sich Energie einsparen und damit der Ausstoß schädlicher Emissionen wie Kohlendioxid indirekt verringern? Das ist eine Frage, mit der sich sowohl die Industrie beschäftigt als auch der Endverbraucher. Davon abgesehen, dass mit dem Energieverbrauch natürlich die Kosten sinken. Immer wieder steht hier das Thema Heizen im Fokus. Denn laut dem Umweltbundesamt werden in privaten Haushalten mehr als zwei Drittel des Energieverbrauchs für die Heizungsanlage benötigt. Hier steckt also offensichtlich das größte Potenzial für Einsparungen.
Ein Faktor für wirtschaftlich ungünstiges Heizverhalten ist ohne Frage der Mensch. Bei manuell einstellbaren Heizkörpern kommt es häufig vor, dass die Temperatur zu hoch gedreht wird oder Räume zu Zeiten beheizt sind, in denen sie keiner nutzt. Selbst mit programmierbaren digitalen Thermostaten lässt sich dieses Problem nur begrenzt lösen, weil sie unter anderem keinen Einfluss auf die Vorheiztemperatur nehmen. Es ist nicht vorgesehen, dass sie die Anlage an warmen Tagen vollständig abschalten. All das könnte gelöst werden durch künstliche Intelligenz. Wissenschaftler der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) haben vorausschauende Systeme entwickelt, die so kostengünstig sind, dass sie auch in Eigenheimen genutzt werden könnten.
Künstliche Intelligenz braucht ein Viertel weniger Energie
In gewerblich genutzten Gebäuden sind automatisierte Heizungsanlagen heutzutage bereits normal. Sie arbeiten mit Szenarien, die für jedes Gebäude einzeln berechnet und programmiert werden. Das funktioniert gut und spart Energie und Geld. Doch für ein kleines Eigenheim wäre solch eine Anlage nicht finanzierbar. Das soll mit dem neuen System der Empa anders sein. Die Forscher haben dafür eine selbstlernende Software, also eine künstliche Intelligenz, entwickelt. Die haben sie mit Daten des vergangenen Jahres sowie mit der aktuellen Wettervorhersage gefüttert. Daraufhin sei es der smarten Steuerung gelungen, den Wärmebedarf des Gebäudes im Voraus einzuschätzen.
Um die Höhe des Einsparpotenzials zu bestimmen, führten die Wissenschaftler zwei Praxistests durch. Im Empa-Forschungsgebäude NEST nutzten sie dafür eine große Wohnküche, die symmetrisch von zwei Studentenzimmern eingerahmt ist. Beide Zimmer haben eine Größe von jeweils 18 Quadratmetern. Die gesamte Fensterfront ist nach Ostsüdost ausgerichtet, also zur Vormittagssonne – ideale Bedingungen für einen Vergleichstest. Zum Heizen und Kühlen läuft Wasser durch eine Deckenverkleidung aus Edelstahl, die sich für die Räume durch ein Ventil einzeln einstellen lässt.
Die Forscher begannen mit einem Kühlexperiment, da sie die Versuchsreihe im Sommer starteten. Die Versuchsperiode war fünf Tage lang. In dieser Zeit entwickelte sich das Wetter von relativ kühl zu Hitze mit bis an die 40 Grad Celsius. Die erwünschte Temperatur für die beiden Zimmer war mit maximal 25 Grad am Tag und 23 Grad in der Nacht festgelegt. In einem Raum wurde die Kühlung über die künstliche Intelligenz gesteuert, in dem anderen über ein herkömmliches Thermostatventil. Das Ergebnis: Die smarte Steuerung erreichte die Temperaturvorgaben besser als das handelsübliche Ventil und benötigte dafür satte 25% weniger Energie.
Vorausschauende Aktivität ist der Schlüssel für mehr Effizienz
Bei der Analyse des Systems fanden die Forscher auch heraus, wie diese Einsparungen zustande kamen: Am Vormittag, wenn die Sonne in die Fenster schien, fing die intelligente Steuerung vorausschauend an, den Raum zu kühlen. Das mechanische Thermostat setzte die Kühlung jedoch erst in Gang, als die Temperatur bereits sehr hoch war, dafür dann aber mit voller Leistung. Einen weiteren Testlauf, diesmal mit Heizenergie, haben die Wissenschaftler im November durchgeführt. Auch hier seien die Ergebnisse vielversprechend gewesen, die genaue Auswertung laufe jedoch noch.
Im nächsten Schritt soll die künstliche Intelligenz ihre Kompetenz in einer Alltagssituation unter Beweis stellen: „Um das System im realen Umfeld zu testen, haben wir einen größeren Feldversuch in einem Mehrfamilienhaus mit 60 Wohnungen geplant. Wir werden vier dieser Wohnungen mit unserer intelligenten Heiz- und Kühlsteuerung ausrüsten“, sagt Projektleiter Felix Bünning. Er ist überzeugt davon, dass Regler, die auf Machine Learning basieren, eine große Chance für die Zukunft sind. „Mit dieser Methode können wir mit relativ einfachen Mitteln und den gesammelten Daten eine gute, energiesparende Nachrüstungslösung für bestehende Heizungen konstruieren.“
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