Sind Flüssiggas und Flüssigerdgas eine echte Alternative zu Erdgas?
Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven ist fertig, bald schon fließt Erdgas aus Übersee durch unsere Leitungen. Wir haben das zum Anlass genommen und geschaut, ob Flüssigerdgas und Flüssiggas eine echte Alternative sein können. Und wie lässt sich das mit den festgelegten Klimazielen vereinbaren?
Gerade wurde in Wilhelmshaven das erste deutsche LNG-Terminal fertiggestellt – und das nach nur wenigen Monaten Bauzeit. Schon im Januar sollen die ersten Tanker mit Flüssigerdgas (LNG) in Deutschland ankommen. Am Terminal wird das LNG in einen gasförmigen Zustand überführt und ins Erdgasnetz eingespeist. Alternativ gibt es noch die Möglichkeit, mit Flüssiggas (LPG) zu heizen, wobei es hierfür einen eigenen Gastank benötigt. Mit beiden Varianten lässt sich eine herkömmliche Gasheizung befeuern. Wir haben uns angeschaut, ob sie eine Alternative zu Erdgas sein können. Das auch vor dem Hintergrund von Klimazielen, die erreicht werden sollen.
Darum geht es in diesem Artikel: |
Was ist der Unterschied zwischen Flüssiggas und Flüssigerdgas?
Vorsicht Verwechslungsgefahr – die beiden Begriffe Flüssiggas und Flüssigerdgas werden häufig synonym verwendet, es handelt sich dabei jedoch um zwei verschiedene Produkte. Aus diesem Grund wollen wir den Unterschied zwischen Flüssiggas (LPG) und Flüssigerdgas (LNG) kurz erläutern:
LPG steht für Liquefied Petroleum Gas und ist ein unter Druck stehendes Gemisch aus Propan und Butan. Es fällt bei der Erdöl- und Erdgas-Förderung sowie in Erdöl-Raffinerien an. Es wird insbesondere für häusliche und kommerzielle Anwendungen genutzt – so zum Antrieb von Fahrzeugen, als Flaschengas oder Heizgas. Seit 2018 gibt es auch biogenes Flüssiggas. Das sogenannte Bio-LPG fällt bei der Produktion von Bio-Diesel an und hat dieselben chemischen Eigenschaften wie herkömmliches LPG. Es ist auch überall dort einsetzbar, wo herkömmliches Flüssiggas genutzt wird. LPG kann sehr gut in Gasheizungen genutzt werden. Der Heizwert von Flüssiggas ist mit 12,8 pro kg recht hoch, der Brennwert liegt bei über 28 Kilowattstunden pro Kubikmeter und damit deutlich über dem von Erdgas.
LNG steht für Liquefied Natural Gas und ist nichts anderes als Erdgas, das durch extreme Abkühlung auf unter -160 Grad Celsius verflüssigt wurde. Dadurch lassen sich besonders große Energiemengen auf kleinem Raum lagern. Im flüssigen Zustand hat LNG ein etwa 600-fach geringeres Volumen als Erdgas und kann somit sehr effizient transportiert werden. So gelangt das LNG zum Beispiel mit Hilfe von Tankschiffen nach Europa. Dort kann das Flüssigerdgas entweder mit einem Kesselwagen auf der Schiene weiterverteilt werden oder es wird in einem LNG-Terminal erwärmt und wieder in Erdgas verwandelt. Chemisch betrachtet handelt es sich bei Flüssigerdgas primär um Methan.
Das sollten Sie über Flüssigerdgas (LNG) wissen
Wenn Flüssigerdgas beim Verbraucher ankommt, handelt es sich bereits wieder um ganz normales Erdgas, das wie üblich zum Beispiel zum Heizen verwendet werden kann. Es kommt über die bereits vorhandenen Erdgasleitungen ins Haus. Nur der Weg, wie er ins Erdgasnetz gelangt ist ein anderer. Wie bereits geschrieben, wird LNG mit Hilfe von modernen Tankschiffen aus Übersee nach Europa gebracht. Lieferländer sind zum Beispiel die USA, Kanada, Katar oder Australien.
Dieser Transport steht heftig in der Kritik, werden doch Unmengen an Schweröl verbrannt, um die Schiffe über den Ozean zu manövrieren. Dazu braucht es jede Menge an Energie, um Erdgas zu verflüssigen und es in diesem Zustand zu halten. Ganz abgesehen davon, dass es sich häufig um Erdgas handelt, das durch Fracking gewonnen wurde. Sie sehen: Es müssen zahlreiche Kröten geschluckt werden, um die deutsche Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten. Verhältnismäßig teuer ist das Flüssigerdgas obendrein – zumindest im Vergleich zum billigen Russengas.
Wie das mit der Rückverwandlung von Flüssigerdgas in Erdgas funktioniert, haben wir bereits an anderer Stelle ausführlich beschrieben: LNG-Terminal: wie es funktioniert
Wieviel Flüssigerdgas können wir importieren?
Das Thema Abhängigkeit von Russland und deren Erdgaslieferungen möchten wir hier nicht weiter vertiefen. Es ist hochbrisant, aber es bringt auch nichts, jetzt zu nach hinten zu schauen und Schuldige auszudeuten, wir brauchen Lösungen für jetzt und für die Zukunft. Da es bislang verpasst wurde, die erneuerbaren Energien und Nutzung von grünem Wasserstoff weiter voranzutreiben, bleibt für die nächsten Jahre nur, den Schaden für Umwelt, Bevölkerung und Wirtschaft möglichst gering zu halten. Und hier wird Flüssigerdgas als Teil der Lösung angesehen.
Neben dem bereits erwähnten LNG-Terminal in Bremerhaven sollen noch drei weitere Terminals im Brunsbüttel, Stade und Lubmin entstehen. Es wird davon ausgegangen, dass darüber bis zu 22,5 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr angelandet werden können. Durch weitere schwimmende Anlagen könne der Wert auf bis zu 27 Millionen Kubikmeter Gas steigen, so Prognosen. Die Bundesregierung hat für fast drei Milliarden Euro vier Floating Storage and Regasification Units (FSRU) bestellt. Mit dem importierten Flüssigerdgas ließe sich etwa die Hälfte der bisherigen russischen Erdgaslieferungen ersetzen. Insgesamt importiert Deutschland jährlich zwischen 80 und 90 Millionen Kubikmeter Erdgas. Von Russland hatten wir zuletzt etwas über 50 Millionen Kubikmeter Erdgas bezogen.
Das sollten Sie über Flüssiggas (LPG) wissen
Eine Alternative zu Erdgas kann auch Flüssiggas (LPG) sein. Es kommt allerdings nicht aus der Leitung, sondern aus Tanks vor Ort. Sie benötigen daher – ähnlich wie bei Heizöl – genügend Platz für solch einen Flüssiggastank. Das kann aber auch ein unterirdischer Platz im Garten sein. Wenn Sie von Heizöl auf Flüssiggas umsteigen wollen, können Sie allerdings den Heizöltank nicht weiter nutzen. Immerhin dürfen Sie Flüssiggastanks aber auch in Wasserschutzgebieten nutzen, da von ihnen keine Gefahr für die Umwelt ausgeht. Und riechen tun sie auch nicht wie Öltanks.
Das verflüssigte Gas im Gastank steht ungefähr unter 8 Bar Druck. Es benötigt nur 1/260 des Platzes, den das entsprechende Gas im Ursprungszustand braucht. Es lassen sich daher recht große Mengen Flüssiggas lagern. Der Transport ist ebenfalls ziemlich einfach – es lässt sich auf Schiffen, Zügen oder Tanklastern an die Orte bringen, wo es benötigt wird. Das verursacht jedoch mehr Verkehr als der Transport von Erdgas, das über Pipelines und Erdgasleitungen in die Haushalte oder in zur Industrie gebracht wird. Von LNG reden wir hier jedoch nicht, das legt ebenfalls ziemlich weite Wege zurück, ehe es bei uns landet.
Ein großer Vorteil von Flüssiggas: Die Verfügbarkeit ist gesichert, es besteht nicht diese Abhängigkeit von einem Lieferanten wie zum Beispiel bei Erdgas. Der überwiegende Teil kommt aus deutschen Raffinerien, aber auch aus anderen EU-Ländern, Skandinavien und den USA. Der Deutsche Verband Flüssiggas sagt dazu:
„2021 wurden in Deutschland 3,7 Mio. t Flüssiggas (LPG) verbraucht. Wichtigste Quelle für die Flüssiggasversorgung sind deutsche Raffinerien. 1,5 Mio. t waren Importe, die zu über 90 Prozent aus EU-Ländern, Skandinavien und den USA kommen. Die Lieferungen erreichen die fünf deutschen Importterminals entlang des Rheins überwiegend aus Holland und Belgien per Schiff und auf Schienen. Auch das Seehafenterminal Brunsbüttel bezieht LPG aus internationalen Quellen.“
Für wen lohnt sich die Nutzung von Flüssiggas?
Wenn Sie bereits mit Erdgas versorgt werden, lohnt sich ein Umstieg in der Regel nicht. Es sei denn Sie haben Angst, dass es zu einem Erdgasengpass kommt. Da über die LNG-Terminals bald frisches Erdgas in unser Versorgungssystem eingespeist wird, ist die Gefahr jedoch zumindest gesunken. Anders sieht es aus, wenn Sie derzeit mit Heizöl heizen oder Sie in einem Gebiet ohne Erdgasversorgung leben. Mit Flüssiggas heizen Sie zudem umweltfreundlicher. So werden im Vergleich zu Heizöl rund 15 Prozent weniger CO2 freigesetzt, und auch die Feinstaubbelastung oder der Ausstoß von Schwefeldioxid und Stickoxid sind wesentlich geringer.
Über die Nutzung von Heizwärme hinaus ist Flüssiggas besonders als mobile Energieform gefragt. Es lässt sich leicht komprimieren und bleibt auch bei Raumtemperatur flüssig. In den meisten Wohnmobilen und Wohnwagen ist LPG die bevorzugte Energieform, wenn es um den Betrieb von Kochfeldern, Heizungen oder Grills geht. Auch der Gasgrill zuhause arbeitet standardmäßig mit LPG. Das wird auch weiterhin so bleiben, denn es drohen derzeit keine Versorgungsengpässe. Was passiert, wenn alle von Erdgas auf Flüssiggas umschwenken würden, steht auf einem anderen Blatt. Das wird aber auf die Schnelle auch nicht passieren.
Sind Flüssigerdgas und Flüssiggas eine zukunftsfähige Lösung?
Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, was ohnehin sehr schwierig wird, sollte das Verbrennen von Gas keine große Zukunft mehr haben. Sowohl beim Verfeuern von Erdgas als auch beim Verfeuern von Flüssiggas entsteht Kohlenstoffdioxid, welches als einer der größten Treiber des Klimawandels gilt. Wollen wir unsere CO2-Emissionen senken, brauchen wir andere Lösungen, das können Wärmepumpen, Infrarotheizungen oder Brennstoffzellenheizungen sein. Die natürlich von grünem Strom und grünem Wasserstoff angetrieben und befeuert werden müssen.
Noch gibt es die entsprechende Infrastruktur in Deutschland jedoch nicht, so dass an Erdgas oder Flüssiggas aktuell kein Weg vorbeiführt, wollen wir unseren Wohlstand und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit nicht verlieren. Es wäre allerdings zu wünschen, dass das Tempo etwas angezogen wird. Beim Bau des LNG-Terminals in Wilhelmshaven wurde gezeigt, was möglich ist, wenn der politische Wille da ist. Warum bekommen wir das nicht beim Ausbau der Windkraft oder Solarenergie samt Speicherkapazitäten für den grünen Strom genauso schnell hin?
Vor diesem Hintergrund stellt sich natürlich die Frage, ob es sich überhaupt noch lohnt, eine sündhaft teure Infrastruktur mit LNG-Terminals aufzubauen. Eine schwierige Sache: Derzeit wird zum Beispiel vom Fraunhofer-Institut untersucht, ob und wie es möglich ist, die Terminals für den Import von grünem Wasserstoff oder andere erneuerbare Energien zu nutzen. Unmöglich sei es nicht, so die ersten Ergebnisse. Es sind jedoch jetzt bereits Vorkehrungen dafür zu treffen, dass es einmal möglich sein wird. Und das kostet zusätzlich Geld.
Ein Beitrag von: