Smart Grids – der Trend zu intelligenten Stromnetzen hält an
Die Stromversorgung steht vor einem grundlegenden Systemwechsel. Angesichts zunehmender Dezentralisierung in der Stromerzeugung mit Ausbau fluktuierender erneuerbarer Energie muss das Stromnetz intelligenter werden. Stichwort: Smart Grid. Die Verbraucher werden dabei über intelligente Stromzähler (Smart Meter) eingebunden. Mit einer Vortragsveranstaltung in Gießen machte der VDI Bezirksverein Mittelhessen das Thema transparent.
„Smart Grids – intelligente Versorgungs- und Datennetze wachsen zusammen.“ Ein hochbrisantes Thema, zu dem in der Öffentlichkeit noch viel Unwissenheit besteht. Ein Grund mehr für den VDI Bezirksverein Mittelhessen, Mitglieder, Studenten und interessierte Bürger in die FH Gießen-Friedberg zu einer Vortragsveranstaltung einzuladen.
„Mir geht es darum, Akzeptanz und Interesse für Technik bei den Menschen zu wecken“, erklärte Joerg Seufert, Obmann VDI-IT (Informatik in den Ingenieurwissenschaften). „Energie bzw. Strom sind hierfür ein gutes Beispiel, weil sie in einer modernen Gesellschaft unverzichtbar sind.“
„Damit Energie optimal genutzt werden kann, braucht es intelligente Netze, die den Bedarf und die Nachfrage koordinieren können“, unterstrich Seufert. Vertreter der Stadtwerke Gießen, Deutsche Telekom Technischer Service und Microsoft Deutschland brachten dann auch Transparenz in das Thema. Sie informierten, wie solche Netze künftig funktionieren könnten und welche Rolle die Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) dabei spielt.
Intelligente Stromzähler (Smart Meter) bringen Veränderungen sowohl für Kunden als auch Versorger, berichtete Frank Rompf von den Stadtwerken Gießen. Gerade beim breiten Publikum bestehe noch erheblicher Erklärungsbedarf. So gebe es seit dem 1. Januar 2010 die gesetzliche Pflicht zum Einbau von elektronischen Zählern, z. B. bei Neubauten oder Zählerwechsel. Und spätestens bis zum 30. Dezember 2010 müsse Stromverbrauchern ein Tarif angeboten werden, der einen Anreiz zu Energieeinsparung oder Steuerung des Energieverbrauches setzt, z. B. lastvariabel oder tageszeitabhängig.
Die Zahl der im Einsatz befindlichen Zähler sei enorm. Allein der mittelhessische Versorger verfüge über rund 95 200 Stromzähler, 27 100 Gaszähler, 18 700 Wasserzähler und 6700 Wärmezähler. Der jetzt geforderte elektronische Stromzähler (EDL21) erfasse die Verbrauchswerte zwar digital, sei aber noch kein Smart Meter, betonte Rompf. Für „Intelligenz“ seien u. a. auch die Erfassung von Verbrauch und Leistung sowie die Datenübertragung erforderlich. Die Stadtwerke planen, solche Zähler (EDL40), für die es vom Gesetzgeber aber keine zwingende Notwendigkeit gebe, ab dem kommen Jahr sukzessive einzusetzen.
Dann soll auch ein Webportal zum Einsatz kommen, das dem Kunden Transparenz im Energieverbrauch bietet, Einsparpotenziale aufzeigt und hilft, das Verbrauchsverhalten zu steuern. Offen sei bei alledem die Frage nach der Übernahme der Kosten, allein schon für die teureren Zähler, so Rompf. Notwendig sei auch der Ausbau des DSL-Netzes zur Kommunikation. Nach Aussage der Landesregierung waren in diesem Sommer allein in Hessen mehr als 240 000 Haushalte in 1400 Ortsteilen von Breitband-Verbindungen abgeschnitten.
Eine große Bedeutung sowohl aus Sicht des Versorgers als auch der Verbraucher komme der Datensicherheit zu, hob Rompf hervor. Dies bestätigte auch Mathias Laubenstein von Deutsche Telekom Technischer Service: „Unsere Lösung basiert auf einem ausgereiften Kommunikations-, Datenschutz- und Sicherheitskonzept. Und sie ist für Massendaten ausgelegt.“ Mit seinem Smart Metering Serviceangebot wendet sich das Telekommunikationsunternehmen sowohl an Messstellenbetreiber und Messdienstleister als auch an Netz- und Vertriebsgesellschaften.
Smart Metering ist nicht nur ein Technologiewechsel, sondern ein grundlegender Systemwechsel, betonte Laubenstein. So sah er auch kein Problem beim Zähler oder dessen Anbindung. „Die eigentliche Herausforderung liegt in dem Zwang, sich an ein sich rapide veränderndes Umfeld anzupassen, ohne dass Sie wissen können, wie dieses Umfeld in zehn Jahren aussieht.“
Nicht nur dass sich künftig Ziele und Anforderungen noch ändern. Schon heute gebe es regulatorisch und eichrechtlich noch große Interpretationsspielräume, die sich auf Technik und Kosten auswirken können.
Andreas Berthold-van der Molen von Microsoft Deutschland zeigte die Vision eines intelligenten Energie-Ökosystems auf, bei dem klassische Energieversorgungsunternehmen, Betreiber von erneuerbaren Energien und Verbraucher integriert sind und sowohl auf aktuelle Marktpreise und -prognosen als auch auf Wettervorhersagen zugreifen. Schlüsselfragen seien das künftige Verbraucherverhalten und die Rolle des Energieversorgers im „Digital Lifestyle“. So gelte es, die Menschen für das Thema Hausautomation in Bezug auf den Energieverbrauch zu begeistern.
Denn die seit vielen Jahren angebotenen Lösungen für Hausautomation seien bislang ohne großen Markterfolg geblieben, räumte Berthold-van der Molen ein. So komme es jetzt bei Smart Meter auf die richtige Ansprache an. Ansatzpunkte seien die Aspekte Sparen, Komfort und Umwelt. Neben dem Stromverbrauch sollte besonders auch der Bereich der Heizung integriert werden.
Die Energiebranche stehe bei der Frage nach der Rolle der IKT vor einem Scheideweg: Ist sie nur ein Kosten- oder vielmehr ein Lösungsträger? Microsoft habe im vergangenen Jahr seine Smart Energy Reference Architecture (SERA) vorgestellt, die sich jetzt auch schon bei ersten Referenzkunden bewährt. Vorteil für Energieversorger: Sie könnten sich auf ihr Geschäft konzentrieren, anstatt durch Technologie-Themen abgelenkt zu werden. ROBERT DONNERBAUER
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