Smart Meter ebnen IT-Branche Weg in den Energiemarkt
Seit Anfang des Jahres gilt die neue Bestimmung im Energiewirtschaftsgesetz, wonach in Neubauten und nach größeren Renovierungen neue intelligente Strommessgeräte installiert werden müssen. Diese Gesetzesänderung gilt als erster Schritt hin zu intelligenten Energienet- zen – Smart Grids genannt. Doch vor dem Übergang in die neue Energiewelt sind in Deutschland noch einige Hürden zu nehmen.
Die Vorschrift definiert nicht klar, was unter solch einem „Smart Meter“ genau zu verstehen ist – erst einmal geht es darum, dass die Strommessdaten digital ausgelesen werden können. Zudem sind insbesondere viele Stadtwerke, darunter vor allem die kleineren, bei den Themen Smart Grids und Smart Meter zögerlich. Sie müssen von ihren Kunden zum Einbau solcher Zähler eher gedrängt werden. Denn der derzeitige Vorteil der besseren Datenlage beim Stromverbrauch zum Ausgleich der Lastspitzen wiegt die Kosten für Anschaffung und Inbetriebnahme für die Energieversorger noch nicht auf.
Auf rund 40 € beziffert Jörg Ritter den Preis der Zähler-Hardware. Ritter ist Vorstandsmitglied des IT-Dienstleistungsunternehmens BTC, einer Tochter des Oldenburger Energieversorgers EWE. Wesentlich teurer als die Anschaffung seien die Installation und Wartung.
„Der Veränderungsdruck kommt nicht vom Energievertrieb, sondern vom Gesetzgeber“, erklärt Sebastian Schneider, Innovationsberater bei T-Systems Multimedia Solutions. Der IT-Dienstleister zählt auch bereits Stadtwerke zu seinen Kunden.
Johannes Alte-Teigeler, Sprecher der Geschäftsführung des Smart-Meter-Anbieters EVB Energy Solutions, macht die „Optimierung der Geschäftsprozesse“ und künftige „neue Produkte für Endkunden“ als Innovationsmotor aus. „Klassische Zähleranbieter wie Siemens müssen sich neu positionieren“, sagt Alte-Teigeler. „Nur der Einbau der Zähler und die Kommunikation damit werden nicht mehr reichen. Die Prozesse müssen neu definiert werden.“
Ein Hindernis machen viele Fachleute im Wildwuchs an technischen Standards für Datenformat und Übertragungsweg aus. „Alle warten auf die Festsetzung eines einheitlichen Standards und auf weitere Vorgaben durch die Bundesnetzagentur“, sagt Alte-Teigeler. Doch „die Standardisierungsdiskussion wird von der Energiewirtschaft gerne genutzt zum Bestandsschutz“, hält Thomas Walter dagegen, Energieexperte beim IT-Dienstleister Atos Origin. Langfristig erwarten Fachleute einen Standard auf EU-Ebene.
Offensiver stellen sich viele IT-Unternehmen auf den technischen Wandel ein. Sie sehen langfristig einen neuen attraktiven Markt für ihre Produkte und Dienste. Denn wenn noch intelligentere Zähler in Zukunft zeitnah alle 15 min oder sogar in Echtzeit den genauen Verbrauch aufgeschlüsselt nach Haushaltsgeräten abbilden und weitermelden, kann man daraus detaillierte Nutzerprofile gewinnen.
Ein Einblick in die Lebensweise des Stromkunden wäre damit möglich. Das böte einträgliche Vermarktungschancen für Datenhändler und kreative Marketingabteilungen. Google hat die Lizenz zum Energiehandel in den USA schon beantragt.
„Zum Abrechnen brauchen die Versorger nicht viele Daten, aber für die Beratung sind sie nötig. Das Ablesen im 15-min-Takt ist aber nichts Halbes und nichts Ganzes“, urteilt BTC-Mann Ritter.
Die Nutzerprofile könnten sogar noch lukrativer werden, wenn, wie von vielen Fachleuten diskutiert, auch die Verbrauchsdaten von Gas, Wasser und Wärme durch digital auslesbare Messgeräten erhoben und an die Energieanbieter übertragen werden würden.
Allerdings winken viele Versorger ab. Sie betonen, dass sie wegen des teuren Speicherns und Verwaltens der Datenmengen kein Interesse an der Überflutung mit Verbrauchsinformationen ihrer Kunden haben.
„Wenn künftig nicht mehr einmal jährlich, sondern alle 15 min die Verbrauchsdaten und die jeweilige Zuordnungsnummer des Zählers zum Versorger übertragen werden, sind große Speicher zur Verarbeitung dieser Datenvolumina nötig“, erläutert Thomas Piontek, Manager in der Energiesparte des Dienstleisters Logica.
Die weite Palette des Umgangs mit den Daten zählt Richard Haagensen auf, Produktmanagement-Chef beim Stromzähleranbieter Landis + Gyr: „Daten müssen integriert, ausgetauscht, berichtet, verarbeitet, vereinheitlicht, gespeichert und erworben werden.“ Die IT- und Telekommunikationsunternehmen, die beim Aufbau intelligenter Energienetze in den Startlöchern stehen, dürften für solch vielfältige Herausforderungen an die EDV besser gewappnet sein als zum Beispiel kleinere Stadtwerke.
Mittel- und langfristig wird sich die Palette der Versorger wohl ausdifferenzieren. Fortschrittliche Anbieter werden nach der Etablierung der Smart Meter weitere Dienste anbieten, wie die Kontrolle überhöhter oder ungewöhnlicher Energieverbräuche im digital voll vernetzen Heim der Zukunft. In diese Richtung geht die auf der diesjährigen CeBIT unterzeichnete Elefantenallianz zwischen Microsoft und RWE.
„Die Steuerung von intelligenten Endpunkten wie Geräten und Schaltkästen ist nur von Unternehmen zu leisten, die in der Massentelekommunikation erfahren sind. Diesen Anbietern bietet sich ein riesiger Markt“, sagt Schneider. Sein Arbeitgeber T-Systems kooperiert daher mit dem Anlagenbauer ABB.
In anderen europäischen Ländern ist man schon wesentlich weiter als in Deutschland. Nach einer EU-Richtlinie müssen bis 2020 vier Fünftel der Haushalte mit Smart Metern ausgerüstet werden. In Österreich zum Beispiel hat der Versorger Linz AG bereits 40 000 elektronische Zähler installiert. „Durch die neuen Zähler haben wir den Vorteil, dass wir nicht mehr vor Ort ablesen müssen. Daher können wir im Zuge der Verrentung in den nächsten Jahren Personal abbauen“, weist Friedrich Eidenberger, Geschäftsführer von Linz Strom, auf einen weiteren Kostenvorteil hin.
ULRICH HOTTELET
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