Smarte Bioraffinerie kombiniert verschiedene Verfahren
Forschende aus Potsdam arbeiten an einer intelligenten Bioraffinerie. KI und Simulationen optimieren Prozesse für eine nachhaltige Bioökonomie.

Künftig soll Biomasse in intelligenten Bioraffinerien kreislauffähig genutzt werden, so dass nur wenig Abfall entsteht.
Foto: PantherMedia / deyanarobova
Der Wandel zu einer nachhaltigen Bioökonomie erfordert neue Technologien zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Intelligente Bioraffinerien kombinieren verschiedene Umwandlungsverfahren, um Ressourcen effizienter zu nutzen und Abfälle zu minimieren. Forschende des Leibniz-Instituts für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) haben ein Konzept entwickelt, das diese Prozesse vernetzt. Mithilfe von künstlicher Intelligenz und Simulationen können Millionen Szenarien analysiert und optimiert werden. Ziel ist eine widerstandsfähige, wirtschaftliche und nachhaltige Bioökonomie.
Inhaltsverzeichnis
Bioökonomie: Herausforderungen und Chancen
Die Abkehr von fossilen Energieträgern hin zu einer biobasierten Wirtschaft ist eine der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Biomasse als erneuerbare Ressource bietet hierbei enormes Potenzial. Doch bislang werden viele organische Rückstände ungenutzt entsorgt oder verbrannt. Eine zukunftsweisende Lösung stellen intelligente, vernetzte Bioraffinerien dar. Diese können biologische Rohstoffe umfassend verwerten und dadurch die Effizienz der Bioökonomie signifikant steigern.
Im Unterschied zu herkömmlichen Bioraffinerien, die sich oft nur auf eine Umwandlungstechnologie oder einen einzigen Rohstoff konzentrieren, setzen smarte Bioraffinerien auf eine Kombination mehrerer Verfahren. Dadurch entsteht ein geschlossener Kreislauf, der alle verwertbaren Bestandteile von Biomasse nutzt und Abfälle auf ein Minimum reduziert. So können etwa pflanzliche Reststoffe, Holzabfälle oder landwirtschaftliche Nebenprodukte in einer einzigen Anlage mehrfach verwertet und in unterschiedliche Wertstoffe umgewandelt werden.
Kombinierte Verfahren für maximale Effizienz
Dr. Nader Marzban vom ATB erläutert: „Es gibt viele Technologien, die Biomasse in Wertstoffe umwandeln. Anaerobe Vergärung erzeugt Biogas, hinterlässt aber Gärreste mit wertvollen organischen Verbindungen. Diese können durch hydrothermale Humifizierung zu Huminstoffen umgewandelt werden, die Bodenqualität und Bakterienvielfalt stabilisieren.“
Ein weiteres Beispiel für kombinierte Verfahren ist die Verbindung von Pyrolyse und anaerober Vergärung. Biokohle, die durch Pyrolyse aus organischem Material gewonnen wird, dient in diesem Prozess als Katalysator. Sie steigert die Effizienz der Biogaserzeugung und bindet gleichzeitig wertvolle Nährstoffe. Nach der Verwendung in der Bioraffinerie kann sie im Boden als langfristiger Kohlenstoffspeicher dienen und trägt so zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit bei.
Auch die Fermentation lässt sich durch geschickte Kombination mit anderen Prozessen optimieren. Die Zugabe von Biokohle während der Fermentation baut hemmende Stoffe ab, wodurch sich die Erträge an Ethanol und Milchsäure deutlich steigern. Zusätzlich können die bei der Pyrolyse entstehende Biowärme und die erzeugte Elektrizität direkt für die Fermentation genutzt werden. Das senkt den Energieverbrauch und reduziert die Abhängigkeit von externen Energiequellen.
CO₂-Emissionen aus der Pyrolyse können ebenfalls weiterverwendet werden: Sie dienen als Nährstoffquelle für die Kultivierung von Algen, die wiederum als alternative Proteinquelle nutzbar sind. Solche integrativen Ansätze helfen nicht nur, Emissionen zu reduzieren, sondern schaffen gleichzeitig neue Wertschöpfungsketten.
Simulationen als Schlüssel zur Optimierung
Die Vielzahl der möglichen Prozesskombinationen macht eine gezielte Optimierung erforderlich. „Alle Szenarien experimentell zu untersuchen, wäre extrem teuer und zeitaufwendig“, erklärt Dr. Marzban. „Deshalb setzen wir auf KI-gestützte Simulationen, um die besten Ansätze zu identifizieren.“
Dabei kommen digitale Zwillinge und komplexe Algorithmen zum Einsatz, die Millionen potenzielle Szenarien berechnen können. Diese Modelle berücksichtigen nicht nur verschiedene Biomassearten, sondern auch saisonale Schwankungen und regionale Verfügbarkeiten. Durch diese vorausschauenden Analysen lassen sich die effizientesten Prozesskombinationen auswählen und in Pilotprojekten testen.
Eine nachhaltige, vernetzte Bioökonomie
Die Entwicklung intelligenter Bioraffinerien basiert auf umfangreichen Forschungsergebnissen und modernen Technologien wie Sensortechnik, digitalen Zwillingen und maschinellem Lernen. Prof. Dr. Barbara Sturm, Wissenschaftliche Direktorin des ATB, erläutert: „Durch die Modellierung vernetzter Systeme können Bioraffinerien in der Praxis validiert und kontinuierlich verbessert werden. Unser systemischer Ansatz integriert bestehende Technologien und schafft neue Möglichkeiten.“
Diese Vernetzung ermöglicht es, Prozesse laufend an veränderte Bedingungen anzupassen. Beispielsweise kann durch Echtzeitmessungen festgestellt werden, welche Rohstoffzusammensetzungen für bestimmte Umwandlungsprozesse am effizientesten sind. So wird eine maximale Ressourcennutzung gewährleistet, ohne dass hohe Rohstoffverluste entstehen.
Das übergeordnete Ziel besteht darin, eine widerstandsfähige, nachhaltige und wirtschaftlich tragfähige Bioökonomie zu etablieren. „Eine intelligente Vernetzung dieser Verfahren könnte nicht nur die Nachhaltigkeit verbessern, sondern auch neue Arbeitsplätze schaffen und politische Entscheidungsprozesse unterstützen“, so Prof. Sturm weiter.
Umsetzung und Zukunftsausblick
Das ATB hat gemeinsam mit Partnern aus der Universität Potsdam und der TU Berlin ein Konzeptpapier erstellt, das als Grundlage für die Weiterentwicklung intelligenter Bioraffinerien dient. Erste Schritte zur praktischen Umsetzung wurden bereits eingeleitet: In Groß Kreutz soll ab März eine Forschungsanlage entstehen, die bestehende Pilotprojekte ergänzt. Diese Anlage wird dazu dienen, verschiedene Technologien in realen Bedingungen zu testen und weiterzuentwickeln.
Parallel dazu strebt das ATB eine Erweiterung seiner Forschungskapazitäten an. Eine enge Zusammenarbeit mit Universitäten und Unternehmen soll dazu beitragen, den Wissenstransfer zu beschleunigen und innovative Verfahren schneller in die Praxis zu überführen.
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